Fouché
(spr. füsché), Joseph, Herzog von Otranto, Polizeiminister unter Napoleon I., geb. zu Nantes [* 2] als Sohn eines Schiffskapitäns, trat, bei den Priestern des Oratoriums daselbst und in Paris [* 3] erzogen, in deren Orden [* 4] ein, um emporzukommen, obwohl er dem cynischten Unglauben huldigte. Bei dem Ausbruch der Revolution trat er aus dem Orden aus und ließ sich in Nantes als Advokat nieder. Durch die Heftigkeit seiner Reden wußte er sich in den dortigen Klubs so hervorzuthun, daß er 1792 in den Konvent gewählt wurde, wo er sich mit richtigem Instinkt der heftigsten Partei, dem Berg, anschloß. Er wurde zuerst nach Nantes, dann in die Departements des Zentrums geschickt, um hier den Royalismus und die gemäßigte republikanische Gesinnung zu unterdrücken und Streitkräfte gegen die Vendée, später auch gegen Lyon [* 5] zu organisieren.
Der hier gezeigte
Eifer veranlaßte den Sicherheitsausschuß, ihn im
November 1793 mit
Collot d'Herbois und
Couthon zur
Züchtigung
von
Lyon auszusenden, und hier nahm
er den eifrigsten
Anteil an jenen entsetzlichen Metzeleien, indem er
die
Blut- und Konfiskationsdekrete mit heuchlerischen
Phrasen von
Freiheit, Menschenwohl, allgemeiner
Glückseligkeit u. dgl.
zu beschönigen suchte. Da Fouché
zu der kommunistisch-extremen
Richtung der
Hébertisten gehörte, geriet er in Streit mit
Robespierre,
der ihn im Jakobinerklub als halsstarrigen
Atheisten mit Ungestüm angriff und wenige
Wochen
später seine
Ausschließung aus dem
Klub durchsetzte.
Deshalb wirkte Fouché
mit
Collot,
Tallien und
Barère zum
Sturz
Robespierres 9.
Thermidor (27. Juli) mit. Obwohl er nun den Gemäßigten
spielte, wurde er doch mit andern Schreckensmännern auf Befehl des
Konvents im
August 1795 verhaftet, jedoch durch die allgemeine
Amnestie im
Oktober d. J. wieder befreit. Er lebte nun eine Zeitlang zurückgezogen im
Thal
[* 6] von
Montmorency.
Erst 1798 verdankte er seiner alten
Verbindung mit
Barras seine Ernennung zum
Gesandten bei der
Cisalpinischen Republik.
Da er
aber hier in
Gemeinschaft mit dem
General
Brune einen völligen Umsturz der
Verfassung versuchte, wurde er schon nach
wenigen
Tagen wieder abberufen, 1799 nach dem
Haag
[* 7] gesandt und im
September zum Polizeiminister ernannt. In dieser
Stellung vermochte
Fouché
alle
Gaben seines scharfen
Verstandes, seines verschlagenen
Geistes, seiner rücksichtslosen
Selbstsucht, seiner trefflichen
Kenntnis der
Parteien und
Menschen zu verwenden. Mit der Grundsatzlosigkeit, die er stets bewährte, ging er zur
rechten Zeit von seinem Beschützer
Barras zu
Bonaparte über, den er bei der
Revolution des 18.
Brumaire eifrig unterstützte.
Allerdings mißtraute
Bonaparte dem Polizeiminister, allein Fouché
wußte sich ihm bald unentbehrlich zu machen. Er organisierte
ein ausgedehntes Spioniersystem über alle
Klassen der
Gesellschaft, die
Familie des Ersten
Konsuls nicht ausgenommen,
und unterhielt es hauptsächlich mit dem Erträgnis der Spielpacht, wobei er sich selbst auch zu bereichern wußte.
Endlich
der geheimen Macht Fouchés
müde, schaffte
Napoleon das Polizeiministerium
(September 1802) ab; zur
Entschädigung erhielt
Fouché
die Senatorie von
Aix und die Hälfte des von ihm gesammelten Polizeireservefonds von 2,400,000
Frank.
