Titel
Fische.
[* 2] Eine vergleichende Untersuchung der verschiedenartigen Schuppenbedeckung der Fische
führt zu dem
Resultat, daß
sowohl die in
Plakoid- und Ganoidschuppen als auch die in
Cykloid- (Rund-) und
Ktenoid-
(Zahn-)
Schuppen unterschiedenen
typischen
Schuppen der
Knochenfische wenigstens zum Teil homologe
Bildungen sind. Die Plakoidschuppen, aus welchen sich durch
Verschmelzung mehr oder minder umfangreicher
Gruppen von
Schuppen die großen Hautschilde der
Ganoiden herleiten, bestehen ihrem
Bau und ihrer
Entwickelung nach aus drei verschiedenen Teilen:
1) dem aus dem Epithel abstammenden Schmelz, 2) dem aus einer unmittelbar ¶
mehr
unter dem Epithel liegenden Cutispapille gebildeten Dentin, 3) der aus den tiefern Schichten der Cutis stammenden Basalplatte. Im Bau der Zahn- und Rundschuppen, der Teleostier-Schuppen, lassen sich unterscheiden:
1) eine auf der Oberseite der Schuppen liegende, kurzweg als Deckschicht bezeichnete Schicht und 2) ein System darunterliegender, in ihrem Bau übereinstimmender Lamellen, welche Hofer als Basallamellen und in ihrer Gesamtheit als Basalplatte bezeichnet. Da die Cykloid- und Ktenoidschuppen niemals Schmelz besitzen, sind sie also nur einem Teil der Plakoidschuppen homolog, und zwar entspricht die aus zartem Hyalodentin bestehende Deckschicht der Cykloid-Ktenoidschuppen dem Dentin der Plakoidschuppen, die Basalplatte ersterer der Basalplatte letzterer.
Diese Homologie erhält ihre Begründung durch die Entwickelungsgeschichte: [* 4] in allen Schuppen entsteht das Dentin aus homologen Cutispapillen, und ebenfalls in allen Schuppen entsteht die Basalplatte aus dem geschichteten Teil der Cutis. Was das stammesgeschichtliche Verhältnis der Cykloid- und Ktenoidschuppen unter sich anbelangt, so ist die Cykloidschuppe die phyletisch ältere Bildung, und aus ihr hat sich erst die Ktenoidschuppe differenziert. Die Ktenoidschuppe legt sich zuerst cykloid an, und die Dornen des Hinterrandes treten erst später als besondere Modifikationen der Deckschicht, nicht aber selbständig auf.
Die Entwickelung beider Schuppenarten beginnt prinzipiell in der gleichen Art und Weise; die ersten Zeichen der beginnenden Schuppenbildung machen sich in der Cutis bemerkbar, und zwar in der obersten Lage der Cutis, unmittelbar unter dem Epithel, in der Art, daß zunächst eine lebhaftere Zellteilung der Cutiszellen stattfindet, die an bestimmten Stellen zur Bildung von Cutispapillen führt; zugleich verändern sich die unmittelbar darüber gelegenen Epithelzellen in der Weise, daß sie cylinderförmig werden und eine deutlich entwickelte Schmelzmembran repräsentieren, wie sie von der Bildung der Plakoidschuppen bekannt. Im weitern Verlauf aber bildet sich diese Schmelzmembran wieder zurück zu gewöhnlichen Epithelzellen, ohne jemals Schmelz auszuscheiden, so daß diese Bildung nur als rudimentäres Organ anzusehen ist; sein Auftreten in der Entwickelungsgeschichte der Cykloid- und Ktenoidschuppen beweist die Abstammung dieser von den Plankoidschuppen.
Die Cutispapillen dagegen bilden sich scheibenförmig um, und diese Scheibe beginnt sich zugleich an ihrem Hinterende etwas zu heben als erste Andeutung der spätern dachziegelförmigen Anordnung der Schuppen. Indem nun in der Mitte der Scheibe eine zarte, außerordentlich feine Lage einer homogenen Substanz des Hyalodentins auftritt, findet eine Scheidung der die Scheibe bildenden Cutiselemente statt, und es bildet sich nach oben zu die Deckschicht, nach unten hin die Basalschicht aus; erst hier tritt dann eine Scheidung in der Bildung der Cykloid- und Ktenoidschuppen ein. Daß die Ktenoidsich nach der Cykloidschuppe entwickelt, wird auch bestätigt durch die häufig zu beobachtende Thatsache von Rückschlägen der Ktenoid- in Cykloidschuppen, z. B. beim Barsch, während das Gegenteil nicht vorkommt. (Hofer, im »Sitzungsbericht der Münchener Gesellschaft für Morphologie« 1890/91.)
