Flüsse,
[* ] Bezeichnung für diejenigen fließenden Gewässer, welche aus der Vereinigung mehrerer Bäche entstanden sind oder den Abfluß eines Sees bilden. Unter Strom versteht man einen Fluß von großer Wasserfülle, der sich unmittelbar ins Meer oder einen meerähnlichen Landsee, wie z. B. die Wolga in den Kaspischen See, ergießt. Je nachdem sich die Flüsse unmittelbar oder mittelbar in verschiedenen Abstufungen mit dem Hauptflusse vereinigen, heißen sie Neben-, Zu-, Bei- oder Seitenflüsse.
Seinen Namen erhält der Hauptfluß gewöhnlich von demjenigen der ihn bildenden Quellflüsse, dessen Ursprung am entferntesten von der Mündung des Ganzen ist, dessen Lauf also der längste und dessen Wassermenge daher meist auch die größte ist, und der zugleich bei der Einmündung eines andern in ihn seine Richtung beibehält; entsteht ein Fluß durch Vereinigung zweier oder mehrerer gleichgroßer Quellflüsse, so erhält er oft einen neuen Namen, wie die vereinigte Werra und Fulda Weser heißen.
Sehr häufig haftet auch der Name des Hauptstroms im Oberläufe an kleinern Nebenflüssen, während die eigentliche Fortsetzung wie ein Nebenfluß behandelt wird und einen andern Namen hat. So ist die Moldau als Oberlauf der Elbe, die Saône als der der Rhône zu betrachten. Küstenflüsse ergießen sich nach kurzem Laufe ins Meer. Steppenflüsse verlieren sich im Sande, in der Erde oder in einem See ohne sichtbaren Abfluß. Flußbett nennt man die Rinne eines Flusses, Spiegel die Oberfläche desselben.
Die Geschwindigkeit der Flüsse oder ihrer Strömung ist nicht bloß durch die Abhängigkeit oder Neigung ihres Bettes, d. h. durch das Gefälle, bedingt, sondern ebenso sehr durch die Wassermenge oder den Druck des Wassers, und demgemäß sehr verschieden. Hieraus ist es zu erklären, wenn z.B. der Rhein bei einem viel abhängigern Flußbette langsamer fließt als die Donau. Die Geschwindigkeit nimmt zu vom Grunde nach oben und von den Ufern nach der Mitte; am größten ist sie in der Mitte, aber etwas unter dem Spiegel. Zur Messung der Geschwindigkeit dienen Strommesser oder Rheometer.
Die Wassermenge der Flüsse ist außerordentlich groß; so ergießt die Wolga in einer Stunde 30 Mill. cbm Wasser ins Kaspische Meer. Die Wassermenge hängt ab von der Größe des Flußgebietes, von den Niederschlags- und Temperaturverhältnissen desselben, von der geolog. Beschaffenheit des durchströmten Bodens u. s. w. Sie ist sehr schwankend, nicht nur im Laufe eines Jahres, sondern auch in größeren Zeiträumen. Die jährliche Schwankung hängt in gemäßigten Zonen weniger von den Niederschlägen, welche ja gleichmäßig im Jahre verteilt sind, als von der Schneeschmelze ab. In den Subtropen und Tropen richtet sich der Wasserstand nach der Regenzeit; ebenso regelmäßig wie diese ändert sich auch jene. Berühmt sind die Beispiele des Nils und Ganges. Zur selbstthätigen Messung der Wasserstände dienen die Pegel (s. d.).
Die Flüsse führen große Mengen von Mineralien teils in fester, teils in aufgelöster Form mit sich. Die Größe der festen Stoffe nimmt nach unten ab. Die größten Blöcke werden gewöhnlich nur im Oberlauf noch fortbewegt, im Mittellauf setzt sich das Geröll nieder, im Unterlauf findet sich nur noch Sand, der gegen die Mündung immer feiner wird. Hier bilden sich an Stellen, wo die Geschwindigkeit sich verringert, wo Rückstau stattfindet, oder wo zwei konvergierende Strömungen zusammentreffen, z. B. am obern und untern Ende von Inseln, Sandbänke.
