Fortbildun
gsschulen
in
Preußen
[* 2] 1881-1890 (nach der
Denkschrift des
Handelsministeriums vom April 1891). Mit den gewerblichen
Fachschulen (s. d.) haben in
Preußen die Fortbildun
gsschulen das doppelte
Geschick geteilt, später als in den meisten andern
Staaten
Aufmerksamkeit und kräftige
Förderung von seiten des
Staates zu erfahrenund dann nicht sofort einen festen Anschlußpunkt
im
Organismus der Staatsbehörden zu finden, sondern die
Stelle im Verwaltungssystem wiederholt wechseln zu müssen.
Bis zum Jahre 1874 waren, wie sparsam auch an Zahl und
Ausstattung, doch zwei
Arten von in
Preußen entstanden.
Die eine lehnte sich enger an die allgemeine
Volksschule und stand daher mit dieser unter dem
Minister der geistlichen,
Unterrichts-
und Medizinalangelegenheiten, die andre war mehr dem
Bedürfnis gewerblicher Lebenskreise entsprungen und hatte daher
Schutz
beim
Minister für
Handel,
Gewerbe und öffentliche
Arbeiten gefunden. Als in den 70er
Jahren unsers
Jahrhunderts
das gewerbliche
Leben im neugegründeten
Deutschen
Reiche regern Aufschwung nahm, erwachte auch in
Preußen das Verlangen nach
kräftigerer
Pflege des Fortbildun
gswesens. Im J. 1873 forderte das
Haus der Abgeordneten die Staatsregierung auf, die für
die gewerblichen in den
Provinzen
Schleswig-Holstein,
[* 3]
Hannover
[* 4] und
Hessen-Nassau
[* 5] verausgabten, noch aus der
frühern Zeit der Selbständigkeit herrührenden Jahresbeträge vom
Etat des
Handelsministeriums auf den des
Kultusministeriums
zu
übertragen und für die Unterstützung obligatorischer gewerblicher in der ganzen
Monarchie geeignete Beträge in den
Voranschlag
des
Staatshaushaltes für 1874 einzustellen.
Beides geschah, und infolge davon erging ein
Erlaß des Kultusministers, worin dieser allen
Provinzialbehörden die nachdrückliche
Förderung der Fortbildun
gsschulen als
einer für das gemeine
Wohl überaus bedeutsamen Angelegenheit
zur
Pflicht machte. Damit Zugleich wurden »Grundzüge für die Einrichtung gewerblicher
Fortbildun
gsschulen« herausgegeben.
Darin, wie in der nachfolgenden nähern
Anweisung vom ward den Fortbildun
gsschulen die doppelte
Aufgabe gestellt, »die sittliche Tüchtigkeit der aus der
Volksschule entlassenen
Jugend zu befestigen und zu erhöhen und
ihre Gewerbstüchtigkeit zu fördern«; es soll darum
Gewicht darauf gelegt werden, daß in den
Lehrplänen der Fortbildun
gsschulen nicht nur
die technischen, sondern auch die ethischen Lehrfächer (jedoch mit Ausschluß des eigentlichen, konfessionellen
Religionsunterrichts) angemessene Berücksichtigung finden. Am folgte ein entsprechender
Erlaß des Kultusministers
mit »Grundzügen für die Einrichtung ländlicher Fortbildun
gsschulen«. Auch
deren Aufgabe ist nach der
Ansicht des
Ministers eine doppelte, »die Volksschulbildung ihrer Zöglinge zu befestigen,
zu ergänzen
und sie, soweit die Möglichkeit dazu sich bietet, mit besonderer Rücksicht auf die ländlichen
Gewerbe und den Betrieb der
Landwirtschaft zu erweitern«. Als wichtiges Hilfsmittel für die gewerblichen Fortbildungsschulen
bot sich
die in § 106 und 142 der Reichsgewerbeordnung vom begründete
Möglichkeit,
den Besuch einer derartigen
Schule für die beteiligten
Kreise
[* 6] durch
Ortsstatut obligatorisch zu machen. Der
Minister schrieb nämlich im
Erlaß vom vor, daß die Bewilligung eines neuen Staatszuschusses in der
Regel nur solchen
Fortbildungsschulen
zu gute kommen sollte, für die von jener Möglichkeit wirklich
Gebrauch gemacht worden wäre. Nur ausnahmsweise durfte
hiervon da abgesehen werden, wo nach
Lage der Umstände bestimmt zu erwarten war, daß die
Schule auch
ohne
Schulzwang allgemein besucht sein würde und demnach die heilsame Absicht auch ohne zwingendes
Ortsstatut zu erreichen
wäre.
