Freundschaft,
im allgemeinen jedes Verhältnis gegenseitiger Zuneigung zwischen Personen, welches auf dem Bewußtsein äußerer oder innerer Gleichartigkeit beruht. Ersteres Merkmal unterscheidet dieselbe von bloßer Sympathie, welche auf unbewußter Gleichartigkeit, letzteres von der Liebe als derjenigen Zuneigung, welche auf bewußter Ungleichartigkeit und wechselseitiger Ergänzung (z. B. in der Geschlechtsliebe) beruht. Liegt der Freundschaft nur äußere Gleichartigkeit (gleiche Abstammung, gleiche Welt- und gesellschaftliche Stellung, Gleichalterigkeit, gleiche geschäftliche oder Vergnügungszwecke etc.) zu Grunde, so heißt sie weltliche (wozu die sogen. Blutsfreundschaft, Geschäftsfreundschaft, Waffenbrüderschaft, Zechbrüderschaft etc. gehören); liegt ihr dagegen innere Gleichartigkeit (der Überzeugung, des Geschmacks, der Gesinnung) zu Grunde, so heißt sie geistliche Freundschaft, welche je nach der Übereinstimmung im Denken, Fühlen oder Wollen als Geister-, Seelen- oder Charakterbundaustritt.
Letztere wird in höherm Sinn wohl allein Freundschaft genannt, während für die freundschaftlichen Verbindungen der erstern Art die Bezeichnung der Blutsverwandtschaft (Freundschaft heißt im Volksmund die gesamte Geschlechtsangehörigkeit), der Kameradschaft, der Association etc. ausreicht. Der Umstand, daß das Gleichartige in jenem Fall zugleich das Höhere im Menschen ist, hebt die Neigung zum andern um der Gleichartigkeit willen auf eine höhere Stufe und läßt sie mit Achtung für wahrhaft Achtungswürdiges verbunden sein.
Über der anerkannten Gleichheit in demjenigen, was edlen Persönlichkeiten allein für das wahre Wesen des Menschen gilt, tritt die Ungleichheit in äußern Dingen (Rang, Stand, selbst Geschlecht) in den Hintergrund; wirkliche Freundschaft kennt weder Geburts- noch Besitzunterschiede. Dennoch ist, mit der Liebe verglichen, der ein egoistischer Zug nicht abzusprechen; während der Liebende in der Geliebten das Gegenteil, liebt der Freund im Freunde das Ebenbild seiner selbst, jener in der andern die andre, dieser im andern streng genommen nur sich. Daher steht die Liebe dem Wohlwollen, welches dem fremden Wollen als fremdem sich unterordnet, die Freundschaft dagegen dem Mitgefühl näher, welches das fremde Gefühl als eignes wiederholt. Daher erlischt die Freundschaft, sobald die Übereinstimmung aufgehört hat, während die Liebe von vornherein den Gegensatz anerkennt und, wenn dieser allmählich zu schwinden beginnt und (wie in der Ehe) wachsender Gleichartigkeit Platz
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macht, nun erst recht als Freundschaft fortbesteht. Bei den Griechen sind Achilleus und Patroklos, Orestes und Pylades sprichwörtlich geworden. Unter den Barbaren wurden die Skythen als treue Pfleger der Freundschaft gerühmt. Bei den alten Germanen wurden Freundschaften zwischen zwei einzelnen Personen, häufiger noch zwischen ganzen Gesellschaften auf Leben und Tod geschlossen. Die Geschichte unsers Volkes liefert in Konradin dem Hohenstaufen und Friedrich von Baden, in Ludwig dem Bayern und Friedrich von Österreich ähnliche Beispiele. Das Gegenteil der Freundschaft ist die Feindschaft als auf dem Bewußtsein der (äußern und innern) Gleichartigkeit beruhende Abneigung (Blutsfeindschaft: feindliche Brüder; Geschäftsfeindschaft zwischen Konkurrenten; Gelehrten-, politische und andre Feindschaften mehr). Bleibt die der Abneigung zu Grunde liegende Gleichartigkeit unbewußt, so heißt die Feindschaft Antipathie.