Das feinere Material wird bis ins Meer getragen und bildet hier, wenn es nicht durch eine Strömung weggeschafft wird, ein Delta (s. d.). Bei großen Flüsse, z. B. dem Hoang-Ho, gelangen ganz feine, staubartige Massen weit ins Meer hinaus und setzen sich erst dort nieder. Die im Fluß gelöst enthaltenen Mineralstoffe, besonders kohlen- und schwefelsaurer Kalk, werden ins Meer geschafft, dort durch gewisse Tiere umgewandelt und bilden die gewaltigen marinen Ablagerungen, deren Entstehung lange Zeit unerklärt war.
Die Farbe des Flußwassers wird bedingt durch die darin aufgelösten oder suspendierten Bestandteile. Sie ist sehr verschieden, vom Weißen (Rio Branco) bis zum Schwarzen (Rio Negro), vom Gelben (Hoang-Ho) bis zum Blauen (Rhône); am häufigsten ist außer dem Glashellen das Grüne in den verschiedensten Abstufungen.
Ein plötzlicher bedeutender Höhenunterschied in dem Gefälle bewirkt einen Wasserfall (s. d.); plötzliche Verengerungen oder Einschnürungen des Bettes erzeugen Stromschnellen oder Stromschüsse (Rapiden), die besonders häufig bei Stromdurchbrüchen sind. Seltener ist die Flußschwinde (Katabothron), indem ein Fluß eine Strecke weit unterirdisch, d. i. in einem Abgrunde oder einem von Felsmassen überdeckten Bette unsichtbar fortfließt, wie z. B. die Reka (s. d.).
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Behält der Lauf eines Flusses keine entschiedene Richtung bei, sondern windet sich hin und her, wie es besonders bei geringem Gefälle geschieht, so bildet er Krümmungen oder Schlangenwindungen (Serpentinen, Mäandrinen). Bei der Regulierung der Flüsse schneidet man die Windungen durch Dämme ab; die abgetrennten Teile werden dann zu sog. Altwassern (am Mississippi Bayoux genannt). Teilt der Fluß sich in zwei oder mehrere Betten, so entstehen Strom- oder Flußspaltungen.
Die getrennten Teile heißen Flußarme; vereinigen sie sich wieder, so schließen sie Flußinseln (Werder, Auen, Kämpen) ein. Das durch die Ablagerungen eines Flusses gebildete Mündungsland heißt Delta (s. d.). Nicht selten ist die Flußmündung meerbusenartig erweitert und bildet dann ein Ästuarium (s. d.), früher «negatives Delta» genannt, wenn innerhalb derselben die Gezeiten sich geltend machen, wie z. B. in der Elbe, Weser, Themse, im San Lorenz, Gabun u. s. w., oder einen Süßwasser- oder Mündungsgolf.
Liegen einem solchen entweder eine Landzunge (Nehrung) oder größere Inseln vor, so daß er fast ganz vom Meere geschieden, ist, so bildet er dahinter ein Haff (s. d.); liegen aber nur Eilande vor, die ihn vom Meere wenig absondern, so heißt er Liman. Die kürzeste Linie zwischen der Quelle und der Mündung heißt der direkte Abstand oder die direkte Länge des Flusses und die Richtung dieser Linie die Haupt- oder Normalrichtung. Dagegen nennt man Stromentwicklung die ganze Länge eines Flußlaufs mit allen seinen Krümmungen.
