Friedensge
richte
(Schiedsgerichte), die zur gütlichen Erledigung von Rechtsstreitigkeiten bestellten Behörden. Bei den meisten Völkern finden wir ursprünglich fast nur Schieds- und Vergleichsgerichte, in welchen die Familienväter, die Priester oder andre besonderes Vertrauen genießende und deshalb erwählte Mitbürger den Ausspruch thun, dem sich die Parteien in der Regel willig fügen; so namentlich auch bei den germanischen Völkerschaften. Aber auch nachdem in Deutschland [* 2] ein eigentliches Prozeßverfahren ins Leben getreten, bestanden noch nach wie vor eigentliche Vergleichsinstitute zur Beilegung der Prozesse in »Minne« oder Güte, weshalb die Richter nicht selten auch »Minner« genannt wurden (vgl. Austräge), und es ist von jeher als eine Pflicht des Richters anerkannt worden, bei Privatrechtsstreitigkeiten vor Erteilung rechtlicher Entscheidung eine gütliche Erledigung derselben zu versuchen.
Daneben finden sich aber bei den meisten
Völkerschaften auch eigentliche Friedensge
richte. In
England wurden die Friedensrichter (justices
of the peace) schon von König
Eduard III. im 14. Jahrh. eingeführt. Sie hatten unter königlicher
Autorität den gemeinen
Frieden zu erhalten (nach dem englischen
Staatsrecht ist deshalb der König der oberste Friedensrichter)
und darüber zu wachen, daß die
Ruhe und Sicherheit der
Bürger nicht gestört, daß die Verbrecher eingezogen und durch
Verhöre
und sonstige
Verhandlungen die
Entscheidung der Oberrichter in den
Gerichtshöfen vorbereitet werde.
Gegenwärtig fungieren die Friedensrichter als wichtiges Organ der Selbstverwaltung teils als Lokalbehörden, einzeln oder zu zweien (Petty Sessions), teils als Kreisbehörden (Special Sessions, teils als Grafschaftsbehörden (Quarter Sessions), welch letztere die Beschwerdeinstanz über die friedensrichterliche Verwaltung bilden, auch in ihren sogen. Quartalsitzungen unter Zuziehung von Geschwornen die Funktionen eines Kriminalgerichts ausüben. Im übrigen liegen den Friedensrichtern die Voruntersuchung bei Verbrechen, die Polizeiverwaltung und Polizeigerichtsbarkeit sowie die Entscheidung minder wichtiger Privatrechtsstreitigkeiten ob.
Vgl. Gneist, Selfgovernment (3. Aufl., Berl. 1871).
In
Frankreich, woselbst das
Institut der Friedensge
richte durch
Gesetz vom eingeführt ward, sind die Friedensrichter (juges
de paix) nicht nur obrigkeitlich bestellte Vermittler und
Schiedsmänner des
Volkes in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten,
sondern Ortsbeamte der
Regierung mit ausgedehnterm Wirkungskreis. Die Fähigkeit, als Friedensrichter gewählt werden zu können,
wird durch ein
Alter von 30
Jahren und durch die
Eigenschaften eines
Notabeln bedingt. Zum Friedensge
richt gehören noch außer
dem Friedensrichter zwei
Suppleanten, um in Verhinderungsfällen des erstern denselben zu vertreten, ferner
ein
Gerichtsschreiber (greffier) und mindestens zwei
Huissiers.
Bevor eine
Klage vor einem ordentlichen
Gericht angebracht wird, muß vor dem Friedensge
richt die
Güte gepflogen worden sein
(was indes durch eine bescheinigte
Buße von 10
Frank umgangen werden kann); in den meisten minder wichtigen
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten hat der Friedensrichter das
Amt eines Zivilrichters, teils nur in erster
Instanz, so daß
eine
Berufung von dessen
Ausspruch an die Bezirksgerichte stattfinden kann, teils in erster und letzter
Instanz.
Mehrere Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, als der Vorsitz im Familienrat (s. d.), das Anlegen und Abnehmen der Siegel bei Sterbefällen, die Ausstellung der Notorietätsakte bei Heiraten etc., sind den Friedensrichtern übertragen; sie bilden das einfache Polizeigericht (Tribunal de police simple) für Übertretungen (contraventions de police simple) und können als solches eine Strafe bis zu 15 Frank oder fünftägiger Haft erkennen (bei einer höhern Strafe ist die Berufung an das Bezirksgericht freigegeben). Zugleich sind sie Hilfsbeamte der Gerichtspolizei (officiers de police judiciaire) und werden auch ¶
mehr
meist mit der Generaluntersuchung der in ihrem Bezirk verübten Verbrechen von den Untersuchungsrichtern des Bezirks beauftragt.
Von Frankreich war mit dem französischen Rechte das Institut der Friedensge
richte auch auf Rheinpreußen, Rheinbayern und Rheinhessen übergegangen.
Doch ist dasselbe durch die neue Reichsjustizorganisation dort ebenso wie in Elsaß-Lothringen
[* 4] beseitigt worden. Ganz andrer
Natur als die englischen und französischen Friedensge
richte sind die in vielen deutschen Ländern eingeführten Institute der Friedensrichter
oder Schiedsmänner, welche Verminderung und Abkürzung der Prozesse durch Beilegung zivilrechtlicher Streitigkeiten, öfters
auch Ehrenkränkungssachen, im Weg des Vergleichs oder schiedsrichterlichen Ausspruchs bezwecken. Vgl. Schiedsmann.