Flachs
(frz. lin, engl. flax). Unter einigen 20 bekannten Arten des Geschlechtes Linum ist eine einjährige Art, L. usitatissimum, durch ihren hohen Wert als Gespinstflanze von ganz eminenter Bedeutung. Uralt ist die Benutzung des F., sodaß nicht einmal das eigentliche Vaterland desselben mehr bekannt ist und man dasselbe im Orient nur vermutet, weil die Pflanze zuweilen in wärmern Klimaten wild wachsend gefunden wird. Um so schätzenswerter ist ihre Fähigkeit sich zu akklimatisieren, durch die sie selbst sehr nördlich gelegenen Gegenden und hohen kühlen Bergländern noch zugänglich geworden ist und daselbst sogar vorzugsweise gedeiht.
Der F., früher fast die einzige Spinnfaser für Weißzeug, hat durch das Überhandnehmen der Baumwolle wohl viel Terrain verloren, bleibt aber dem ungeachtet immer ein Hauptindustrieartikel, der aller darauf gewendeten Pflege wert ist und sie lohnt. Nehmen doch selbst Länder wie Westindien und andre, zum Teil solche, die Baumwolle nach Europa senden, von hier Leinwand zurück, weil ihnen dieser kühlere Stoff in ihrem heißen Klima besser als Baumwolle zusagt. Der gemeine Lein wird jetzt in fast ganz Europa, in Ägypten, Algier, Ostindien, Nordamerika, Brasilien und Australien gebaut und zwar in den Hauptarten: a) Schließ- oder Dreschlein (Linum usitatissimum var. vulgare, auch L. sativum genannt) hat kleine geschlossen bleibende Kapseln, deren dunklere Samen nur durch Ausdreschen zu gewinnen sind, höhere Stengel, minder weiche und weiße aber haltbarste Faser, welche sich besser zu groben Geweben eignet; b) Klang- oder Springlein (L. usit. var. crepitans, auch L. humile) mit größeren, elastisch aufspringenden Kapseln, helleren Samen, welche man dadurch gewinnt, daß die Kapseln auf Planen an die Sonne gelegt werden, wobei sie von selbst aufspringen, niedrigere und ästigere Stengel, welche den feinsten F. liefern.
Beide Arten kommen als Früh- und als Spätlein vor. c) Zweijähriger oder Winter flachs
(L. bienne und L. africanum),
seltener gebaut; d) Weiß blühender oder sizilianischer Lein mit sehr schweren Samen und e) Königslein (L.
usit. var. regale), sehr hoch, 1.5 m, mit sehr festem Bast, kleinen und
blassen Samen, erst seit etwa 1850 aus Holland in den Handel gebracht. Vom Schließlein kommen hauptsächlich in den Handel:
der „Tonnenlein“, in Tonnen verpackter russischer
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Lein, bekannter als Rigaer, Pernauer, Liebauer, Wiedauer Lein etc., selten rein genug, meist mit Leindotter vermengt, mit kleinem Kern, aus welchem ein schwachstengliger, fein bastiger, 35 cm langer F. erwächst. Der Rigaer wird am meisten zu Samenzucht verwendet; die erste daraus gezogene Saat heißt Kronen- oder Rosenlein, welche 4-5 Jahre lang gute Ernten gibt und so lange als „Saatlein“ geht; nach dieser Zeit wird der Samen nur zu Ölschlagen noch verwendet, „Schlaglein“.
Eine sehr gute Sorte ist der Zeeländer, rein im Handel gebracht, mit gröberm Korn und stärkerem
F.; ferner sind beliebt
Königsberger, Memeler, Etschthaler, Axemer, weißblühender russischer, weißbl. amerikanischer und
gemengter weißblühender, gelb und braun. Seltener angebaut sind der ewige Lein, L. perenne, ausdauernder, sibirischer Lein,
0.5-1 m hoch, mit grober, harter, schwer zu trennender Faser, angebaut in Sibirien;
der schmalblätterige Lein, L. angustifolium Huds, mit guter Faser, in Südeuropa gebaut und in Australien;
der österreichische Lein, L. austriacum, 0.3 m hoch, auch Zierpflanze;
der Seelein, Meerstrandslein, L. maritimum, beide in Südeuropa, aber nur selten gebaut.