Nach den durch die Höhe und die übrige Beschaffenheit des Bettes bedingten Eigentümlichkeiten seiner Entwicklung teilt man den ganzen Lauf eines vollständig entwickelten Stroms in drei Teile oder Hauptstufen: Den Oberlauf im obern Stufenlande, wo die Erosion allein thätig ist, den Mittellauf, bei welchem die Erosion aufhört, Ablagerung aber auch nicht stattfindet, weil die Sinkstoffe immer noch fortgeschafft werden, und den Unterlauf im Tieflande, wo nur Ablagerung statthat. Nicht alle Flüsse zeigen diese drei Teile. Manchen, z. B. den Niederungsflüssen, fehlt der Oberlauf, andern, wie den Wildbächen, der Mittellauf; Unter- und Mittellauf mangelt den sich aus Küstengebirgen ins Meer stürzenden Flüsse (Schweden und Norwegen). Bei manchen Flüsse wiederholen sich die drei Teile, wie beim Rhein, der Donau und den meisten afrik. Strömen.
Tafel: Diluvialthäler der Norddeutschen Tiefebene.
Fluß- oder Stromsystem nennt man einen Hauptfluß mit seinen sämtlichen Quellen, Bächen, Neben-, Zu-, Bei- und Seitenflüssen; die Zeichnung eines solchen hydrogr. Ganzen heißt ein Flußnetz, das natürlich die verschiedensten Formen haben kann. Am regelmäßigsten ist es, wenn ein Hauptstrang von beiden Seiten Zuflüsse in gleicher Stärke und Zahl erhält (Po, Amazonenstrom); häufig ist die eine Seite stärker entwickelt als die andere (Theiß, Rhône).
Sehr häufig findet sich das System, wo ein Hauptstrang durch zwei oder mehrere gleichwertige Flüsse gebildet wird (Parana-Paraguay, Loire-Allier, Dwina, Dnjepr, Seine, Indus). Die Länderstrecken zusammengenommen, welche ihre Gewässer einem und demselben Hauptfluß zusenden, bilden das Fluß- oder Stromgebiet, auch das Becken oder Bassin genannt. Die Gebiete mehrerer Flüsse, welche demselben Meere zufließen, bilden zusammen ein Meergebiet. Die Grenze zweier Flußgebiete heißt Wasserscheide, die Grenze zweier Meergebiete aber Hauptwasserscheide. Europa hat eine Hauptwasserscheide, die vom nördl. Ural quer bis zum südl. Portugal zieht. In Asien stehen zwei Hauptwasserscheiden aufeinander senkrecht. Zwei hat auch Afrika. Am verwickeltsten sind sie in Amerika. Diese Scheiden oder Ränder der Flußbecken liegen stets relativ höher, aber keineswegs immer auf den absolut
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höchsten Stellen zwischen zwei Gebieten. Oft streichen sie ganz nahe und parallel den höhern Gebirgszügen, oft ganz entfernt von ihnen und in ganz anderer Richtung; oft ziehen sie durch Ebenen als niedrige Wasserscheiderücken, kaum merkbare Bodenanschwellungen (Thalwasserscheiden). Nicht selten liegen die Quellen mehrerer Flußgebiete auf Höhen sehr nahe beisammen, z. B. auf dem Fichtelgebirge die Quellen des Mains, der Naab, der Eger und der Saale, von denen der erste zum Rhein-, die andere zum Donau-, die beiden letzten zum Elbegebiet gehören.
Mitunter aber entfließen auch Flüsse einem und demselben Sumpfe in entgegengesetzten Richtungen, zu verschiedenen Gebieten gehörig. In Ebenen sind die Wasserscheiden häufig so flach, daß man Kähne und Waren leicht von einem Fluß in den andern schaffen kann, daher man diese Stellen, die sich namentlich zur Anlage von Kanälen eignen, auch Trageplätze (portages) nennt. Niedere Scheiden werden, besonders in Tropenländern, zur Regenzeit ganz überschwemmt, so daß die Wasserscheidung zeitweilig gänzlich aufgehoben ist. Es giebt aber auch konstante Verwirrungen zweier Flußgebiete, indem innerhalb einer Plattebene zwei Flüsse nahe beieinander fließen und bei Spaltungen derselben ein Arm des einen in das Gebiet des andern übergeht.
