Titel
Französische
Litteratur.
In der Geschichte der franz. Nationallitteratur
lassen
sich zwei Hauptperioden unterscheiden, eine mittelalterliche (altfranzösische
) und eine moderne (neufranzösische).
Die erste
Periode reicht
bis in die Zeit
Franz' I., wo das franz. Schrifttum, durch die Renaissance und die
Reformation von neuen Ideen befruchtet, neue
Stoffe und Darstellungsformen aufnahm und die
Bande der mittelalterlichen Überlieferung
durchbrach.
I. Altfranzösische
Periode.
1) Von den Anfängen bis etwa 1150. Die Anfänge der
Dichtung verlieren sich im Dunkel der vorlitterar. Zeit. Man darf den
Ursprung des
Französischen mit den ersten röm.
Ansiedelungen im nördl.
Gallien beginnen lassen, aber
als in den folgenden Jahrhunderten die Urbewohner des
Landes ihre
Sprache
[* 2] mit der lateinischen vertauschten und in die röm.
Bildung sich einlebten, wurde das Latein der Gebildeten in der Litteratur
und im höhern Verkehr allein gebräuchlich;
daher sind alle aus diesem Zeitraume überlieferten Erzeugnisse litterar.
Geistes auf gallischem
Boden in das Bereich der röm. Litteratur
geschichte zu ziehen. Auch nachdem seit dem 4. Jahrh.
die Christianisierung
Galliens schnelle Fortschritte gemacht hatte, blieb die röm. Kultur bestehen, obgleich man
ihren heidn.
Geist durch einen christlichen zu verdrängen trachtete. So schreiben die ersten christl.
Schriftsteller des
Landes ihre Werke in lat.
Sprache. Erst nach dem Niedergange des Weströmischen
Reichs, als die in jeder
hervorragenden Stadt
Galliens vorhandenen Bildungsstätten verkümmerten und ihre
Auflösung sich beschleunigte unter dem Druck
der german. Invasionen und der Feindseligkeit, die allmählich das
Christentum gegen die heidn.
Wurzeln der röm.
Bildung ergreifen mußte, verengerte sich immer mehr der
Kreis
[* 3] der Gebildeten, der sich
der lat. Bildungssprache bediente. Die neueingerichteten
Klosterschulen konnten und wollten die
Verbindung mit der klassischen
Latinität nicht aufrecht erhalten, und seit dem 6. Jahrh. brach eine fast litteraturlose
Zeit ein, deren Zeugen das barbarische Latein einfältiger Legenden und dürftiger
Annalen reden. Doch
wurde die eigentliche Volkssprache, die galloroman.
Vorläuferin des Französischen, darum noch nicht schriftgemäß; selbst wenn sie im Verkehr eine ganz andere Bedeutung gegen früher erhielt. Daß man schon während des 6. oder 7. Jahrh. in dieser Volkssprache gedichtet hat, dürfte ohne ausdrückliche Zeugnisse anzunehmen sein. Wichtig für die Anfänge einer franz. Vulgärpoesie wurde aber die Aufnahme des seit dem 5. Jahrh. im Lande heimischen german. Elements in das galloröm. Volkstum. Auf die Dauer konnten die an Volkszahl gegen die Galloromanen weit zurückstehenden german. Ansiedler ihre Nationalität nicht behaupten, besonders im Westen und im Innern des Landes gelangte die Sprache, der die Franken wenigstens den Namen (französisch = francensis, d. h. fränkisch) und eine große Anzahl von Wörtern geschenkt haben, zur allgemeinen Anerkennung, aber während die Germanen ihre Sprache verloren, vererbten sie der neu sich bildenden Nationalität, in der sie aufgingen, ihren deutschen Heldengesang. Diese Erbschaft ist die Grundlage der reich entwickelten epischen Volksdichtung der Franzosen geworden, deren Geist selbst in spätmittelalterlicher Umbildung noch den german. Ursprung zeigt.
Schon unter der Herrschaft der
Merowinger und der
Vorfahren
Karls d. Gr. gab es galloroman. (französische
) Lieder, die, zunächst
wohl unmittelbare Nachbildungen fränk. Heldengesänge, das Andenken von Thaten einschneidender
Bedeutung und von hervorragenden Männern wach erhielten. Obgleich keins dieser Lieder erhalten ist,
wird doch ihr einstiges Vorhandensein bezeugt; bei
Gregor von
Tours,
[* 4] bei Fredegar, in den «Gesta Francorum» finden sich
Stellen,
die auf Lieder des 6. und 7. Jahrh.
