Frankfurt
[* 2] an der
Oder
, Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks der
preuß.
Provinz
Brandenburg,
[* 3] 20 m ü. M., am linken
Ufer der Oder
,
Knotenpunkt für die
Linien
Berlin-Sommerfeld,
Eberswalde-Wriezen-Frankfurt an der Oder,
Frankfurt
an der Oder
-Küstrin,
Frankfurt an der Oder-Posen und
Frankfurt an der Oder-Kottbus der Preußischen Staatsbahn, besteht aus der eigentlichen Stadt und drei Vorstädten:
der
Gubener Vorstadt im S.,
Lebuser Vorstadt im N. u. der Dammvorstadt auf dem rechten Oderufer
, die
mit der Stadt durch eine 274 m lange
hölzerne
Brücke
[* 4] verbunden ist.
Die Stadt hat geradlinige, breite
Straßen, meist mehrstöckige
Häuser und sogar auch ihre
»Linden«. Oberhalb eines der ehemaligen
Festungswälle ist ein neuer Stadtteil mit hübschen Bauten entstanden
, die sogen. halbe Stadt,
die bedeutend höher als die übrige Stadt liegt und mit dieser durch einen schönen
Park verbunden ist.
In diesem (ursprünglich ein alter
Friedhof) befindet sich das Denkmal des Dichters
Ewald v.
Kleist, der 1759 an
seinen
Wunden
in Frankfurt
starb.
Unter den 6
Kirchen der Stadt (5 evan
gelische und eine katholische) verdienen die Marienkirche (fünfschiffige
Hallenkirche
aus dem 13. Jahrh., mit vortrefflichen Glasgemälden) und die Nikolaikirche
(dreischiffige gotische
Hallenkirche) Erwähnung. Die israelitische
Gemeinde hat eine 1822 erbaute
Synagoge. Die stattlichsten
Gebäude von Frankfurt
sind das ansehnliche
Rathaus, das Herrenmeisterhaus, der frühere Bischofshof, das Regierungsgebäude, die
Kommandantur, das Schauspielhaus (seit 1842). Außerdem ist noch das Denkmal des bei einem Rettungsversuch in der
Oder
ertrunkenen
Herzogs
Leopold von
Braunschweig
[* 5] am rechten Oderufer
zu erwähnen. Die Einwohnerzahl betrug 1885 mit Einschluß
der
Garnison (2
Regimenter
Infanterie Nr. 8 und 12, ein
Regiment
Dragoner Nr. 12 und eine Abteilung
Feldartillerie Nr. 18) 54,084,
darunter (1880) 2824 Katholiken und 890
Juden.
Die
Industrie ist nicht unbedeutend. Frankfurt
hat umfangreiche
Maschinen-,
Eisen-,
Stahl- u. Metallwarenfabrikation, renommierten Orgelbau,
Fabriken für
chemische Präparate, Steingutwaren,
Öfen,
[* 6]
Tabak,
[* 7]
Zigarren,
Schokolade, Zuckerwaren,
Kartoffelstärke,
Sirup,
Spiritus,
[* 8] Wollhüte,
Leder,
Holzwaren,
Papier und
Pappe, Bierbrauerei
[* 9] und
Branntweinbrennerei. Nicht minder ansehnlich ist der
Handel
Frankfurts,
der besonders durch die drei
Messen (zu
Reminiscere,
Margareten und
Martini) befördert wird.
Haupthandelsgegenstände derselben sind:
Leder, besonders Schafleder,
Lausitzer
Tuche und
Buckskins und
Rauchwaren. Die
Schiffahrt
auf der Oder
ist für Frankfurt
ebenfalls bedeutend, wiewohl es an einem
Hafen zur Zeit noch gänzlich fehlt. Es gingen 1884 ein 342 Segelfahrzeuge, 309 Dampfschleppschiffe
und aus 61 Segelfahrzeuge und 186 Dampfschleppschiffe. Aus den
in der
Nähe der Stadt befindlichen Braunkohlengruben
wurden 1884: 1,384,295
hl
Kohlen gefördert. Frankfurt
hat ein königliches
Gymnasium, ein
Realgymnasium und ist Sitz einer königlichen
Regierung, der
Generalkommission für die
Provinzen
Brandenburg und
Pommern,
[* 10] eines
Landgerichts (für die elf
Amtsgerichte zu
Beeskow,
Buchholz,
Drossen, Frankfurt
,
Fürstenwalde,
[* 11]
Müncheberg,
Reppen,
Seelow,
Sonnenburg,
Storkow und
Zielenzig), einer
Oberpostdirektion, eines
Hauptsteueramts, einer Reichsbankstelle,
Handelskammer, des
Stabes der 5.