Solche natürliche Flußverbindungen, auch Gabelteilungen, Bifurkationen oder Bifluenzen genannt, finden sich in Europa bei dem Arno, welcher durch die Chiana mit dem Tiber, bei der Haase, einem Nebenfluh der Ems, welcher im Osnabrückischen durch die Else mit der Werre und so mit der Weser verbunden ist; zwischen Immendingen und Möhringen in Baden versinkt ein Teil des Donauwassers und fließt in 11 km Entfernung dem Rheingebiet zu; am großartigsten aber in Südamerika, wo ein Arm des Orinoco (s. d.), der Casiquiare, in den Rio Negro, einen Nebenfluß des Amazonenstroms, fließt, und bei den großen Strömen Hinterindiens.
Veränderungen von Flußläufen sind nicht selten. Sie erfolgen meistens im Unterlauf. Berühmt sind die Stromverlegungen des Hoang-Ho (s. d.) und Amu (s. d.); auch die westl. Zipfel des Bodensees bei Radolfzell und Ludwigshafen sind nichts anderes als ehemalige Rheinausflüsse. Am häufigsten verschmelzen zwei ursprünglich getrennte Flußsysteme durch Erweiterung des Deltas. So wurden Euphrat mit Tigris, Aras mit Kur, Donau mit Pruth, Rhône mit Durance vereinigt.
Oft tritt aber auch der umgekehrte Fall ein, daß ehemalige Nebenflüsse selbständig werden; ein Beispiel ist die Etsch, die ehedem in den Po mündete, aber durch Ausdehnung des Po-Deltas von diesem getrennt wurde. Großartige Veränderungen erlitten die Flüsse der Norddeutschen Tiefebene seit der Diluvialzeit. Die [* ] Figur auf S. 936 zeigt in seiner Punktierung den Verlauf der Diluvialthäler. Weichsel, Oder und Elbe vereinigten sich bei der heutigen Havelmündung zu einem großen Strom, der dem jetzigen Unterelbthal folgend in die Nordsee mündete. Weder der gegenwärtige Unterlauf der Weichsel, noch der der Oder existierten damals. Ein berühmtes Beispiel von Stromveränderunq, die in geschichtlicher Zeit vor sich ging, bietet der Isonzo (s. d.).
Die Ursachen dieser Laufveränderungen sind besonders die geolog. Zusammensetzung der Unterlage, veränderte Geschwindigkeit, andere Niederschlagsmengen u. s. w., nicht aber, wie Baer irrtümlich meinte, die Erdrotation.
Die Bedeutung der Flüsse beruht einmal auf ihrer Wasserführung, dann auf den Rinnen, in denen sie fließen. Sie wirken Hand in Hand mit der Küstengliederung auf die Aufschließung der Länder hin, sind Völkervermittler und schließlich Völkervereiniger, aber auch wichtige Grenzmittel, entweder vertragsmäßig anerkannte oder thatsächlich auf träge Völker stauend wirkende. Durch ihren Fischreichtum und die fruchtbaren Anschwemmungen sind sie ihren Anwohnern direkt nahrungspendend. Man nennt sie daher mit Recht «Lebensadern».