¶
mehr
zurückgehen; auch die alte Biographie des heil. Faro, Bischofs vou Meaux im 6. Jahrh., beruft sich ausdrücklich auf den epischen Volksgesang, aus dem sie zum Ruhme des Heiligen einige Verse in lat. Umbildung wörtlich anführt. (Vgl. Pio Rajna, Le [* 6] origini dell'epopea francese, Flor. 1884.) Aus der Zusammenfassung einzelner derartiger Lieder und aus ihrer Bearbeitung durch volkstümliche Sänger gehen dann förmliche Epen (Chanson de geste) hervor, deren Vorhandensein schon für das 9. Jahrh. angenommen wird und für das 19. Jahrh. durch das sog. Haager Fragment sicher bezeugt ist.
Denn dieses ist als die Bearbeitung einer Chanson de geste aus dem Sagenkreise des Wilhelm von Orange in lat. Prosa nachgewiesen. (Vgl. G. Paris, [* 7] Histoire poétique de Charlemagne, Par. 1865, S. 50.) In dieser Zeit war Karl d. Gr. die in dem Mittelpunkt einer reichentwickelten volkstümlichen Epik in franz. Sprache stehende Persönlichkeit geworden, und selbst die Thaten seiner Vorgänger (Karl Martels) wurden auf ihn übertragen. Kämpfe gegen äußere Feinde (Saracenen), Fehden mit unbotmäßigen Vasallen und der Geschlechter untereinander (wie der Lothringer Cyllus) bildeten den Inhalt der epischen Dichtung jener Zeit; doch ist in ursprünglicher Gestalt nichts davon erhalten, da vor dem 11. Jahrh. keine Aufzeichnungen stattfanden.
Das Wiederaufblühen der lat. Bildung unter Karl d. Gr. war auch nicht günstig für die selbständige
Entwicklung der Litteratur
in der Vulgärsprache. Nur das praktische Interesse der geistlichen Erbauung und des Unterrichts
veranlaßte seit Beginn des 10. Jahrh. einzelne Kleriker, Gedichte in der Vulgärsprache zu
schreiben, die mit Benutzung der schon in der weltlichen Epik ausgebildeten Versformen das Leiden
[* 8] Christi
und die Lebensgeschichte von Heiligen in gebundener Rede behandelten.
Von dieser Klerikerlitteratur
ist das älteste erhaltene Zeugnis die Sequenz von der heil. Eulalia
aus dem 9. Jahrh. (zuerst hg. von Hoffmann, «Elnonesia»,
Gent
[* 9] 1837). Aus dem 10. Jahrh. sind überliefert: das Leben des heil.
Leodegar und die Passion Christi (hg. von Diez, «Zwei altroman.
Gedichte», Bonn
[* 10] 1852). Das umfangreichste und wichtigste Denkmal ist aber das um 1050 entstandene Alexiusleben (hg. von G.
Paris, Par. 1872). Weniger bedeutend ist die hymnenartige Bearbeitung des Hohenliedes aus dem
Anfange des 12. Jahrh. und die «eingeschobene Epistel» (Epistre farcie) auf den heil. Stephan. (Die beiden
letztern und die übrigen Denkmäler bei Foerster und Koschwitz, «Altfranz. Übungsbuch», Tl. 1, Heilbr. 1884.) Auch von den
ältesten Versuchen in franz. Prosa, Bearbeitungen geistlicher Stoffe, sind einige aus dieser Zeit erhalten: das Fragment
einer Predigt über den Propheten Jonas (10. Jahrh.), eine Übersetzung der Psalmen (11. Jahrh.) und der
vier Bücher der Könige (11. und 12. Jahrh.). Dagegen ist von den in den karoling.
Überlieferungen wurzelnden altfranz. Heldenliedern, deren es im 11. Jahrh. schon eine beträchtliche
Anzahl gegeben haben muß, nur eins auf uns gekommen, das Rolandslied (s. d.),
das nicht allein die älteste und altertümlichste, sondern zugleich die poetisch gehaltvollste, epische
Dichtung der volkstümlichen Litteratur
Frankreichs ist. Ein dem Rolandslied vielleicht gleichalteriges Denkmal ist «Karls d. Gr.