Wichtig für den Anbau ist der Samen, Leinsamen, welcher zur Ölbereitung dient und einen sehr wichtigen Handelsartikel auch zu Saatgut bildet. Guter Samen muß oval, an einem Ende spitz, an der Spitze gekrümmt, grünlich, hellbraun, süß schmeckend, hell glänzend, in der Hand leicht gleitend, geruchlos, rein von Unkraut sein und in Wasser untersinken. Nach schlechter Ernte wird der Samen dunkel, glanzlos, schmutzig, gering an Keimkraft; zur Saat ist der zweijährige vorzuziehen, die Keimkraft dauert bis 4 Jahre und wird erhöht durch gelindes Erwärmen bis 30° C., aber nicht darüber, wodurch zugleich die Haltbarkeit sich erhöht.
Der Bedarf an Samen ist lokal verschieden: in den Ostseeprovinzen von 1.35 hl an, in Deutschland bis 2.68 hl, in den andern Ländern zwischen diesen Extremen, durchschnittlich also 2.0 hl pro ha zu Samengewinnung, 3-4.6 hl für Bastgewinnung;
1 hl wiegt 67-68 kg. Als Durchschnittsbestellung gelten für Deutschland nur noch 200000 ha, für ganz Europa etwa 1.2 Mill. ha.
Der Saatbedarf für das Deutsche Reich ist durchschnittlich mindestens 38 Mill. kg, für ganz Europa mindestens 200 Mill. kg. Der Ertrag von Samen ist 4-8 hl bei Bastgewinn, bis 16 hl bei vorzugsweiser Samenzucht. - Preise, bester Rigaer 50, beste deutsche Saat 44 Mk. pro m. Ztr. Originaltonnen à 85 kg pro m. Ztr. 70 Mk. Vergl. weiteres unter Leinöl. -
Die Leinpflanze bringt nicht in allen Ländern und Gegenden eine gleich gute Faser, aber selbst unter günstigen klimatischen
Verhältnissen erfordert der Flachsbau
schon von der Ackerbestellung an bis zur Ablieferung so viel Pflege und Umsicht, daß
eine schöne feine Ware am Markte fast ebenso gut ein Kunst wie ein Naturprodukt genannt werden kann. Über die Witterung
freilich vermag die Kunst nichts und von ihr hängt das Gedeihen des F. in so hohem Grade ab, daß es
wenig Kulturpflanzen gibt,
bei denen so große Schwankungen des Ertrags zwischen vollen Ernten und gänzlichem Mißraten
vorkommen.
Der Lein ist sowohl Öl als Spinnpflanze; beiderlei Nutzungen können nicht voll neben einander bestehen, eine muß zur Hauptsache
gemacht werden. Man sät daher den hauptsächlich auf Fasern zu nutzenden F. dicht und um so dichter,
je feiner die Faser werden soll, den zum Samentragen bestimmten viel dünner, wodurch der Same sich vollkommener ausbildet,
der Stengel dagegen stark und ästig wird und nur grobe Fasern gibt. In Holland und Belgien nimmt man sich in Fällen,
wo man die feinste Faser zu Spitzen u. dgl. ziehen will und daher sehr
dicht sät, außerdem die Mühe, mit Pfählen und Stangen, oder mit Pfählen und Schnüren eine Art Gitter mit quadratischen
Öffnungen über das Flachsfeld
zu legen, durch welches die Pflanzen hindurch wachsen und darin eine Stütze zur
Geradehaltung und gegen das Lagern finden.
Man nennt diese Methode das Ländern; sie kommt auch in der Weise zur Ausführung, daß man das Flachsfeld
mit sperrigem
Reisig überdeckt. Ein öfterer Samenwechsel ist beim Flachsbau
nützlich und zur Erzeugung besserer Qualitäten selbst notwendig.
Sehr häufig ist bei uns die Verwendung von Samen aus Rußland (Rigaer). Wo die eigne Samenzucht gebräuchlich
ist, so in Sachsen z. B., baut man gewöhnlich den Bedarf für die nächsten 3 Jahre auf
einmal. Die mit F. bestandenen Felder müssen vom Unkraut sorgfältigst gereinigt werden.
Das Ziehen oder Raufen des F. erfolgt, wenn es sich um Samenzucht handelt, zu der Zeit, wo die Kapseln sich zu bräunen anfangen, bei den zur Bastgewinnung bestimmten Pflanzen aber im noch grünen Zustande, sobald am Stengel die unteren Blättchen abfallen. Der Same ist dann noch nicht völlig ausgereift und zur Aussaat nicht, wohl aber zur Ölgewinnung brauchbar. Den richtigen Zeitpunkt der Ernte zu treffen ist wichtig, da zu frühes Ziehen zwar feine aber haltlose Fasern gibt, während die überreife Faser, da sie starr und brüchig geworden, auch wieder an Qualität verloren hat.