Division, der 9. und 10.
Infanterie- und der 5. Kavalleriebrigade.
Das Magistratskollegium besteht aus 16, die Stadtverordnetenversammlung aus 54 Mitgliedern. Frankfurt
ist der Geburtsort
der Dichter
Ringwaldt (1530),
Heinrich v.
Kleist (1776) und
Franz v.
Gaudy (1800). 4 km südlich von Frankfurt
liegt
der Vergnügungsort Buschmühle in reizender Gegend.
Frankfurt
entstand im 13. Jahrh. aus einer Ansiedelung fränkischer Kaufleute und wurde
durch
Urkunde vom vom
Markgrafen
Johann I. von
Brandenburg zur Stadt erhoben, die von
Berlin
[* 12] das
magdeburgische
Recht übernahm, durch ihre günstige
Lage rasch aufblühte und bald befestigt wurde. Als während der Wirren
unter der Herrschaft des ersten Wittelsbachers in der
Mark die
Polen auf Veranlassung des
Bischofs
Stephan von
Lebus verwüstend
in das Land einbrachen, überfielen die
Bürger von Frankfurt
die bischöfliche
Residenz
Göritz und brannten sie
nieder.
Deshalb wurde Frankfurt
vom
Papst
Johann XXII. mit dem
Interdikt belegt, 1334 zwar davon befreit, aber 1338 und 1350 von
Benedikt XII.
von neuem damit heimgesucht, und erst 1354 ward dasselbe aufgehoben. 1348 wurde die Stadt, weil sie treu zu
Markgraf
Ludwig
hielt, von dem
Heer des falschen
Waldemar belagert, zu dem auch
Kaiser
Karl IV. stieß, hielt aber tapfer
stand, bis die Feinde abzogen.
Siegmund sicherte der Stadt 1379 die freie
Schiffahrt auf der Oder
zu. Seit 1368 gehörte sie
auch zur
Hansa, fand aber bei dem
Bund nicht die gehofften Vorteile für ihren
Handel und zog sich seit
der Mitte des 15. Jahrh. von demselben zurück.
Die
Hussiten belagerten Frankfurt
zweimal (1429 und 1432) vergeblich, desgleichen 1450 die
Polen.
Herzog
Hans von
Sagan
[* 13] belagerte die
Stadt 1477 und verbrannte nach einem mißlungenen
Ausfall des
Kurprinzen
Johann die Oder
brücke, konnte aber Frankfurt nicht erstürmen.
Am eröffnete
Kurfürst
Joachim I. die vom
Papst
Julius II. 15. März errichtete
Universität (Viadrina), die bald 450 Studierende
zählte, 1516 aber nach
Kottbus verlegt und erst 1539 in Frankfurt wiederhergestellt wurde.
Damals wurde auch die
Reformation in Frankfurt eingeführt. Während des Dreißigjährigen
Kriegs nahm
Gustav
Adolf
von
Schweden
[* 14] die schlecht befestigte und von 6000 Mann kaiserlicher
Truppen verteidigte Stadt im
Sturm und hielt eine
Besatzung bis daselbst, worauf die
Schweden durch brandenburgische
Truppen abgelöst wurden. Nach dem verlornen
Treffen
von
Steinau zog die
Besatzung nach Zerstörung der Oder
brücke nach
Küstrin,
[* 15] worauf
Wallenstein die
Stadt besetzte. Doch zwang der
Kurfürst, verstärkt durch schwedische
Truppen, den befehligenden Obersten v.
Manteuffel nach
hartnäckiger
Verteidigung zur
Übergabe der Stadt. Nach einer kurzen
Ruhe von 1637 bis besetzten sie die
Schweden unter
Joachim Radicke, dessen Vertreibung der
[* 1]
^[Abb.:
Wappen
[* 16] von
Frankfurt
a. d. Oder.]