Reise nach Jerusalem»
[* 11] (hg. von E. Koschwitz, 2. Aufl., Heilbr. 1883;
vgl. auch Romania, Bd. 10),
ein halb ernstes, halb komisches «heroisches Fabliau» in der Form des Heldenliedes (Chanson de geste),
das auf der halbgelehrten Sage von Karls friedlicher Pilgerfahrt nach Jerusalem beruht. Außerdem gehört hierher das allerdings handschriftlich erst aus dem 14. Jahrh. überlieferte Fragment «Gormont und Isembart» (vgl. Roman. Studien, Bd. 3, 1879).
Mit Beginn des 12. Jahrh. beteiligen sich mit besonderm Eifer die Normannen an der Pflege der und Dichtung.
Seit 911 im festen Besitz des Landes, das nach ihnen den Namen Normandie empfangen hat, haben diese nordischen Germanen bald die
eigene Sprache mit der französischen
vertauscht und selbst allen Stoffen der volkstümlichen Heldendichtung der Franzosen eine
freundliche Aufnahme bereitet. Gerade die ältesten franz. Epen sind uns in Niederschriften
von frankonormann. oder anglonormann.
Sprachfärbung überliefert (so das Rolandslied). Denn als der Normannenherzog Wilhelm 1066 die engl. Krone gewann, wurde auch die franz. Sprache in England heimisch und behauptete hierüber 150 Jahre die Vorherrschaft als Sprache der Dichtung und des höhern Verkehrs. Die frühesten noch vorhandenen selbständigen Erzeugnisse auf diesem Gebiete der knüpfen an die Überlieferung der ältern geistlichen Dichtung Frankreichs an. Es sind Legenden und Traktate zu kirchlichen Zwecken. So schrieb Philippe von Thaon (aus der Gegend von Caen) um 1115 seinen «Cumpoz» (lat. Computus), einen Kalender in Versen, und um 1120 für die engl. Königin ein Tierbuch (Bestiaire, s. d.), während der Verfasser der gleichzeitigen Legende vom heil. Brandan nicht genannt wird. Außer verschiedenen Heiligenleben von Wace, die etwas späterer Zeit angehören, zeugen noch die ältesten franz. Reimchroniken, die bei den Normannen entstanden, von lebendigem Interesse für die eigene Vergangenheit: Geoffroi Gaimar, Wace und Benoit (de Sainte-More) waren in dieser Richtung als poet. Geschichtschreiber für den engl.-normann. Hof [* 12] thätig.
2) Die Blütezeit der altfranzösischen Periode (etwa 1150-1230). Die Werke der beiden letztern entstanden schon in den Jahren,
in denen die des Mittelalters sich zu reicher Blütenfülle entfaltete. In diesem Zeitraum hatten die
franz. Könige ihre unmittelbare Machtsphäre kräftig erweitert in siegreichen Kämpfen
gegen mächtige Lehnsfürsten und besonders gegen die als franz. Vasallen und Träger
[* 13] der Krone Englands gefährlichen Plantagenets.
Auf sicherer Grundlage ruhte hinfort die Zukunft der franz. Nationalität, und ihre Sprache und Litteratur
gewann an Kraft,
[* 14] Ausbreitung und Geltung. Und wie die Pariser Schulen gleichzeitig in der Gelehrsamkeit des Abendlandes
die Führung übernahmen, ebenso wirkte der Aufschwung und Reichtum der franz. Dichtung auf die litterar. Entwicklung der roman.
und german. Nachbarvölker. Vornehmlich die epischen Werke der Trouvères, in denen der Geist des seit den Kreuzzügen erblühenden
Rittertums herrschte, erlangten internationale Geltung.