Die gerauften Flachs
stengel werden gewöhnlich in mäßige Bündel gebunden und auf dem Felde aufgestellt, bis sie völlig
lufttrocken sind. Durch Riffeln, d. h. Durchziehen durch eine Reihe aufrecht
stehender eiserner Zinken streift man die Samenknoten ab, und bringt das Stroh entweder sogleich oder im nächsten Frühjahr
zur Röste. Die nutzbare Faser bildet den Bast des Flachs
stengels, welcher den mehr holzigen inneren Kern umgibt und wieder
von der äußeren Rindenhaut umschlossen wird.
Diese sämtlichen Teile sind durch Pflanzenleim fest mit einander verbunden, dessen Zerstörung durch Fäulnis, Verwesung oder Auflösung Zweck aller Röstverfahren ist, weil dann erst die Bastfaser, welche jenen zerstörenden Einflüssen am längsten zu widerstehen vermag, von der übrigen Stengelmasse abgesondert werden kann. Die gewöhnlichste Art des Röstens ist die Wasserröste, wozu am besten fließendes, jedenfalls weiches Wasser benutzt wird. Im gewöhnlichen ländlichen Betriebe pflegt diese ¶
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Prozedur in sehr einfacher Weise so zu geschehen, daß die Flachs
bündel in seichte Gewässer, Flüsse, Bäche, Teiche eingelegt
und durch Steine unter der Oberfläche gehalten werden. Bei rationellerem Betriebe hat man bessere Vorrichtungen, so namentlich
in Belgien und Holland gemauerte Gruben, in welche die Bündel eingestellt und unter Wasser gesetzt werden,
das nach Erfordern gewechselt wird. Die Röste ist je nach der Witterung in 8-12 Tagen vollendet. Die dabei stattfindende
Gärung der leimartigen Bestandteile entwickelt eine Menge stinkender, gesundheitswidriger Gase; das Röstwasser färbt sich
von gelösten Stoffen mehr oder weniger braun, und diese Färbung nimmt auch die Faser an. Der Fortgang
der Röste ist genau zu überwachen, da leicht eine Überröstung eintreten kann.
Sie wird beendet und die Stengelmasse getrocknet, wenn die Faser leicht losgeht und der holzige Teil beim Biegen wie Glas zerspringt. Auch die Tauröste, bei welcher die Halme einfach auf einem Stoppelfelde, damit sie nicht unmittelbar den Erdboden berühren, ausgebreitet und bei öfterem Wenden den Einflüssen der Witterung ausgesetzt werden, steht bei kleineren Mengen in Anwendung. Ist die Witterung zu trocken, so muß man freilich mit Begießen nachhelfen. Hier unterliegt die Pflanzenmasse einer mehr trocknen geruchloseren Verwesung und es kann eine Überröstung nicht so leicht eintreten, aber der Prozeß dauert immer mehrere Wochen und außerdem fehlt es der Röste auch an der gehörigen Gleichmäßigkeit.
Man verbindet zuweilen beide Methoden dergestalt, daß man erst die Wasserröste anwendet und dann bei annähernder Gare
mit der Tauröste schließt. Weit bequemer, zuverlässiger und rascher zum Ziele führend sind die in neuerer
Zeit angewandten Methoden, wobei die Auflockerung der Flachs
stengel durch warmes Wasser oder durch Dampf bewirkt wird. Bei
der am meisten in Aufnahme gekommenen Warmwasserröste wird das Wasser, in welches der F. in großen Behältern eingelegt
ist, durch eingelassenen Dampf allmälig, sodaß die Temperatur in der Stunde höchstens um einen Wärmegrad
zunimmt, auf 30-35° C. gebracht und in dieser Wärme erhalten.
Schon nach 60 oder bei hartem Wasser 90 Stunden ist die Röstung vollendet, bei welcher anfänglich aromatische Gerüche entweichen, während später Schwefelwasserstoffgas auftritt. Bei der Dampfröste treten die Dämpfe zu den in einen geschlossenen Behälter gebrachten Stengeln und entziehen denselben noch rascher alle löslichen Teile, welche an das sich durch Kondensation bildende Wasser übergehen und mit ihm eine braune Schlempe bilden, die zum Viehfutter gebraucht werden kann.
