Franziskaner
,
die Mitglieder des von dem heil. Franz von Assisi gestifteten Bettelmönchsordens. Sie heißen auch Minoriten, d. h. Mindere Brüder (fratres minores), Seraphische Brüder (s. Franz von Assisi), Graue Brüder, Barfüßer (s. d.). Die heil. Klara gründete 1212 einen weiblichen Zweig des Ordens, die Klarissinnen (s. d.). Dazu kam noch der «dritte Orden», [* 2] die Tertiarier und Tertiarierinnen, von Franz 1221 gestiftet für Leute, die ihre weltlichen Geschäfte nicht aufgeben, aber dabei ein geistliches Leben führen wollten.
Die eigentlichen Franziskaner
erhielten von Honorius III. 1223 die
Bestätigung ihrer Regel und bedeutende
Vorrechte: sie durften nicht
bloß von
Almosen leben, sondern auch ohne Erlaubnis der Pfarrgeistlichen überall predigen und
Beichte hören, wurden der
bischöfl. Gerichtsbarkeit entzogen und bloß dem Ordensgeneral, dieser aber unmittelbar dem Papste unterstellt,
und erhielten den
Portiuncula-Ablaß (s. d.). Der
Orden wuchs rasch an Mitgliedern und Einfluß; schon 1270 zählte er 8000 Klöster
mit 200000 Mönchen. Im Laufe der Zeit gelangten die Franziskaner
zu hohen Kirchenämtern; die Päpste
Nikolaus IV.,
Sixtus IV. und V.,
Clemens XIV. waren Franziskaner.
Auch viele gelehrte Theologen gingen aus dem
Orden hervor:
Bonaventura,
Alexander
von Sales,
Duns Scotus, Roger
Baco,
Nikolaus von Lyra, Wilhelm Occam u. a. In der
Theologie entstand ein Wettkampf und in manchen
Punkten ein Gegensatz zwischen den Franziskaner
und den
Dominikanern.
Wie diese sich an Thomas von Aquino hielten (Thomisten), so jene an Duns Scotus (Scotisten). Der Gegensatz trat besondere hervor bei der Lehre [* 3] von der unbefleckten Empfängnis Maria, die von den Scotisten verteidigt, von den Thomisten bekämpft wurde. Die weite Ausbreitung des Ordens hatte naturgemäß eine Milderung der strengen Regel zur Folge; dieses und namentlich die Frage wegen der in der Regel ganz besonders betonten Armut führte zu vielen Streitigkeiten und Spaltungen.
Schon zu Lebzeiten des Stifters versuchte der von ihm 1224 für die Zeit seiner Abwesenheit zum Generalvikar ernannte Elias von Cortona die Regel zu mildern; er erneuerte den Versuch, als er 1232 zum General des Ordens ernannt war, wurde aber auf Betreiben der strengern Partei unter Führung des Antonius von Padua [* 4] (s. d.) und des Cäsarius von Speier [* 5] 1239 abgesetzt; er starb 1253 (vgl. Rybka, Elias von Cortona, Lpz. 1874). Der Gegensatz zwischen der strengern und der mildern Auffassung der Regel trat in den folgenden Jahrhunderten immer wieder hervor.
Nikolaus III. erklärte 1279 in der
Bulle Exiit,
Christus selbst habe die vollkommene
Armut als Entäußerung
jeder Art von Eigentum beobachtet, und damit die Franziskaner
als die echtesten
Jünger des Herrn ihm darin folgen könnten, übertrage
er hiermit das Eigentum der Dinge, die sie zum Lebensbedarf verbrauchten, auf die röm.
Kirche. Unter
den
Spiritualen, den Anhängern der strengern
Richtung, von denen sich mit Erlaubnis Papst Cölestins V. 1294 die Cölestinereremiten
als besondere Gemeinschaft abzweigten, traten nun manche gegen die Verweltlichung der
röm. Kurie
auf:
Petrus
Johannes von Oliva (gest. 1297) in seiner «Postille
über die
Apokalypse» und Ubertino von
Casale in seinem
«Arbor vitae crucifixae» (1305) bezeichneten den
röm.
Stuhl als das Haupt der fleischlich gewordenen
Kirche und als die Hure der
Apokalypse, und viele
Spiritualen schlossen
sich den in offene Opposition gegen
Rom
[* 6] tretenden
Fraticellen (fratres de paupere vita, ital. fraticelli della opinione) an.
Johann XXII. verwarf 1322 die von
Nikolaus III. aufgestellte
Lehre von der
Armut Christi und die
Vorstellung
von einem der röm.