Es hat den Anschein, als ob der Übergang von der höfischen Reimchronik zum höfischen Roman in Versen zuerst mit der Behandlung antiker Sagenstoffe gemacht wurde, neben denen aber bald auch die kunstmäßigen Bearbeitungen epischer Überlieferungen erscheinen, die in der breton. Volkssage wurzeln, Stoffe, die, mit Freiheit behandelt, sich als ungemein fruchtbar erwiesen für die poet. Verwirklichung und Verklärung ritterlicher Lebensverhältnisse und Zeitideale. Für die frühzeitige Behandlung der Alexandersage ¶
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spricht ein aus dem Anfang des 12. Jahrh. stammendes Bruchstück des Alberich von Besançon [* 16] (vgl. P. Meyer, Alexandre le Grand, 2 Bde., Par. 1886). Um 1150 entstanden die Bearbeitungen von Statius' Thebais als «Roman de Thèbes» (hg. von Constans, 2 Bde., Par. 1891),
von Virgils Äneide als «Roman d'Énéas» (hg. von Salverda de Grave, Halle
[* 17] 1892). Am meisten Anklang
fanden die Sage von der Eroberung Trojas und die Geschichte Alexanders d. Gr.; die Autoritäten der franz. Trouvères bildeten
die Erzeugnisse der spätgriech. und spätlat. Litteratur
, Dictys und Dares, Pseudo-Kallisthenes u. a. Der «Roman de Troie»,
die ins rittermäßige umgearbeitete Erzählung von der Zerstörung Trojas von Benoit de Sainte-More, einem
Normannen, entstand um 1180 (hg. von Joly, 2 Bde., Par.
1870-71). Von den Bearbeitungen der Alexandersage hatte der vor 1188 von Lambert li Tors und Alexandre de Bernay verfaßte «Roman
d'Alexandre» (hg. von Michelant, Stuttg. 1846) den größten Erfolg, und die in ihm
verwendete zwölfsilbige Langzeile erhielt durch diesen Roman ihren Namen Alexandriner.
Bearbeitungen bretonischer Sagenstoffe. Bereits in der nach der lat. Geschichte des Geoffrey of Monmouth bearbeiteten Reimchronik «Le roman de Brut» des normann. Trouvère Wace finden sich die ritterlich umgewandelten Bestandteile der Sagen von Arthur und seinen Helden, die hier zuerst als Ritter der Tafelrunde erscheinen. Aber schon vor dem Bekanntwerden dieser Reimchronik (1155) hatten normann. Spielleute die in England und Nordfrankreich vorgetragenen kelt. Lieder (Lais, s. d.) der breton. Sänger sich angeeignet, ihren Sageninhalt in franz. Verse gebracht und bis nach Italien [* 18] verbreitet (vgl. Rajna in der Zeitschrift «Romania», XVII).
Aus diesen episodischen Erzählungen gingen durch Zusammenordnung, Umdichtung, durch eigene Erfindungen und anderswoher entlehnte Zuthaten der Bearbeiter die höfischen Romane von Artus (s. d.) und seinen Helden hervor. Die ältesten breton. Romane der handelten von Tristan und Isolde. Zwei Bearbeitungen, die eine von Bérol, die andere von Thomas, sind in Bruchstücken erhalten. Der erfolgreichste höfische Umdichter der breton. Stoffe war Chrétien de Troyes (1130-90), der im «Erec», im «Chevalier au lion», im «Lancelot» und «Perceval» den Höhepunkt der ritterlichen Kunstepik erreicht.
Auch die Legende von Joseph von Arimathia, dem Überbringer der Abendmahlsschüssel (des Grals), wurde zuerst von Robert von Boron (um 1170) mit dem Kreise [* 19] der Tafelrunde in Verbindung gebracht und in weiterer Verquickung legendenartiger christl. und sagenhaft breton. Motive zur Unterlage der Darstellung eines geistlichen Rittertums. Während Chrétien und seine Fortsetzer den Stoff in gebundener Rede behandelten, bearbeiteten gelehrte Kleriker (clercs) die Geschichte des Grals und die übrigen breton. Stoffe in ausführlichen Prosaromanen, wovon die meisten in verjüngter Gestalt gegen das Ende des 15. und im Laufe des 16. Jahrh. noch im Druck erschienen. Hierher gehören der Prosaroman vom heil. Gral (um 1200), die «'Suche des heil. Grals» («Queste du St. Graal»),
der Roman von Merlin, von Lancelot du Lac, «La mort Artur», der Roman von Tristan. (Vgl. P. Paris, Les romans de la Table ronde, 5 Bde., Par. 1868-77.)
