Flußschiff
ahrt.
An der allgemeinen
Aufgabe der Transportmittel, den Verkehr von
Gütern und
Personen möglichst zweckgemäß
zu gestalten, hat die Flußschiffahrt
von jeher einen bedeutenden Anteil. Auf den
Flüssen als den natürlichen Wasserstraßen kann man
große Lasten mit einem geringen Aufwande an Kosten und
Arbeit bewegen, man bedarf zur Herstellung des
Transportweges keines kostspieligen Landerwerbs, wie bei Kunststraßen oder Eisenbahnen; das aufzuwendende
Betriebskapital
ist namentlich auf der primitiven
Stufe der Flußfahrten zu
Thal
[* 2] nicht bedeutend.
Daher spielt auch die Flußschiffahrt
in den
Zeiten der ältern Kultur eine wichtige Rolle. Bei stärkerm Wachstum der Kultur reichte die
Langsamkeit und Einförmigkeit des
Wasserstraßentransports nicht aus, überdies sind in kältern Gegenden
die
Gewässer einen großen
Teil des Jahres unbenutzbar (in
Rußland etwa durchschnittlich 100
Tage im Jahre). Namentlich hatte
die schnelle
Entwicklung des Eisenbahnbaues die Benutzung der Wasserstraßen, insbesondere in
Deutschland,
[* 3] eingeschränkt.
Das
Beispiel Nordamerikas und
Frankreichs sowie die steten Tariffehden der Eisenbahngesellschaften haben
die große volkswirtschaftliche Bedeutung der Wasserstraßen seit Mitte der siebziger Jahre wieder in den Vordergrund gebracht,
und man hat in
Deutschland vor, durch
Bau neuer und Umbau älterer
Kanäle sowie rationellen
Ausbau der
Flüsse
[* 4] ein Wasserstraßennetz
zu schaffen, das den äußersten Westen
Deutschlands
[* 5] mit dem äußersten
Osten und die in Nord- und Ostsee
mündenden
Flüsse mit der Donau verbindet, so daß die Flußschiffahrt
einer bedeutenden Weiterentwicklung entgegengeht.
(S. Schifffahrtskanäle.)
Schon jetzt aber bewältigt sie ganz gewaltige Verkehrsmassen.
Der Güterverkehr auf deutschen Flüssen betrug (1890) einschließlich der Flöße und deren Beiladung:
Wasserstraßen | Zu- und Abgangsverkehr | Durchgangsverkehr |
---|---|---|
t | t | |
Auf den deutschen Flüssen und Kanälen des Ostseegebietes | 3393673 | 7725271 |
Auf den deutschen Flüssen und Kanälen des Nordseegebietes ausschließlich des Rheinstromgebietes | 10081261 | 12620570 |
Im deutschen Rheinstromgebiet | 13068978 | 8443887 |
In den deutschen Bodenseehäfen | 321495 | – |
Auf der deutschen Donaustrecke | 515401 | 372477 |
Zusammen | 27380808 | 29162205 |
Im deutschen Reichsgebiet zählte man 1887 an
Fluß-,
Kanal-, Haff- und Küstenfahrzeugen 19237 Segel-
und 1153 Dampfschiffe mit 2049413 und 51292 t Tragfähigkeit. Am bedeutendsten ist die Flußschiffahrt
auf der
Elbe (1890: Zu- und Abgangsverkehr
8371880, Durchgangsverkehr 12057003 t) und dem Rhein entwickelt, über dessen Verkehr die
Tabelle auf S. 943 Auskunft giebt.
Hervorzuheben ist, daß in
Bezug auf Raumgehalt der Schleppkähne auf dem Rhein die ausländischen
Flaggen
[* 6] die deutsche übertreffen, während diese wiederum erheblich mehr an Dampfern stellt. Auch fahren gerade die weitaus größten
Rheinschiffe unter deutscher
Flagge.
Der Anteil der Wasserstraßen an der Güterbewegung in
Deutschland ist auf etwa 23 Proz. Des Gesamtverkehrs zu veranschlagen,
während der Massenverkehr an
Gütern auf den Eisenbahnen sich durch Zunahme der Flußschiffahrt
nicht verringert.
