Friedenthal
,
Rudolf, preuß. Staatsmann, geb. zu Breslau, [* 2] studierte die Rechte in Breslau, Heidelberg, [* 3] Berlin [* 4] und erwarb 1849 an letztgenannter Universität den Doktorgrad mit der Dissertation »De rerum litigiosarum alienatione ex jure romano« (Berl. 1849). Zuerst willens, sich der akademischen Laufbahn zu widmen, trat er als Auskultator in die juristische Praxis, ward 1851 Referendar und 1854 Assessor bei dem Kammergericht. Um die Verwaltung seines großen Grundbesitzes und seiner ausgedehnten industriellen Etablissements zu übernehmen, schied er 1854 aus dem Justizdienst, ward 1856 Kreisdeputierter für Neiße [* 5] und 1857 Landrat des Kreises Grottkau. 1864 nach dem Tod seines Vaters trat er überhaupt aus dem Staatsdienst aus und widmete sich ganz der Verwaltung seines Ritterguts Gießmannsdorf und seiner übrigen Besitzungen.
Hier wirkte er durch sein
Beispiel und manche neue Einrichtungen für
Hebung
[* 6] der
Landwirtschaft, wie er auch die
Lage seiner ländlichen
Arbeiter und Beamten zu verbessern bestrebt war. Seit 1867 Mitglied des
Reichstags des Norddeutschen
Bundes sowie des deutschen
Reichstags, hielt er sich anfangs zu den Altliberalen und ward später Begründer und
Führer der
freikonservativen oder deutschen
Reichspartei. Die durch den Norddeutschen
Bund geschaffenen
Reformen beleuchtete er in der
Schrift
»Reichstag und
Zollparlament, gesetzgeberische
Resultate der
Sessionen von 1867 und 1868« (Berl. 1869). Im
November 1870 wurde
er mit
Blankenburg und
Bennigsen als Vertrauensmann nach
Versailles
[* 7] berufen,
um an den Vorverhandlungen zur Feststellung des
Entwurfs der deutschen
Reichsverfassung teilzunehmen. 1870 trat er auch in das preußische Abgeordnetenhaus, wo
er, 1873 zum Vizepräsidenten gewählt, in allen
Fragen einen vermittelnden Einfluß übte und sich namentlich um das Zustandekommen
der
Kreisordnung (1872) und der übrigen auf die Verwaltungsreform bezüglichen
Gesetze verdient machte. Am wurde
er nach dem Ausscheiden des
Grafen
Königsmark an die
Spitze des landwirtschaftlichen
Ministeriums berufen,
was ihn nötigte, seine industriellen
Unternehmungen aufzugeben. In seinem neuen bisher sehr vernachlässigten
Amt entwickelte
Friedenthal
eine rastlose schöpferische Thätigkeit durch
Gesetzvorschläge sowie segensreiche und anregende Verwaltungsmaßregeln
und erwarb sich den Dank und die
Anerkennung aller
Parteien.
Vom Oktober 1877 bis März 1878 verwaltete er während Eulenburgs Beurlaubung das Ministerium des Innern mit gleichem Geschick, doch ward er nicht definitiv mit demselben betraut, weil er die Vollendung der Verwaltungsreform verlangte. Ein neues großes Feld eröffnete sich seinem erfolgreichen Wirken, als die Verwaltung der Domänen und Forsten dem landwirtschaftlichen Ministerium zugewiesen wurde. Doch nahm er seine Entlassung, weil er die neue Zollpolitik des Reichskanzlers, besonders die Getreidezölle, nicht billigte, und ward, nachdem er vom Herzog von Dino die große Herrschaft Deutsch-Wartenberg in Schlesien [* 8] gekauft hatte, im Oktober 1879 zum Mitglied des Herrenhauses ernannt.