Friedenthal,
Rudolf, preuß. Staatsmann, geb. 15. Sept. 1827 zu Breslau, studierte die Rechte in Breslau, Heidelberg, Berlin und erwarb 1849 an letztgenannter Universität den Doktorgrad mit der Dissertation »De rerum litigiosarum alienatione ex jure romano« (Berl. 1849). Zuerst willens, sich der akademischen Laufbahn zu widmen, trat er als Auskultator in die juristische Praxis, ward 1851 Referendar und 1854 Assessor bei dem Kammergericht. Um die Verwaltung seines großen Grundbesitzes und seiner ausgedehnten industriellen Etablissements zu übernehmen, schied er 1854 aus dem Justizdienst, ward 1856 Kreisdeputierter für Neiße und 1857 Landrat des Kreises Grottkau. 1864 nach dem Tod seines Vaters trat er überhaupt aus dem Staatsdienst aus und widmete sich ganz der Verwaltung seines Ritterguts Gießmannsdorf und seiner übrigen Besitzungen. Hier wirkte er durch sein Beispiel und manche neue Einrichtungen für Hebung der Landwirtschaft, wie er auch die Lage seiner ländlichen Arbeiter und Beamten zu verbessern bestrebt war. Seit 1867 Mitglied des Reichstags des Norddeutschen Bundes sowie des deutschen Reichstags, hielt er sich anfangs zu den Altliberalen und ward später Begründer und Führer der freikonservativen oder deutschen Reichspartei. Die durch den Norddeutschen Bund geschaffenen Reformen beleuchtete er in der Schrift »Reichstag und Zollparlament, gesetzgeberische Resultate der Sessionen von 1867 und 1868« (Berl. 1869). Im November 1870 wurde er mit Blankenburg und Bennigsen als Vertrauensmann nach Versailles berufen, um an den Vorverhandlungen zur Feststellung des Entwurfs der deutschen Reichsverfassung teilzunehmen. 1870 trat er auch in das preußische Abgeordnetenhaus, wo er, 1873 zum Vizepräsidenten gewählt, in allen Fragen einen vermittelnden Einfluß übte und sich namentlich um das Zustandekommen der Kreisordnung (1872) und der übrigen auf die Verwaltungsreform bezüglichen Gesetze verdient machte. Am 19. Sept. 1874 wurde er nach dem Ausscheiden des Grafen Königsmark an die Spitze des landwirtschaftlichen Ministeriums berufen, was ihn nötigte, seine industriellen Unternehmungen aufzugeben. In seinem neuen bisher sehr vernachlässigten Amt entwickelte Friedenthal eine rastlose schöpferische Thätigkeit durch Gesetzvorschläge sowie segensreiche und anregende Verwaltungsmaßregeln und erwarb sich den Dank und die Anerkennung aller Parteien. Vom Oktober 1877 bis März 1878 verwaltete er während Eulenburgs Beurlaubung das Ministerium des Innern mit gleichem Geschick, doch ward er nicht definitiv mit demselben betraut, weil er die Vollendung der Verwaltungsreform verlangte. Ein neues großes Feld eröffnete sich seinem erfolgreichen Wirken, als 1. April 1879 die Verwaltung der Domänen und Forsten dem landwirtschaftlichen Ministerium zugewiesen wurde. Doch nahm er 14. Juli 1879 seine Entlassung, weil er die neue Zollpolitik des Reichskanzlers, besonders die Getreidezölle, nicht billigte, und ward, nachdem er vom Herzog von Dino die große Herrschaft Deutsch-Wartenberg in Schlesien gekauft hatte, im Oktober 1879 zum Mitglied des Herrenhauses ernannt.