Die wichtigsten Hebel
[* 7] der Flußschiffahrt
sind: genügender und möglichst gleichmäßiger Wasserstand, an dem freilich
fast alle europ.
Flüsse, besonders wegen der allzu starken Ausrottung der
Wälder in den Quellgebieten,
Mangel leiden
(Ägypten
[* 8] besaß im
Altertum große
Bassins zur Speisung der
Flüsse in Notfällen), sodann passende Schiffsgefäße
und billige Zugkraft. Die staatlichen Aufwendungen für die Flußschiffahrt
bleiben zwar noch immer hinter denen für
Eisenbahnzwecke erheblich zurück; so sind in
Preußen
[* 9] 1880‒89 neben den laufenden der Flußschiffahrt
dienenden Geldern (jährlich 2‒3
Mill. M.) für größere
Regulierungen und Neuanlagen im Interesse der Flußschiffahrt
204577000, dagegen allein für
Nebenbahnen
¶
forlaufend
943
Die Zahl der auf dem deutschen Rheinstrom verkehrenden Segelschiffe, Schleppkähne und Dampfschiffe betrug 1892: Segelschiffe und Schleppkähne Personen- und Güterdampfer Heimat Hölzerne Eiserne Raddampfer Schraubendampfer der Fahrzeuge Zahl Tragfähigkeit Zahl Tragfähigkeit Zahl Effektive Pferdestärken Zahl Effektive Pferdestärken Baden Bayern 358 279 17 210 585 12 36 404 22 557 1281 20 757 104 830 1 143 12314 94 73 889 7 851 57 650 87 13 110 1730818 1220 11715 26 8 34 164 7 834161 Elsaf;-Lothringen Hessen [* 11] 957 6 593 59Z Preußen Württemberg 6163 393 319 1023 Zusammen dcntsche Belgien [* 12] . 1461 550 35 2740 21 186 972 109 826 4 531 350 302 3 299 850 ^ 538732126 ! 36483 1383 34 15483 185 2 672 23962 241 91402003 6 471 Großbritannien Niederlande Andere 1 746 936300204 Fahrzeuge Überhaupt j 4807 i 654 930 l 1723 > 576 354 > 175 > 18340 542 593 257000 M. bewilligt worden.
Allein eine Wen- dung zum Bessern ist namentlich seit dem groß- artigen Erfolge der Mainkanalisation unverkenn- bar. Auch
Frankreich, Rußland, England, Nord- amerika u. a. verwenden alljährlich große Summen zur Verbesserung der Flußschiffahrt.
In Bezug
auf die Fahrzeuge hat sich im Laufe der Zeiten eine Wandlung vom einfachen Nachen bis zum Dampfer, von der Holland. Treckschuite
(s. d.) bis zu den neuerdings eingeführten riesigen Fracht- schiffen vollzogen.
Auf den ostpreuß.
Flüssen und auf der Weichsel verkehren jetzt schon Fahrzeuge von 4000 und 5000 Ctr., auf der Oder
solche von 7500, auf der Spree von 8000, auf der Elbe von mehr als 16000 Ctr. Tragfähigkeit. Zurückgeblieben ist in dieser
Beziehung die Flußschiffahrt
auf Weser und Ems.
[* 13] Dagegen haben die neuesten Rhein-Schleppkähne der Mannheimer Dampfschleppschiffahrts-Gesell-
schaft fowie die der Firmen M. Stinnes (Mülheim- Nuhr) und Fr. Kamel (Ruhrort)
[* 14] 24361, 30413 und 31139 Ctr.
Ladefähigkeit.
Neben den großen Schiffen sind indes großenteils die kleinern, der Besonderheit der zu befahrenden Gewässer ange- paßten
Fahrzeuge in Gebrauch geblieben; so die turischcn Neisekähne, die Wittinnen, Voydacks, die Oderkähne, Finowkähne, Elbzillen,
Weserböcke, Emspünten u. s. w. Für die Güterbeförderung auf Flüssen und Ka- nälen bildete anfänglich,
außer Menschenkraft, der Pferdeschleppzug das wichtigste Beförderungsmittel. Seitdem die Dampfkraft für die Flußschiffahrt
nutzbar
gemacht wurde, betragen die Frachtkosten etwa ein Viertel der des Pfcrdezugs.
