Fortuna
(auch mit
Fors zusammengestellt:
Fors Fortuna
), die
Glücks- und Schicksalsgöttin der
Römer,
[* 3] entsprechend der
Tyche
[* 4] (s. d.) der Griechen. Ihr
Dienst wurde zurückgeführt auf
Ancus Marcius oder auf ihren Liebling
Servius Tullius, der ihr,
weil er
als Sohn einer Sklavin durch ihre
Gunst auf den Königsthron gekommen war, zwei
Tempel
[* 5] in
Rom
[* 6] gewidmet haben
soll. Infolge des glücklichen Wachstums der Stadt spielte Fortuna
später in der
Religion der
Römer eine Hauptrolle und hatte
sehr viele
Tempel.
Plutarch schrieb über sie eine besondere noch erhaltene
Schrift. Sie ist bald eine gute (Fortuna
bona oder blanda), bald eine
böse
Göttin (Fortuna
mala), ferner eine zweifelhafte (Fortuna dubia oder ambigua), verlockende (viscata), unstete
(brevis), beständige (manens), gnädige (obsequens und respiciens)
Göttin und äußert ihre Macht in
Familien- (Fortuna
privata)
wie in Staatsangelegenheiten (Fortuna
publica oder Fortuna populi romani). Als erstere begleitet sie ihren
Liebling von der
Geburt an und verhilft dem
Knaben oder
Jüngling zum
Bart und zur Männlichkeit (Fortuna
mascula
oder barbata), der
Jungfrau zum
Eintritt in den
Stand der Hausfrau (Fortuna
virgo oder virginalis, der die jungen Ehefrauen ihr Gewand
weihten), der Hausfrau zum Verbleiben in dem geschaffenen Ehebund ohne Verwitwung und abermalige Verheiratung (Fortuna
muliebris,
mit
Tempel an der
Via latina) sowie zur Gewinnung und
Erhaltung der
Liebe des
Mannes (Fortuna
virilis, mit dem
Attribut des Arbeitskorbs, verehrt in einem auch der
Venus geweihten
Tempel am
Tiber), den Eheleuten endlich zum
Besitz von
Kindern
(Fortuna
liberorum). Als öffentliche
Göttin erscheint Fortuna
zunächst in besonderer Beziehung zu den einzelnen
Ständen. Wir finden eine patrizische, eine ritterschaftliche und plebejische Fortuna
(Fortuna patricia,
equestris und plebeja), die letzte mit einem
Fest
¶
mehr
24. Juni, wo die Plebejer aus der Stadt und vom Land zu Fuß und auf bekränzten Kähnen zu einem Tempel der Göttin am Tiber kamen
und den Tag in Freud einbrachten; ferner eine Fortuna
praetoria, libera (der freien Leute) etc.,
zur Zeit der Kaiser auch eine Fortuna
Augusta. Berühmte Kultusstätten der Fortuna
außerhalb Roms waren Präneste
mit einem Tempel der Fortuna
primigenia (der Erstgebornen, Mutter des Jupiter und der Juno) und Antium, wo sie auch Orakel (sortes Praenestinae
oder Antiates) erteilte.
Andre Benennungen, unter welchen die Göttin noch speziell verehrt wurde, sind: Fortuna
victrix (die Siegbringende), mit einem vom
Konsul Carvilius 293 v. Chr. nach Überwindung der Samniter erbauten Tempel;
die Fortuna
hujusce diei (Göttin
des günstigen Augenblicks), ebenfalls mit besonderm Tempel;
die Fortuna dux (Begleiterin der Reisenden) und Fortuna redux (Göttin der glücklichen Heimkehr), letztere seit Augustus mit zahlreichen Altären und einem von Domitian errichteten Tempel.
Fortunae filius (»ein Glückskind«) findet sich bei Horaz. In bildlichen Darstellungen, von denen besonders kleinere Bronzen häufig sind, waren die gewöhnlichen Attribute der Fortuna das Füllhorn als Inbegriff aller guten Gaben und das Steuerruder als Symbol ihrer unsichtbaren Lenkung der menschlichen Schicksale, während das Flüchtige und Veränderliche ihres Wesens durch Flügel oder einen Aufsatz von Federn auf dem Kopf, die rollende Kugel unter ihren Füßen und ein hinzugefügtes Rad ausgedrückt wurde. Andre Bilder heben noch andre Eigenschaften hervor, bis Fortuna zuletzt zur pantheistischen Heil- und Segensgöttin ward.
Vgl. Preller-Jordan, Römische Mythologie, [* 8] Bd. 2, S. 179 ff.