¶
mehr
Kurfürst vergeblich versuchte. Erst nachdem der Große Kurfürst, Friedrich Wilhelm, den am mit den Schweden geschlossenen Waffenstillstand 1643 erneuert hatte, verließen diese Frankfurt. Unter dem Großen Kurfürsten ward die Universität restauriert und während der Pest 1656 nach Fürstenwalde verlegt. König Friedrich I. vermehrte ihre Bibliothek und ernannte den Kronprinzen zum Rektor Magnifikus. Der Handel Frankfurts litt in dieser Zeit zuerst durch den Krieg und später durch die Anlegung des Müllroser Kanals.
Doch blieben die Messen stark besucht, und der Verkehr auf denselben wurde von Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. auf jede Weise erleichtert. Der Siebenjährige Krieg brachte der Stadt neue Drangsale. Nach der Schlacht bei Kay besetzten die Russen unter Soltikow in dessen nächster Nähe 12. Aug. die Schlacht bei Kunersdorf [* 18] geschlagen wurde, und blieben auch in dem nächsten Jahr Herren der Stadt. Nachdem die ersten Franzosen eingerückt waren, dauerten die feindlichen Durchmärsche fast ununterbrochen bis fort, und die Einwohner erlagen fast unter der Last der Einquartierungen. 1812 wurde Frankfurt von dem Grenierschen Korps besetzt, welchem der Vizekönig Eugen nachfolgte. Am brach dieser auf und ließ den General Girard mit 2500 Mann als Besatzung zurück; dieser räumte Frankfurt 2. März, worauf es 9. März von den Russen besetzt wurde.
Für den Verlust der Universität, welche 1811 nach Breslau [* 19] übersiedelte, ward Frankfurt einigermaßen dadurch entschädigt, daß die beiden Landeskollegien, nämlich die neumärkische Regierung (früher zu Königsberg [* 20] in der Neumark) und das neumärkische Oberlandesgericht (früher in Soldin), [* 21] hierher verlegt wurden. In der neuern Zeit hat sich die Stadt wieder gehoben und auch an Einwohnerzahl um das Doppelte zugenommen.
Vgl. Hausen, Geschichte der Universität und Stadt Frankfurt (Frankf. a. O. 1800);
Sachse, Geschichte der Stadt Frankfurt (das. 1836);
Spieker, Beschreibung und Geschichte der Marien- oder
Oberkirche
zu Frankfurt (das. 1835);
Derselbe, Geschichte der Stadt Frankfurt (das. 1853);
Philippi, Geschichte der Stadt Frankfurt (das. 1865).
Der Regierungsbezirk Frankfurt (s. Karte »Brandenburg«),
19,195 qkm (348,62 QM.) mit (1885) 1,116,289 Einw. (58 auf 1 qkm), zerfällt in die 18 Kreise: [* 22]
Kreise | QKilom. | QMeilen | Einwohner | Einw. auf 1 qkm |
---|---|---|---|---|
Arnswalde | 1264 | 22.95 | 42340 | 34 |
Frankfurt (Stadt) | 58 | 1.05 | 54017 | - |
Friedeberg | 1101 | 19.99 | 57449 | 52 |
Guben (Stadt) | 1105 | 20.07 | 69482 | 63 |
Guben (Landkreis) | ↗ | ↗ | ↗ | ↗ |
Kalau | 998 | 18.13 | 55003 | 55 |
Königsberg | 1534 | 27.86 | 96549 | 63 |
Kottbus | 852 | 15.48 | 79785 | 94 |
Krossen | 1307 | 23.74 | 61367 | 47 |
Landsberg | 1211 | 21.99 | 88056 | 73 |
Lebus | 1573 | 28.57 | 93032 | 59 |
Lübben | 1038 | 18.85 | 34719 | 33 |
Luckau | 1298 | 23.58 | 63414 | 41 |
Oststernberg | 1103 | 20.03 | 51402 | 47 |
Soldin | 1146 | 20.82 | 47979 | 42 |
Sorau | 1239 | 22.50 | 100721 | 81 |
Spremberg | 310 | 5.63 | 25138 | 81 |
Weststernberg | 1142 | 20.74 | 45523 | 40 |
Züllichau-Schwiebus | 916 | 16.64 | 50313 | 55 |