Außerdem machte der
Minister, da gedeihliche
Entwickelung der gewerblichen Fortbildungsschulen
erst zu erwarten wäre, wenn die
Gemeinden sich
der
Sache annähmen, die Bewilligung der Staatszuschüsse davon abhängig, daß in jedem
Fall die
Gemeinde
die
Kosten für
Lokal,
Heizung
[* 7] und
Beleuchtung
[* 8] allein trüge und für die übrigen Bedürfnisse der
Schule mindestens den gleichen
Beitrag leistete wie der
Staat. Auf diesen Grundlagen war bereits das Fortbildungswesen mehr und mehr gefördert, als 1879 das
gesamte technische Unterrichtswesen an das
Kultusministerium überging und es dadurch möglich ward, und
Fachschulen, die einander so nahe berühren und so vielfach ineinander übergehen, zu einem Ganzen zusammenzufassen und
unter eine einheitlich geleitete Ministerialabteilung zu stellen, in der die technischen
Hochschulen und
Oberrealschulen (ehedem
Gewerbeschulen) den Geheimrat
Wehrenpfennig, die Fortbildungsschulen
dagegen mit den mittlern und niedern gewerblichen
Fachschulen
den Geheimrat
Lüders als besondern
Leiter behielten und erhielten.
Von der Hand [* 9] dieses letztern genauen Kenners des preußischen Gewerbe- und namentlich gewerblichen Schulwesens stammen denn auch die drei Denkschriften von 1881, 1883, in denen seitens des Schulministeriums, und die ausführlichere des Jahres 1891, in der seitens des Handelsministeriums über die weitere Entwickelung wie des Fachschul-, so des Fortbildungsschulwesens der ständigen Kommission für das technische Unterrichtswesen Rechenschaft gegeben wurde.
Unmittelbar mit den Fortbildungsschulen
beschäftigt sich allerdings nur der dritte und letzte dieser
Berichte, der darum in dem ihnen gewidmeten
zweiten Teil auch etwas weiter ausholt. Mit nämlich wurde, wie näher im
Artikel
»Fachschulen«
dargelegt worden, das mittlere und niedere Fachschulwesen (mit den einzelnen dort angegebenen Ausnahmen) samt allen Fortbildungsschulen
dem
Ministerium für
Handel und
Gewerbe teils wieder, teils neu zugewiesen. Mit ihnen ging von den beiden genannten Aufsichtsbeamten
der Geheimrat Luders zum
Handelsministerium zurück.
In dem von der
Denkschrift des
Jahres 1891 umfaßten Zeitraum hat das Fortbildungsschulwesen im preußischen
Staat eine ziemlich
wechselvolle Geschichte durchlebt. Zunächst sah schon 1884 der Kultusminister sich veranlaßt, seine in den Grundzügen
vom niedergelegten Ansprüche an den
Unterricht der gewerblichen Fortbildungsschulen
anders festzustellen. Der
Erlaß vom führt
in dieser Hinsicht das Folgende aus: Nach damals angestellter
Erhebung zählte der preußische
Staat 1261 Fortbildungsschulen
, davon 644 gewerbliche, 617 ländliche,
mit 68,712
Schülern, deren 58,317 die gewerblichen, 10,395 die ländlichen Anstalten besuchten. Es kam bei dieser
Erhebung
jedoch zu
Tage, daß, ganz abgesehen von dem meist sehr bescheidenen Zuschnitt der ländlichen Fortbildungsschulen
, auch
die
Mehrzahl der gewerblichen
Schulen nur über eine Unterrichtszeit von 4-6
Stunden
¶
mehr
wöchentlich verfügte. Die Grundzüge von 1874 hatten einen zweistufigen Aufbau der Fortbildungsschulen
als Regel vorausgesetzt, wobei der
Unterstufe die Aufgabe zugedacht war, im Dienste
[* 11] allgemeiner Fortbildung thunlichst sämtliche Lehrgegenstände einer gehobenen
Volksschule zu umfassen, während der Oberstufe die berufliche Fortbildung leitender Gesichtspunkt sein und demgemäß dort
ein womöglich achtstündiger Zeichenunterricht eintreten sollte. Gegenüber der erfahrungsgemäß viel
kürzern zu Gebote stehenden Unterrichtszeit ließ sich das nicht festhalten ohne Gefahr der Zersplitterung und der Versäumnis
des praktisch Wichtigsten und Wertvollsten.