Stromlänge und Stromgebiet der größten Flüsse zeigt folgende Tabelle:
Flüsse | Stromlänge | Stromgebiet |
km | qkm | |
Europa: | ||
Wolga | 3570 | 1459000 |
Donau | 2860 | 817000 |
Dnjepr | 2150 | 527000 |
Don | 1860 | 430250 |
Dwina | 1782 | 365381 |
Petschora | 1580 | 329500 |
Ural | 1500 | 249500 |
Rhein mit Maas | 1225 | 197000 |
Weichsel | 1050 | 193000 |
Elbe | 1165 | 143327 |
Loire | 1002 | 121000 |
Oder | 905 | 112000 |
Rhône | 810 | 98900 |
Niemen | 907 | 90548 |
Düna | 840 | 85400 |
Garonne | 600 | 84800 |
Ebro | 757 | 83530 |
Tajo | 910 | 82600 |
Duero | 786 | 78933 |
Seine | 705 | 77800 |
Dnjestr | 1372 | 76862 |
Po | 670 | 74900 |
Guadiana | 820 | 65500 |
Weser mit Werra | 711 | 48000 |
Asien: | ||
Ob | 5210 | 2980650 |
Jenissei-Selenga | 5210 | 2530357 |
Lena | 4599 | 2354203 |
Amur | 4480 | 2038000 |
Jang-tse-kiang | 5200 | 1872000 |
Ganges-Brahmaputra | 3000 | 1294000 |
Hoang-Ho | 4100 | 1000000 |
Indus | 3180 | 960000 |
Euphrat | 2775 | 673000 |
Syr-darja | 2860 | 453350 |
Amu-darja | 2200 | 440000 |
Afrika: | ||
Kongo | 4200 | 3206050 |
Nil | 5940 | 2810300 |
Niger | 4160 | 2650200 |
Sambesi | 2660 | 1430000 |
Oranje | 1860 | 1083050 |
Schari | ? | 915000 |
Kubango | ? | 785000 |
Limpopo | 1600 | 560000 |
Senegal | 1430 | 440500 |
Rowuma | 1100 | 334000 |
Ogowe | 850 | 304100 |
Kuansa | 630 | 303000 |
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Flüsse | Stromlänge | Stromgebiet |
km | qkm | |
Amerika: | ||
Amazonenstrom | 5500 | 6500000 |
Mississipi | 6530 | 3100000 |
Rio de la Plata | 3700 | 3000000 |
Mackenzie | 3700 | 1517000 |
St. Lorenz | 3816 | 1378000 |
Winnipeg und Nelson | 2400 | 1216000 |
Jukon | 3570 | 857000 |
Orinoco | 2225 | 850000 |
Colorado | 2000 | 660000 |
Rio Grande del Norte | 2800 | 620000 |
Columbia | 2000 | 600000 |
Australien: | ||
Murray | 2500 | 700000 |
Über die Schiffahrt auf Flüsse s. Flußschiffahrt.
Bezüglich der Rechtsverhältnisse werden die Flüsse in öffentliche und Privatflüsse eingeteilt. Öffentliche Flüsse sind die schiffbaren und die mit gebundenen Flößen flößbaren (nach Preuß. Allg. Landr. II, 14, §. 2 nur die schiffbaren), und diese nur soweit, als sie schiffbar oder flößbar sind. Doch erklärt das bayr. Gesetz über die Benutzung des Wassers vom auch die Nebenarme öffentlicher Flüsse für öffentliche Gewässer, soweit nicht entgegenstehende Rechte erworben sind.
Hier und da hat sich die röm. Auffassung Geltung verschafft, daß als öffentlich auch solche nicht schiffbaren größern Flüsse gelten, welche im Sommer nicht versiegen, während die Bäche, selbst wenn sie immer Wasser führen, auch den Römern für Privatgewässer galten. Nach Preuß. Allg. Landrecht a. a. O. sind die von Natur schiffbaren Ströme ein gemeines Eigentum des Staates, nach dem angeführten bayr. Gesetze sind die öffentlichen Gewässer ein zu allgemeiner Benutzung bestimmtes Staatsgut, nach franz. Recht werden sie angesehen als «Dépendances du domaine public». An diese Bestimmung lehnen sich die Gesetze einer Anzahl von schweiz. Kantonen an oder stimmen doch im Resultat mit ihr überein (Bern, Luzern, Waadt, Neuenburg, Freiburg). Das Österr. Bürgerl. Gesetzb. §. 287 bezeichnet die Ströme oder Flüsse als allgemeines oder öffentliches Gut. Nach dem österr. Gesetze vom §. 2, sind auch die Seitenarme der schiff- und flößbaren Flüsse öffentliches Gut; und nach §. 3 überhaupt alle fließenden und stehenden Gewässer, insoweit sie nicht infolge gesetzlicher Bestimmungen oder besonderer Privatrechtstitel jemandem zugehören. Eine ähnliche Präsumtion stellen die Gesetze einer Anzahl von schweiz. Kantonen auf (Aargau, Luzern, Solothurn, Zürich). Nach Gemeinem Recht sind die öffentlichen Flüsse res extra commercium (s. Commercium), an denen ein Privateigentum nicht erworben werden kann. So auch nach den Gesetzen von Zürich und Schaffhausen. Das schließt nicht aus, daß einzelne Rechte wie das Fischereirecht (s. d.), das Recht auf Benutzung der Triebkraft zu Mühlen- oder Fabrikanlagen oder Benutzung des Wassers durch Ableitung aus dem Flusse mittels Kanälen, welche im Privateigentum stehen, das Recht auf Durchleitung von Röhren durch Konzession des Staates oder eine dieselbe ersetzende unvordenkliche Verjährung (s. d.) erworben werden.