Natürlich eignen sich solche für Verarbeitung großer Massen berechnete Röstvorrichtungen nicht für einzelne kleine Wirte,
sondern haben ihren Platz in Flachs
bereitungsanstalten, die das Erzeugnis einer ganzen Gegend aufnehmen
und verarbeiten. Die geröstete Masse ist zunächst gut auszutrocknen, am besten in der heißen Sonne, sonst in Trockenstuben
bei gelinder Wärme, da eigentliche Hitze, wie wenn z. B. die Bauern sich dazu des Backofens
bedienen, die Haltbarkeit der
Faser bedeutend schädigt.
Das nachfolgende Brechen, wobei die Stengelmasse zerbröckelt wird und stückweise abfällt, geschieht
auf der bekannten Flachs
breche am unvorteilhaftesten, besser durch Schlagen der Stengel auf der Tenne mit dem sog.
Bockhammer, einem gestielten Klotz, der auf der Schlagfläche riffelartig geschnitten ist. In den mit Maschinen arbeitenden
Flachs
bereitungsanstalten geschieht das Brechen dadurch, daß man die Stengel durch geriffelte Walzenpaare
laufen läßt.
Das nachfolgende Schwingen bezweckt das Abschlagen der noch anhängenden Stengelbruchstücke, deren letzte Reste nachgehends durch das Hecheln entfernt werden. Hierbei sondern sich auch die zu kurzen Fasern als Hede oder Werg ab, während die längeren, die häufig noch zu mehreren bandförmig zusammenhängen, aus dieser Verbindung gelöst und vereinzelt werden. Das Hecheln ist jetzt noch vielfach Handarbeit und zwar solche, die wie das Schwingen Übung und Umsicht erfordert. In fabrikmäßigen Anstalten gibt es für Schwingen und Hecheln Maschinen, die aber gute Handarbeit nicht ersetzen können; sie empfehlen sich aber durch Mehrarbeit.
Die Schwingmaschine liefert nur die Schläge, während das Anhalten und Wenden des Flachses
durch Arbeiter
geschieht. Je länger das Hecheln fortgesetzt wird, um so feinerer F. wird erhalten, aber natürlich auch um so mehr Abfall
an Werg. Durchschnittlich geben 100 kg lufttrockne Flachsstengel 9-10 kg Reinflachs, 12-15 kg Werg und 75-80 kg Abfall. Das
aus den kurzen und verwirrten Fasern bestehende Werg ist ein ebenfalls nutzbares Nebenprodukt, das zu
Garn versponnen wird, wobei es aber gleich der Baumwolle erst gekratzt oder kardiert werden muß. (Weiteres s. Leinengarn,
Leinenwaren.) Übrigens steigt der Wert des Flachses mit seiner Länge, und gute Ware darf nicht viel Fasern enthalten, die
nur 300 mm lang sind.
Auf die bessere Haltbarkeit des Flachses in Vergleich mit Baumwolle läßt sich schon aus der mikroskopischen Betrachtung
desselben schließen: die Flachsfaser hat nur eine sehr feine innere Höhlung, also eine stärkere
Wandung, in deren Folge
sie sich rund erhält, indes die Baumwollfaser infolge ihrer größeren Hohlheit beim Trocknen zu einem
flachen Bande zusammenfällt. Die mikroskopische Prüfung eines Leinengewebes, in welchem Baumwolle vermutet wird, bleibt auch
unter den zahlreich vorgeschlagenen Erkennungsmitteln immer das sicherste. -
Unter den flachsbauenden Ländern steht Rußland hinsichtlich der Menge seines Erzeugnisses und seiner Ausfuhr so entschieden obenan, daß die russischen Preise für den ganzen Markt maßgebend sind. Das Erzeugnis Irlands mit dem weniger bedeutenden von Schottland und England wird nicht allein von der englischen Fabrikation völlig aufgebraucht, sondern dazu noch große Mengen von auswärts (Rußland, Preußen, Belgien, Holland) bezogen. Die eigentlichen Ausfuhrländer für F. sind Rußland, Polen, die preußischen Ostseeprovinzen, Italien, da die anderwärts gewonnenen Erträge fast ganz dem inländischen Bedarfe dienen und ihn oft selbst nicht völlig decken. Dies ¶