Der Minister bestimmt daher: »Bei Annahme einer Unterrichtszeit von wöchentlich 6 Stunden wird die gewerbliche Fortbildungsschule auf die Lehrgegenstände sich beschränken müssen, welche nach dem Bedürfnis des Handwerks und des kleinern Gewerbstandes am nächsten liegen, und das sind nach allgemeinem Anerkenntnis das Deutsche, [* 12] das Rechnen nebst den Anfängen der Geometrie und (für die Mehrzahl der Handwerkslehrlinge) das Zeichnen. Jedem dieser Gegenstände werden in der Regel 2 Stunden zu widmen sein«, so jedoch, daß, wo irgend möglich, im weitern Fortschritte derselbe Schüler auf einer obern Stufe bei eingeschränkter Teilnahme an den beiden übrigen Fächern mehr Stunden (etwa 4) auf das Zeichnen zu verwenden hat.
Da es keinen Erfolg verspricht, die wenigen Stunden derart zu teilen, daß neben dem Deutschen noch Geschichte, Geographie, Naturlehre besonders behandelt werden, so muß thunlichst das Lesebuch für diese Fächer [* 13] mit aufkommen und Stücke enthalten, deren Lektüre und Besprechung für sie fruchtbar gemacht werden kann. Rechnen und Raumlehre müssen sich eng den Bedürfnissen des gewerblichen Lebens anschließen. Das Kopfrechnen ist so zu üben, daß schriftliches Rechnen erst da einzutreten braucht, wo die Zahlen wegen ihrer Größe schwer im Gedächtnis haften. Wo irgend möglich, muß jeder Schüler lernen, Umfang und Inhalt geradlinig begrenzter ebener Figuren und des Kreises sowie Oberfläche und Inhalt von Körpern mit ebenen Flächen und der Kugel zu berechnen. Im Zeichnen ist mit Übung des Augenmaßes und der Handfertigkeit an einfachen Figuren nach Wandtafeln, dann nach einfachen Holzmodellen und Werkzeugen zu beginnen.
Außerdem ist Wert zu legen auf Gebrauch von Zirkel, Lineal, Reißfeder bei Darstellung von Flächenmustern und vom Auf-, Grund-
und Seitenriß einfacher Körper. Erst danach darf zur Darstellung von Körpern in gerader und schiefer Projektion,
[* 14] Abwickelungen, Schnitten, Durchdringungen, Geräten, Maschinenteilen mit Rücksicht auf den besondern Beruf der einzelnen Schüler
fortgeschritten werden. Die Erweiterung des Lehrplanes bei günstiger gestellten Fortbildungsschulen
richtet sich nach den Umständen. Wo dagegen
gar nur 4 Stunden in der Woche verfügbar sind, empfiehlt der Minister, für die Unterstufe ganz vom Zeichnen abzusehen
und diesem dafür die Zeit auf der Oberstufe ganz oder vorwiegend zu widmen. Wünschenswert ist, daß bei Tage, d. h. thatsächlich
am Sonntag, gezeichnet wird. Davor jeder Neubewilligung staatlicher Zuschüsse der Lehrplan der betreffenden Schule genau vereinbart
wird, was besonders noch ein Erlaß des Handelsministers vom den Mittelbehörden einschärft,
so haben diese Vorschriften auf das innere Leben der preußischen Fortbildungsschulen bereits segensreich eingewirkt.