Denn die deutschen Könige nahmen schon früh ein Regal an den öffentlichen Flüsse in Anspruch, so in einer Constitutio de regalibus vom J. 1158. Das Langobardische Lehnrecht erklärt die schiffbaren Flüsse für Regalien. Darauf ist es zurückzuführen, daß der Bau von Brücken über öffentliche Ströme, die Einrichtung von Fähren (s. d.) zur Benutzung gegen Entgelt, die Anlegung von Wehren, Schleusen, Mühlen und Fabriken zur Benutzung der Wasserkraft unter Einschränkung des Gemeingebrauchs, von Wasch- und Badehäusern nur mit staatlicher Konzession gestattet wird.
Derartige staatliche Genehmigungen für Anlagen in und an schiffbaren Flüsse fordern heute die Gesetzgebungen und Rechte aller Staaten. Nach der Deutschen Gewerbeordn. §. 16 bedürfen Stauanlagen für Wassertriebwerke überhaupt, auch soweit sie in Privatgewässern angelegt werden, der Genehmigung der nach den Landesgesetzen zuständigen Behörde, welche erst nach dem dort geordneten Verfahren zu erteilen ist. Dabei sind außerdem die dafür bestehenden landesgesetzlichen Vorschriften anzuwenden.
Eine ähnliche Bestimmung hat das österr. Gesetz vom §§. 16 und 17, bezüglich der Stau- und Triebwerke an öffentlichen und Privatflüssen. Die Konzessionen wurden früher gegen Erteilung einer Abgabe auferlegt, das Regal war dadurch ein nutzbares Recht. Nach §. 7 der deutschen Gewerbeordnung sind vorbehaltlich der an den Staat und die Gemeinde zu entrichtenden Gewerbesteuern alle Abgaben, welche für den Betrieb eines Gewerbes entrichtet werden, sowie die Berechtigung, dergleichen Abgaben aufzuerlegen, aufgehoben.
Verschieden von diesem den Gemeingebrauch beschränkenden Regal ist das Hoheitsrecht, welches der Staat im allgemeinen Interesse wie im Interesse des Gemeingebrauchs bezüglich der öffentlichen Flüsse teils durch Erlaß von Gesetzen, teils durch Handhabung der Polizei, verbietend und verhindernd, teils durch positive Fürsorge für die Erhaltung und Wiederherstellung der Wasserstraßen im Interesse der Schiffahrt (s. Flußschiffahrt) ausübt. In beschränkter Weise wird das Hoheitsrecht auch bei den Privatgewässern ausgeübt. Es erstreckt sich hier wie dort unter anderm auf die Verhinderung von Verunreinigung der Wasserstraßen durch Einlaufenlassen ungereinigter, schädliche Stoffe enthaltender Abwässer (s. d.). Doch fehlt es auch hier nicht an der Zulässigkeit gerichtlicher Klagen.
