Freihafen
,
ein
Hafen, zu welchem als Handelsplatz allen
Flaggen
[* 3] der Zutritt offen steht, und welcher im
Gegensatz zum
Hinterland von Zollabgaben und ähnlichen Handelsbelästigungen, höchstens vorbehaltlich der allgemein üblichen Hafenabgaben,
frei ist. Er bildet eine besondere Art von offenem
Hafen im
Gegensatz zu dem geschlossenen, welcher den
Schiffen fremder
Nationen nicht zugänglich ist (s.
Schiffahrtsgesetze und
Schiffahrtsverträge). Das Freihafen
gebiet erscheint
daher in handelspolitischer Beziehung neutral, gilt dem Inland gegenüber als
Ausland und wird deshalb durch die
Zollgrenze
von dem übrigen
Territorium des betreffenden
Staats geschieden.
Das Entstehen von Freihäfen ist auf die Zeiten der prohibitiven und protektionistischen Handelspolitik zurückzuführen, und es steht die steigende und abnehmende Bedeutung der Freihäfen in engstem Zusammenhang mit der Handelsgeschichte der letzten Jahrhunderte. Im Mittelalter dienten sie vornehmlich dazu, um den internationalen Handel auf gewisse bevorzugte Punkte am Ausfluß [* 4] großer Ströme oder an geeigneten Küsten zu lenken und diese rasch zu natürlichen Handelszentren zu machen.
Die Freihäfen durchbrachen in jenen
Zeiten die hemmenden Verkehrsfesseln und erwiesen sich im Austausch der durch sie vermittelten
Produkte als dem wirtschaftlichen Gedeihen förderlich. Das Gedeihen handelsfreier Hafenplätze veranlaßte bald zur
Nachahmung des zuerst in
Italien
[* 5] gegebenen
Beispiels in
Frankreich,
Österreich,
[* 6]
Spanien
[* 7] und
Portugal, wo es
sich insbesondere um die Durchbrechung des
Kolonialsystems durch diese Einrichtungen handelte. Dagegen
war in
England und ebenso
in den nordamerikanischen Unionsstaaten von eigentlichen Freihäfen niemals die
Rede, sondern dort bildete sich das Entrepotsystem
schon früh als
Ersatz der Freihafen
privilegien. In neuerer Zeit sind die Freihäfen als
Depots von Warenbezügen
und, wenn sie günstig gelegen sind, als
Träger
[* 8] eines umfassenden
Zwischenhandels wichtig geworden. Sie waren die
Märkte,
aus denen der
Konsument oder der
Händler aus zweiter oder dritter
Hand
[* 9] seine
Waren
¶
mehr
auswählen und verhältnismäßig leichter mit dem Ausland Verbindungen anknüpfen konnte. Aber auch in dieser Beziehung haben
die wesentlich veränderten technischen und wirtschaftlichen Bedingungen, unter welchen der Welthandel heute betrieben werden
muß, zur Beseitigung der Freihäfen und zum Ersatz der vorteilhaften Seiten derselben durch ein großartig eingerichtetes
Entrepotsystem geführt. Statt das ganze Hafengebiet als Zollausschluß zu erklären, was den Industriellen
und dem Kaufmannsstand des Hinterlandes vielerlei Schwierigkeiten für den Export bringt und den Bewohnern des Freihafens
selbst
den Verkehr mit dem übrigen Staatsgebiet unterbindet, erreicht man den ganzen Nutzen, ohne die Nachteile zu tragen, durch
die Errichtung großer Niederlagen, Lagerhäuser, Docks, welche entweder als Entrepôts réels von seiten
des Staats selbst als Zolllagerstätten verwaltet oder als Entrepôts fictifs von Privaten unter Kontrolle der Zollverwaltung
gehalten werden, und in welchen die zollfreie Ein- und Ausfuhr, die verschiedenen mit dem Zwischenhandel verbundenen Manipulationen
des Verpackens, Sortierens, Raffinierens, Veredelns etc. bequem und rasch vollzogen werden und überdies
für den heute so wichtigen Warenlombard mit den Warrants, Pfand- und Lagerscheinen alle Erleichterungen geboten werden. So ist
man fast allgemein zu dem in England schon im J. 1733 durchgebildeten Entrepot- (Warehousing-) System, welches nachher seine
eigentümlichen Formen in Holland und Frankreich erhielt, übergegangen. In Frankreich beginnt die Errichtung
der Freihäfen schon im 16. Jahrh.; die großen Privilegien der Freihäfen Marseille,
[* 11] Dünkirchen
[* 12] und Bayonne, welche als Ȏtranger
effectif« erklärt wurden, stammen aus der Colbertschen Zeit (1669). Nach mannigfachen Wandlungen erfolgte die endgültige
Beseitigung im J. 1817, indem das in ganz Frankreich herrschende Zoll- und Entrepotsystem mit einigen zu
gunsten Marseilles stimulierten Ausnahmen eingeführt wurde.