Ernste Gefahr drohte den Fortbildungsschulen von einer andern Seite. Nach den preußischen Erfahrungen gedeiht (wenigstens in kleinern und mittlern Städten) der
Fortbildungsunterricht fast nur da, wo der Besuch der Fortbildungsschulen den Lehrlingen und mittelbar ihren Lehr-Herren als Pflicht auferlegt werden darf. In Süddeutschland (Bayern, [* 15] Württemberg, [* 16] Baden) [* 17] hat man freilich mit der bloßen Empfehlung und Ermutigung durch Prämien und Beihilfen gute Ergebnisse erzielt. Allein, abgesehen von den dort für das Gewerbe durchweg günstigern Verhältnissen und dem gegenüber dem preußischen Osten durchschnittlich höhern Stande der Schulbildung, ist zu beachten, daß in diesen Staaten unmittelbare Besuchspflicht zwar für die gewerblichen Fortbildungsschulen nicht, wohl aber für die allgemeinen Fortbildungsschulen besteht, und daß der thatsächliche Besuch jener von der Pflicht zum Besuche dieser befreit.
Die preußische Erfahrung hatte dazu geführt, daß bereits in der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes, die 1871 auf das Deutsche Reich überging, den Gemeinden das Recht eingeräumt war, die Lehrlinge bis zu 18 Jahren zum Besuch der gewerblichen Fortbildungsschulen des Ortes zu verpflichten. Dieser gesetzlichen Bestimmung haftete nur der Mangel an, daß nicht zugleich den Gemeinden das Recht gegeben war, mutwilligen Nichtbesuch der Fortbildungsschulen seitens der Lehrlinge oder vorschriftswidriges Zurückhalten der Lehrlinge durch die Meister unter Strafe zu stellen.
Dies hatte die beteiligten Minister bereits 1871 (4. März) veranlaßt, den Weg zu empfehlen, daß neben dem Ortsstatut, das den Besuch der Fortbildungsschulen den Beteiligten auferlegte, durch eine besondere Polizeivorschrift die Zuwiderhandelnden mit Strafe bedroht würden. Für beides waren Formeln festgesetzt und vielfältig empfohlen, so daß in einer größern Zahl von Städten die Angelegenheit befriedigend geordnet schien. Da sprach in einem Erkenntnis vom das vormalige preußische Obertribunal einer derartigen Polizeiverordnung aus der Stadt Solingen [* 18] die Rechtsverbindlichkeit ab, »weil die Sorge für eine gewissen Gesellschaftsklassen noch über Maß und Dauer der Volksschulpflicht Zu beschaffende Bildung nicht zu den an der maßgebenden Stelle des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom bezeichneten Gegenständen ortspolizeilicher Vorschriften gehörte«. Das Obertribunal nahm sogar an, daß die Fassung dieser Gegenstände unter den Ausdruck »alles, was im besondern polizeilichen Interesse der Gemeinden und ihrer Angehörigen geordnet werden muß«, die landespolizeiliche Ordnung des Besuches der Fortbildungsschulen ausschlösse. Daß der angeführte Paragraph nach der Gesetzsammlung richtiger lautet: »Alles, was im besondern Interesse der Gemeinden und ihrer Angehörigen polizeilich geordnet werden muß«, kann dem gegenüber wenig austragen. Indes eignete anfangs das seit 1879 zuständige Kammergericht zu Berlin [* 19] die Auslegung des Vorgerichts sich nicht an und erkannte in einer analogen Berufungssache eine derartige Polizeivorschrift als rechtskräftig an, da der Zwang zum Besuch der Fortbildungsschulen im besondern Interesse der Gemeinden läge. Erst kam das Kammergericht, indem es das Gesetz von 1850 in der schon vom Obertribunal angenommenen Wortfassung citiert, auf die ablehnende Haltung zurück und hielt in mehreren folgenden Fällen diese aufrecht. Selbstverständlich lenkten nun auch die niedern Gerichte in denselben Weg ein, und die Folge war eine Unsicherheit des Bestandes der Fortbildungsschulen, die namentlich in den Provinzen Posen [* 20] und Westpreußen [* 21] zu empfindlichem Rückgang der guten Sache führte. Erst durch eine Novelle zur Reichsgewerbeordnung vom ist diesem schlimmen Zustand ein Ende bereitet. Nach ihr lautet ¶
mehr
nunmehr § 120 dieses Gesetzes, wie folgt: Die Gewerbeunternehmer sind verpflichtet, ihren Arbeitern unter 18 Jahren, welche eine von der Gemeindebehörde oder vom Staat als Fortbildungsschule anerkannte Unterrichtsanstalt besuchen, hierzu die erforderlichen Falls von der zuständigen Behörde festzusetzende Zeit zu gewähren. Am Sonntag darf der Unterricht nur stattfinden, wenn die Unterrichtsstunden so gelegt werden, daß die Schüler nicht gehindert sind, den Hauptgottesdienst oder einen für sie eingerichteten besondern Gottesdienst ihrer Konfession zu besuchen.