Kirche zustehenden Eigentum der dem
Orden unentbehrlichen
Güter und die Unterscheidung des Eigentums von
der Nutznießung. Dagegen protestierte der Ordensgeneral
Michael von Cesena (vgl. Gudenatz,
Michael von Cesena, Bresl. 1876)
und floh mit dem damals berühmtesten Theologen des
Ordens, Wilhelm von Occam, von
Avignon zu
Ludwig dem
Bayer, der damals in offener Opposition gegen den Papst stand.
Über hundert andere
Spiritualen und
Fraticellen wurden von der
Inquisition verbrannt. Spätere Päpste nahmen das Eigentum über die
Güter des
Ordens wieder an. - Der Gegensatz zwischen
einer strengern und mildern
Auffassung des Gelübdes der
Armut besteht noch jetzt und wurde von
Leo X. 1517 förmlich
sanktioniert durch die
Trennung der Familienbrüder oder Observanten
(Fratres minores regularis observantiae), die an der Regel
in der ursprünglichen
Strenge festhalten, von den
Konventualen, die Milderungen gelten lassen, namentlich das Besitzrecht
liegender
Güter und
Renten.
Von den Observanten haben sich 1528 die Kapuziner (s. d.) als selbständiger Orden abgetrennt. Besondere Zweige der Observanten sind die Clareni fratres (Clareniner), 1302 von Angelo di Cordona gestiftet, die Discalceaten in Spanien, [* 7] aus denen 1555 der strengste Zweig hervorging, die Alcantariner, so genannt von Petrus von Alcantara, gest. 1562, der von Gregor XV. 1622 selig, von Clemens IX. 1669 heilig gesprochen wurde, ferner die Reformaten in Italien, [* 8] von dem Spanier Stephan Molina 1531 gegründet, und die Rekollekten in Frankreich und Flandern (1602).
An der
Spitze des ganzen
Ordens steht der
General (Minister generalis), der immer aus den Observanten gewählt
wird und dem der
Magister generalis der
Konventualen untergeordnet ist, an der
Spitze jeder
Provinz (Kustodie) ein
Provinzial
(Kustos); die Vorsteher der einzelnen Klöster heißen
Guardian. Die Ordenstracht ist eine braune (bei den
Konventualen eine
schwarze) Kutte von grober
Wolle mit einer
Kapuze und einem langen Kragen als Mantel; der Leib ist mit
einem
Strick umgürtet (daher der franz.
Name Cordeliers); sie gingen ursprünglich barfuß, jetzt tragen sie Sandalen
[* 9] (daher
ital. Zoccolanti). - Im 18. Jahrh. gab es noch mit Einschluß
der Kapuziner 150000 Franziskaner
in 9000
Klöstern. Während und nach der
Französischen Revolution wurde der
Orden in den
meisten europ.
Staaten unterdrückt. Nach einer amtlichen
Statistik gab es aber 1884 wieder 15000 Observanten, 1400
Konventualen
und 7700 Kapuziner und Klöster in
Italien,
Spanien,
Portugal,
Belgien,
[* 10]
Österreich
[* 11] und
Preußen
[* 12] (namentlich in Westfalen
[* 13] und der
Rheinprovinz)
[* 14] und in
Amerika.
[* 15] - Es giebt mehrere Frauengenossenschaften nach der Regel des dritten
Ordens,
die aber in
Klöstern zusammenwohnen und sich der
Krankenpflege widmen. Dazu gehört
¶
mehr
die 1851 zu Aachen [* 17] (von Francisca Schervier) gegründete, in Deutschland [* 18] und in Nordamerika [* 19] verbreitete Genossenschaft der Armen Schwestern vom heiligen Franciscus, die namentlich arme Kranke in ihren Wohnungen verpflegen. -
Vgl. Wadding, Annales minorum sive historia trium ordinum a S. Francisco institutorum (bis 1540; 8 Bde., Lyon [* 20] 1625; 18 Bde., Rom 1731);
Helyot, Histoire des ordres monastiques (Par. 1714-19);
Woker, Geschichte
der norddeutschen Franziskan
ermissionen (Freib. i. Br. 1880);
Ad. Koch, Die frühesten Niederlassungen der Minoriten im Rheingebiete (Lpz. 1881);
Frieß, Geschichte der österr.
Minoritenprovinz (Wien [* 21] 1882);
Evers, Analecta ad fratrum minorum historiam (Lpz. 1882);
K. Müller, Die Anfänge des Minoritenordens (Freib. i. Br. 1885);
Hammer,
[* 22] Die Franziskaner
in den Vereinigten Staaten
[* 23] Nordamerikas (Köln
[* 24] 1892).