Im Deutschen Reich waren Lübeck,
[* 13] Bremen
[* 14] und Hamburg
[* 15] Freihäfen. Die Freihafen
stellung von Lübeck fand ihr Ende durch den am (zugleich
mit Schleswig-Holstein,
[* 16] Mecklenburg
[* 17] und Lauenburg)
[* 18] erfolgten Eintritt in den Zollverein. Dagegen blieben »die Hansestädte Bremen
und Hamburg mit einem dem Zweck entsprechenden Bezirk ihres oder des umliegenden Gebiets Freihäfen außerhalb
der gemeinschaftlichen Zollgrenze, bis sie ihren Einschluß in dieselbe beantragen« (Art. 34 der Reichsverfassung vom
Hamburg vereinbarte den Anschluß im J. 1881, und durch Gesetz vom wurde derselbe vollzogen, indem nur noch ein
kleines Freihafen
gebiet fortbesteht, auf welches der Art. 34 fortdauernd Anwendung findet.
Das Gleiche gilt von Bremen. In Italien wurden die alten Freihafen
privilegien von Genua,
[* 19] Livorno,
[* 20] Venedig,
[* 21] Messina
[* 22] und Brindisi kurz
nach der Rekonstituierung des Königreichs aufgehoben. In Österreich-Ungarn
[* 23] sind Triest
[* 24] (Patent Kaiser Karls VI. 1717 und der
Kaiserin Maria Theresia 1745) und Fiume
[* 25] noch jetzt wichtige Freihäfen; die andern Freihäfen am Litorale:
Martinschizza, Buccari, Portorè, Zengg und Carlopago, wurden in das allgemeine Zollgebiet einbezogen;
hinsichtlich Triests und Fiumes ist die Einbeziehung (1878) prinzipiell vereinbart worden und deren Ausführung eine Aufgabe der nächsten Zukunft.
Rumänien
[* 26] hatte im J. 1872 den Städten Galatz, Braila und Sulina und im J. 1880 Tultscha
und Küstendsche auf der untern Donau Freihafen
privilegien erteilt;
diese wurden jedoch im J. 1883 wieder aufgehoben und durch
Entrepots ersetzt. -
Von den Engländern ist Aden
[* 27] in Arabien im J. 1850 zum Freihafen
erklärt worden, aber auch zahlreiche andre britische
Häfen in Asien
[* 28] sind thatsächlich Freihäfen, so: Singapur,
[* 29] Georgetown auf Pinang, Malakka und besonders das wichtige Hongkong.
Im dänischen Westindien
[* 30] ist St. Thomas völliger Freihafen.
Dazu wurden 1848 seitens der niederländischen Regierung ferner Manado
und Kema an der Nordspitze von Celebes erhoben; im wesentlichen können ebenso seit 1854 die molukkischen
Häfen Amboina, Banda, Ternate und Kajelie als solche gelten. In Honduras
[* 31] wurde im J. 1877 Omoa zum Freihafen
erklärt. In gewissem Sinn
endlich sind durch die Generalakte der Congokonferenz in Berlin
[* 32] 1885 die Häfen der westafrikanischen Küste in dem Seegebiet,
welches sich am Atlantischen Ozean von dem unter 2° 30' südl. Br. belegenen Breitengrad bis zur Mündung
des Loge erstreckt, als Freihäfen der Zukunft anzusehen.