Ausnahmen von dieser Bestimmung kann die Zentralbehörde für bestehende Fortbildungsschulen, zu deren Besuch keine Verpflichtung besteht, bis zum gestatten. Durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde oder eines weitern Kommunalverbandes kann für männliche Arbeiter unter 18 Jahren die Verpflichtung zum Besuch einer Fortbildungsschule, soweit diese Verpflichtung nicht landesgesetzlich besteht, begründet werden. Auf demselben Wege können die zur Durchführung dieser Verpflichtung erforderlichen Bestimmungen getroffen werden.
Insbesondere können durch statutarische Bestimmung die zur Sicherung eines regelmäßigen Schulbesuchs den Schulpflichtigen sowie deren Eltern, Vormündern und Arbeitgebern obliegenden Verpflichtungen bestimmt und diejenigen Vorschriften erlassen werden, durch welche die Ordnung in der Fortbildungsschule und ein gebührliches Verhalten der Schüler gesichert wird. Von der durch statutarische Bestimmung begründeten Pflicht zum Besuch einer Fortbildungsschule sind diejenigen befreit, welche eine Innungs- oder andre Fortbildungs- oder Fachschule besuchen, sofern der Unterricht dieser Schule von der höhern Verwaltungsbehörde als ein ausreichender Ersatz des allgemeinen Fortbildungsschulunterrichts anerkannt wird." Man darf hoffen, daß auf dieser Grundlage die schädlichen Folgen der eingetretenen Rechtsunsicherheit bald wieder ausgeglichen sein werden und zugleich ein neuer Aufschwung des Fortbildungsschulwesens überhaupt in Preußen eintreten wird.
Diese Hoffnung gilt besonders auch für die bereits genannten Provinzen Posen und Westpreußen, deren eigenartige Verhältnisse hier noch kurz berührt werden müssen. Durch das Gesetz vom (eins der sogen. Polengesetze) ist der Minister für Handel und Gewerbe ermächtigt, in beiden Provinzen Fortbildungsschulen aus Staatsmitteln zu errichten und zu unterhalten und an denjenigen Orten, in denen die Verpflichtung zum Besuch der Anstalten nicht durch Ortsstatut begründet wird, diese Verpflichtung den Arbeitern unter 18 Jahren aufzuerlegen; jedoch darf auch nach diesem Gesetz schon Sonntags während der Stunden des Hauptgottesdienstes nicht unterrichtet werden.
Auf Grund dieses Gesetzes wurden die Magistrate aller Städte von 1000 Einw. und darüber, mit Ausnahme von Posen und Danzig, [* 23] aufgefordert, Ortsstatute zu erlassen, durch die den noch nicht 18 Jahre alten Lehrlingen, Gesellen, Gehilfen und gewerblichen Arbeitern die Verpflichtung zum Besuch der zu errichtenden staatlichen Fortbildungsschulen auferlegt wurde. Dieser Aufforderung haben alle Magistrate bis auf drei in kleinen Orten entsprochen, und für diese hat der Handelsminister von der ihm erteilten Befugnis Gebrauch gemacht und die Verpflichtung ausgesprochen. Auch die nach damaliger Sachlage notwendigen Polizeiverordnungen ergingen für alle Städte, und das Werk nahm noch bis 1890 einen im wesentlichen erfreulichen Fortgang. Über die dann eingetretenen Schwierigkeiten
wie über die gesetzliche Gegenmaßregel ist bereits berichtet worden.