Aber wegen der Ungeschicklichkeit seiner Nachfolger in der Polizeiverwaltung übertrug ihm
Napoleon das
Polizeiministerium von neuem. Im März 1806 wurde er zum
Herzog von
Otranto mit einer beträchtlichen
Ausstattung in
Gütern
ernannt. Doch geriet er, da er sich den unaufhörlichen Eroberungskriegen des
Kaisers widersetzte und auf eigne
Faust
eine geheime Unterhandlung mit dem englischen
Ministerium begann, bei
Napoleon in
Ungnade und wurde abgesetzt Fouché
verbrannte
oder versteckte alle wichtigen
Papiere seines
¶
mehr
Ministeriums, um seinen Nachfolger Savary in Verlegenheit zu bringen, und als der Kaiser ihn dafür zur Rechenschaft ziehen wollte, flüchtete er nach Toscana und verbarg sich dort eine Zeitlang. Endlich erhielt er die Erlaubnis, sich nach seiner Senatorie in Aix zu begeben, und 1811 die, nach Paris zurückkehren zu dürfen. 1813 als Generalgouverneur nach Laibach [* 9] und Rom und [* 10] endlich als Gesandter nach Neapel [* 11] geschickt, intrigierte er bereits nach allen Seiten gegen Napoleon, den er durch eine Regentschaft Marie Luisens ersetzen wollte.
Allein die Kriegsereignisse führten die Wiedereinsetzung der Bourbonen herbei, denen sich Fouché
anschloß; zugleich nahm er aber
auch an den Umtrieben teil, welche die Rückkehr Napoleons aus Elba zur Folge hatten. Der Kaiser sah sich
um seiner eignen Sicherheit willen genötigt, das Polizeiministerium wieder Fouché
zu übertragen, welcher sofort trotz seines
Ministerpostens mit den Liberalen im Innern, mit Ludwig XVIII. in Gent
[* 12] und mit Metternich konspirierte, um sich für
alle Fälle sicherzustellen. Am nach der Abdankung Napoleons, von der Kammer zum Vorsitzenden der provisorischen
Regierung ernannt, bestimmte er Napoleon zur Flucht nach Amerika
[* 13] und bereitete die zweite Restauration der Bourbonen vor. Er ward
der Polizeiminister auch der neuen Regierung und ächtete durch die Ordonnanz vom einen Teil
seiner Mitschuldigen bei der Rückführung Napoleons.
Weil ihm aber keine Partei mehr traute und er von allen Seiten angefeindet, besonders aber von den Ultraroyalisten heftig
angegriffen wurde, sah sich Ludwig XVIII. genötigt, ihn im September 1815 zu entlassen und als französischen Gesandten nach
Dresden
[* 14] zu schicken. Von dem Verbannungsdekret des gegen die Königsmörder betroffen,
nahm Fouché
seinen Aufenthalt in Prag,
[* 15] dann in Linz
[* 16] und Triest,
[* 17] mit Abfassung von Verteidigungsschriften für seine Vergangenheit
beschäftigt. Er starb an einer Brustkrankheit in Triest, seinen Söhnen ein Vermögen von 14 Mill. Fr. zurücklassend.
Die reichen Gaben seines Geistes hatten stets nur im Dienste
[* 18] der gewissenlosesten Selbstsucht gestanden.
Die »Mémoires de J. Fouché
, duc d'Otrante« (Par. 1828-29, 4 Bde.;
deutsch, Darmst. 1825, 2 Bde.) sind
unecht, wofür auch seine Söhne sie durch das Gericht erklären ließen, und von Alphonse de Beauchamp verfaßt. Fouché
hat in der
That Memoiren hinterlassen, dieselben sind aber nicht veröffentlicht worden. Dagegen hat er zahllose politische Pamphlete
drucken lassen, deren Aufzählung man in dem »Annuaire de Mahul« (1821) findet.