Eine weitere Minderung des Trans- portaufwands sowie größere Schnelligkeit wurde auf dazu geeigneten Flüssen zeitweise durch
Einführung der Ketten- und Drahtseilschisfahrt erzielt. (S. Ketten- schleppfchiffabrt.) Neuerdings gewinnen
die Bestre- bungen, die Elektricität mehr als bisher in den Dienst der Flußschiffahrt
zu stellen, durch dieVorschlägevonVüsser(Oder-
berg-Mark) und de Vovet (Paris)
[* 15] an
Bedeutung. Zunächst ist jedoch der elektrische Betrieb ebenso wie der mit Petroleummotorcn
noch auf kleinere Fahr- zeuge beschränkt und der Dampferverkehr noch im Zunehmen begriffen.
Fast auf allen bcdeutendern Flüssen und Seen Europas und Amerikas, auch auf einigen Strömen Afrikas und Asiens (Nil, Tigris) findet
ein mehr oder minder regelmäßiger Dampfer- verkehr statt; am ausgedehntesten ist derjenige von Nordamerika,
[* 16] wo allein
im canad. Seengebiet 470 Passagier-, 894 Frachtdampfer, teilweise von 40000 Cts. Ladefähigkeit, verkehren.
Rechtliches. Die Flüfse gehören je zum Terri- torium desjenigen Staates, durch welchen sie stießen; sie und die auf ihnen
betriebene Flußschiffahrt
sind also dessen Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit, Polizei, überhaupt Staatshoheit unterworfen; bei Grenzflüssen
ist die Mittellinie derselben, bisweilen nach den getroffenen Vereinbarungen der Thalweg (s. d.) die Grenze.
Die Staaten sind indessen bestrebt gewesen, bezüglich der- jenigenFWe, welche verschiedene Staaten durchströ-
men, gemeinsame Grundsätze im Interesse der Flußschiffahrt
zur Erleichterung des internationalen Verkehrs zu vereinbaren,
solche Konventionen sind sowohlbezüg- züglickaußereurop.Ströme (Amazonenstrom,
[* 17] St. Lo- renz, Parana, St. John), als namentlich
bezüglich der europäischen abgeschlossen. Man hat bei den letztern folgende Ziele im Auge
[* 18] gehabt:
1) Die Schiffahrt der Kauffahrteischiffe auf den die Gebiete mehrerer Staa- ten durchfliepeuden Strömen mit deren Zuflüssen vom Anfangspunkt der Schiffbarkeit bis zur Ausmün- dung in das Meer für alle freizugeben. Dabei bleibt den einzelnen Staaten selbstverständlich die Freiheit sanitärer Maßnahmen, die Handhabung der Zoll- gesetzgebung, die Maßnahmen im Falle eines Krie- ges.
2) Die Beseitigung von die Schiffahrt und den Handel einschränkenden Privilegien und Begünsti- gungen einzelner Gesellschaften oder Personen (mit Ausnahme etwa der Fähren und Überfahrtsanstal- ten), sowie Beseitigung der Stapel-, Niederlags-, Umschlags- und Vorkaufsrechte.
3) Schiffahrtsab- gaben entweder soweit zu beseitigen, daß sie nur für die Benutzung besonderer Anstalten, welche zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind, zu ent- richten sind, oder dahin einzuschränken, daß sie die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung er- forderlichen Kosten nicht übersteigen dürfen; oder vorzuschreiben, daß die Schiffahrtsabgaben un- abhängig vom Wert und der Beschaffenheit der Waren bestimmt werden sollen, jedoch nicht über den Betrag eines Normaljahres (1815). 4) Daß eine und dieselbe Schisfahrtspolizei für die gemein- same Schiffahrtsstrecke durch gemeinsames Einver- ständnis hergestellt werden soll; jeder Uferstaat für die Unterhaltung der Leinpfade und die not- wendige Vertiefung der Stromwege (durch Vag- gerungen und Sprengungen) zu sorgen hat. Freilich sind diese Ziels nicht sämtlich und nicht voll in den einzelnen Konventionen und Schissahrtsakten ¶