Das Flußbett hat dieselbe rechtliche Natur wie der öffentliche Fluß. Es grenzt sich gegen das im Privateigentum stehende Ufer nach dem mittlern Wasserstande des Flusses ab, so daß eine vorübergehende Überschwemmung das Privateigentum nicht ändert. Der Ufereigentümer hat den Schiffern den Leinpfad für die Fortbewegung der Schiffe ohne Entschädigung zu gestatten, ebenso die Anlegung der Flöße und Schiffe an den diesen von der Behörde angewiesenen Plätzen;
er ist zur Uferbefestigung berechtigt und verpflichtet. So auch nach dem bayr. Gesetz über den Uferschutz vom (Art. 1);
ebenso nach diesem zum Schutz von Anlagen oder Gebäuden, welche einem Triebwerke oder einer Bewässerungs- oder Entwässerungsanstalt dienen (Art. 7);
nur ist der Uferschutz bei Flüsse, welche der Schiffahrt und der Floßfahrt dienen, vorbehaltlich der nach besondern Rechtsverhältnissen oder Herkommen bestehenden Verpflichtungen, Kreislast (Art. 2).
Nach dem österr. Gesetze vom §. 44, ist die Ausführung von Maßregeln zum Schutz der Ufer, Grundstücke, Gebäude, Straßen, Eisenbahnen und
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sonstigen Anlagen an Strömen, Flüsse und Bächen gegen die schädlichen Einwirkungen des Wassers oder zur Beseitigung des bereits eingetretenen Wasserschadens, insofern keine besondern rechtlichen Verpflichtungen anderer bestehen, zunächst eine Angelegenheit derjenigen, welchen die bedrohten und beschädigten Liegenschaften gehören. Nach dem preuß. Gesetz über die Strombauverwaltung vom haben die Uferbesitzer auf Anordnung der Strombauverwaltung gegen Entschädigung zu den im öffentlichen Interesse anzulegenden Stromregulierungswerken den erforderlichen Grund und Boden abzutreten und sind anderweiten Beschränkungen unterworfen; ebenso nach dem angeführten bayr. Gesetz.
Das Gesetz ordnet das dabei einzuhaltende Verfahren. Über die Rechtsveränderungen, die durch Anlandungen, Bildung von Inseln im Flusse, Verlassen des Flußbettes entstehen, s. Alluvion. Die nichtöffentlichen Flüsse mit ihren Flußbetten stehen, wie die Bäche, wo nichts anderes hergebracht ist, im Eigentum der Anlieger. Das ist nicht so zu deuten, daß die Wasserwelle im Privateigentum steht. Aber der Fluß als solcher steht, soweit andere Rechte nicht besonders begründet sind, den Anliegern zur ausschließlichen Benutzung als Fluß zu. Der einzelne kann das Wasser zur Berieselung ableiten, wenn er das von dem Boden nicht aufgesogene Wasser dem Flusse wieder zuführt, bevor derselbe das folgende Grundstück berührt. Er darf darin fischen, auf demselben fahren, das Wasser zu Wirtschaftszwecken benutzen, dem Flusse in mäßigem Umfang unschädliche Abwässer zuführen.
Doch hat überall die Benutzung des einzelnen darauf Rücksicht zu nehmen, daß den andern Anliegern dasselbe Nutzungsrecht zusteht. Für Preußen ist das Gesetz vom über die Benutzung der Privatflüsse gegeben; für Bayern enthält das Gesetz vom in Art. 39–65 Bestimmungen; für Österreich das Gesetz vom in den §§. 10–14. Dieses und das bayr. Gesetz haben auch vorgesehen, daß Privatflüsse, welche sich zur Beschiffung oder Befahrung mit gebundenen Flößen eignen oder hierzu vom Staate eingerichtet werden, für öffentliche Flüsse erklärt werden können, sowie umgekehrt, daß ein öffentlicher Fluß nicht dadurch zum Privatgewässer wird, daß er aufhört schiffbar oder flößbar zu sein. –
Vgl. Stobbe, Deutsches Privatrecht (Berl. 1882–85), Bd. 1, §. 64; Neubauer, Zusammenstellung des in Deutschland geltenden Wasserrechts (ebd. 1881);
Peyrer, Österr. Wasserrecht (Wien 1886);
Huber, System und Geschichte des schweiz. Privatrechts (Bas. 1886–89), Bd. 3, §. 97.