Der Bestand der in der preußischen Monarchie war im J. 1890: 573 obligatorische gewerbliche Schulen mit 61,338 Schülern (davon in Posen und Westpreußen 159 Schulen mit 12,013 Schülern), 367 fakultative gewerbliche Fortbildungsschulen mit 43,704 Schülern, 727 ländliche Fortbildungsschulen mit 11,144 Schülern. Den gewerblichen Fortbildungsschulen müssen aber, um das Bild nicht unvollständig zu lassen, noch 289 Innungsschulen mit 12,118 Schülern und 35 andre von gewerblichen Verbänden begründete niedere Fachschulen, die hierher gehören, mit 2408 Schülern zugerechnet werden, so daß im ganzen herauskommen: 1264 gewerbliche Fortbildungsschulen mit 119,568 Schülern und (die ländlichen eingerechnet) 1991 Fortbildungsschulen überhaupt mit 130,712 Schülern.
Diese Zahlen zeigen gegen 1882 einen erheblichen Fortschritt. Allein der Fortschritt ist wahrscheinlich größer, als die Zahlen an sich annehmen lassen, da die oben angegebene Summe von 1882 (1261 Schulen und 68,712 Schüler), wie nachträglich erkannt worden, eine Anzahl von Anstalten einschließt, die nicht unter den Begriff der Fortbildungsschulen gehören. Entsprechend hat auch der Aufwand des Staates für die Fortbildungsschulen zugenommen. Er betrug noch 1885 nur 177,000 Mr., 1886 wurden daraus 197,000 Mk., denen damals für Posen und Westpreußen 200,000 (zusammen 397,000) Mk. hinzutraten. Im Staatshaushalt für 1890/91 betrug der Ansatz für Posen und Westpreußen 350,000 Ml. und für die übrige Monarchie 440,000 Mk., zusammen 790,000 Mk.
Der Fortschritt auf diesem Gebiet während der letzten Jahre war bedeutend und gereicht dessen berufenen Pflegern zur hohen Ehre. Allein das Ergebnis für sich genommen ist noch lange kein genügendes. Darüber täuscht der Verfasser der Denkschrift sich am allerwenigsten. Vielmehr deutet er zum Schlüsse seiner lehrreichen Arbeit noch in kurzer Übersicht die überreiche Fülle gewichtiger Aufgaben an, welche in nächster Zukunft der Verwaltung des preußischen Fortbildungsschulwesens noch warten.
Sie gelten nur teilweise der dringend nötigen Vermehrung der Schulen, deren Notwendigkeit jeder vergleichende Blick auf die außerpreußischen Staaten des Deutschen Reiches unwidersprechlich einleuchten läßt. Ebenso wesentlich ist eine Reihe von Punkten, deren Wert auf dem innern Gebiet liegt. Freilich ist auch die Abhilfe in diesen Punkten wesentlich eine Geldfrage. »Es erhellt dies schon daraus, daß bei weitem der größere Teil der Summe von 203,000 Mk., um die der zu Zuschüssen für Fortbildungsschulen bestimmte Fonds vor zwei Jahren erhöht worden ist, zur Verbesserung schon vorhandener Anstaltenverwendetwerden mußte. Mit reichlichen Mitteln ließe sich noch die Teilung vieler überfüllter Klassen, die Vermehrung des Unterrichts, die Verbesserung der Schullokale, der Beleuchtung und des Inventars, die Vermehrung und Beschaffung besserer Lehrimttel, die unentgeltliche Abgabe oder das Darleihen von Zeichemnaterialien oder Zeichengeräten an unbemittelte Schüler, die Vermehrung der Prämien für fleißige Schüler und die Einrichtung von Schülerbibliotheken sowie die Beschaffung von einigen zum Selbststudium für die Lehrer nötigen Werken möglich machen.« Allgemein empfunden wird der Mangel an recht geeigneten Lesebüchern für Fortbildungsschulen, wiewohl in dieser Hinsicht ganz beachtenswerte Versuche bereits gemacht worden. Fast schwerer noch wiegt der Mangel eigentlicher Fachbildung bei der Mehrzahl der Lehrer, der wenigstens an den gewerblichen Fortbildungsschulen nachteilig wirkt. Der ¶