In derselben Weise wurden auch biblische und orientalische Sagen bearbeitet, nachdem die Bibel [* 20] durch Paraphrasen der Geistlichen, der Orient durch das Schwert der Kreuzritter auch den Laien und weltlichen Sängern des Occidents aufgeschlossen worden waren, wie z. B. in den epischen Gedichten von Judas Makkabäus, Barlaam und Josaphat von Gui de Cambrai (hg. von Zotenberg und Meyer, Stuttg. 1864), Heraklius von Gautier d'Arras (um 1218), Cléomadès von Adenes li Rois (hg. von Van Hasselt, 2 Bde., Brüss. 1865-66), Flore und Blancheflor nach maur. Sagen (hg. von Bekker, Berl. 1844, und von Du Méril, Par. 1856) u. s. w. - Endlich sind teils vereinzelte lokale, teils gemischte Sagen, die nur äußerlich an einen der größern volkstümlichen Sagenkreise angelehnt wurden, auch in größern epischen Gedichten bearbeitet worden. So in den Romanen «Méraugis» von Raoul de Houdenc (hg. von Michelant, Par. 1869),
«Partenopeus de Blois» (hg. von Crapelet, ebd. 1834),
«Comte de Poitiers» (hg. von Michel, ebd. 1831),
und dieselbe Sage in mehr kunstgemäß-ritterlicher Form und mit lyrischen Einschaltungen im «Roman de la Violette» von Gerbert de Montreuil aus dem ersten Viertel des 13. Jahrh. (hg. von Michel, ebd. 1834). Eine dem letztern ähnliche Form und Behandlung des Stoffs zeigen die Romane «Chastelain de Coucy» und «Guillaume de Dole», und die halb in Prosa, halb in Versen verfaßte Erzählung «Aucassin et Nicolete» (hg. von Suchier, 3. Aufl., Paderb. 1889; deutsch von Hertz, Wien [* 21] 1865) u. s. w.
Während ein großer Teil dieser Dichtungen infolge ihres ritterlich- oder geistlich-internationalen Charakters sich zur Aufnahme und Nachbildung bei den Nachbarvölkern Frankreichs eignete, ist im ganzen die volkstümliche Heldendichtung, die auch in diesem Zeitraum den Höhepunkt erreichte, seltener über die Grenzen [* 22] des franz. Sprachgebietes hinausgewandert, obgleich auch hier einzelne Dichtungen, wie das Rolandslied, schon frühzeitig von Deutschen, Engländern, Skandinaviern und insbesondere von Italienern bearbeitet und übertragen wurden.
Im 12. Jahrh. werden die ältern Gesänge erneuert, verjüngt, hier und da ergänzt und untereinander in Übereinstimmung gebracht. Zuletzt treten die Spielleute mit ganz neuen Erfindungen hervor, die schon Anklänge an die Artusromane und die morgenländ. Sagenstoffe enthalten, und mit dem Reize ritterlicher Liebesverhältnisse und Abenteuerlichkeit ausgestattet, von dem alten Thema des Heldenliedes vollständig abweichen. Um die Masse von Gedichten, deren handschriftliche Überlieferung zwischen 1150 und 1470 fällt, in Gruppen zu ordnen, sind verschiedene Versuche gemacht worden. Am einfachsten ist folgende Einteilung: a. Lieder, die von den Kriegen handeln, in denen unter Führung der Könige mit den Feinden des Reichs und des Christenglaubens gestritten wurde.
Sie enthalten die ältesten Bestandteile der nationalen Epik. Außer den Gedichten aus der vorhergehenden Periode sind hierher zu rechnen die «Chanson des Saisnes» (bearbeitet von Jehan Bodel, Ende des 12. Jahrh.),
«Aspremont», «Les enfances Ogier le Danois», «Berte», «Mainet»),
«Couronnement de Louis», und ferner der aus dem Süden stammende, in der Folgezeit ungemein reich entwickelte Sagenkreis von Guillaume d'Orange u. a. b. Epen, welche die Kämpfe der Feudalherren mit dem Königtum und untereinander darstellen. In der ersten Gruppe treten hervor «Renaud de Montauban») oder «Les quatre fils Aimon» (hg. von Michelant, Stuttg. 1862), ¶