Bei den Haifischen kennt man schon seit längerer Zeit ein eigentümliches Verhalten, welches mit ihrer niedern Organisationsstufe zusammenzuhängen scheint. Alle Organe der Haifische und Rochen erweisen sich nämlich, wie Städeler und Frerichs bereits 1858 beobachteten, ungewöhnlich reich an Harnstoff,
jenem Zersetzungsprodukt, welches bei höhern Tieren schnellstens aus dem Kreislauf [* 5] ausgeschieden wird, und wenn dies nicht geschieht, schwere Störungen hervorbringt. W. v. Schröder, der diese Untersuchungen in neuerer Zeit am Katzenhai wiederholte, fand im Mittel das Blut desselben so reich an Harnstoff wie den menschlichen Urin; die Muskeln, [* 6] welche bei höhern Tieren fast ganz frei von Harnstoff sind, enthielten 1,95 Proz. und die Leber 1,36 Proz. Harnstoff. Da diese Befunde keinen Aufschluß über den Ort der Harnstoffbildung im Körper geben und der Genannte früher gefunden hatte, daß die Leber diesen Körper bildet, so entfernte er bei mehreren Katzenhaien die Leber und bestimmte während der Lebensdauer der Versuchstiere den Harnstoffgehalt der Muskeln. Es ergab sich aber im Vergleich zu andern Tieren nur eine so geringe Abnahme, daß man der Leber einen Einfluß nicht zuschreiben kann und wahrscheinlich die Trägheit der Niere, welche sonst die Abscheidung bewirkt, verantwortlich machen muß. Es spricht indessen für die geringe Erhebung der Organisation, daß diese Anhäufung eines Abfallstoffes in Blut und Geweben nicht schädigend einwirkt.
Über die Funktion der Schwimmblase bei den Fischen hat O. Liebreich einige gelegentliche Studien gemacht und gefunden, daß deren Thätigkeit beim Schwimmen völlig dem Prinzip des kartesianischen Tauchers entspricht, mit dem Unterschiede, daß der äußere Druck, welcher den Taucher zum Sinken bringt, beim Fisch auch durch Muskelzusammenziehung willkürlich geleistet werden kann, wenn die Höhe der Wassersäule nicht ausreicht, dem Fisch das für alle Schwimmbewegungen förderliche spezifische Gewicht =1 durch Zusammendrückung der Schwimmblasenluft zu erteilen.
In der Tiefe des Druckgleichgewichts, wo er so schwer wie das Wasser ist, wird er darum am bequemsten schwimmen, weil er dort weder von seiner Körperschwere nach unten, noch von der eingeschlossenen Luft nach oben gezogen wird; aber auch oberhalb dieser Ebene, wo er etwas leichter ist als das Wasser, wird er bequem zu schwimmen im stande sein, da er den Auftrieb [* 7] durch Zusammendrückender Schwimmblase leicht ausgleichen kann. Liebreich nennt den Raum, den das Wasser bis zu dieser Tiefe einnimmt, die Hydrosphäre des Fisches. In derselben wird er sich um so bequemer bewegen, je mehr er sich der Gleichgewichtsebene nähert. Aber auch oberhalb derselben kann er seinen Körper durch Zusammenpressen schwer genug machen, um sich in allen Höhen seiner Hydrosphäre beliebig lange schwebend zu erhalten.
Fritsch hat seine Studien über die elektrischen in jüngster Zeit an den Arten der Nilaales (Mormyrus) fortgesetzt.
Von diesen Fischen weiß man überhaupt erst seit 1881 mit Sicherheit, daß sie zur Gruppe der elektrischen Fische
gehören, während
man bis dahin nur den Zitterrochen
[* 8] (Torpedo), Zitterwels (Malapterurus), Zitteraal (Gymnotus electricus) und den gemeinen Rochen
hierher zählte. Als Fritsch damals in El-Mansura (Ägypten)
[* 9] weilte, brachte ihm, während er sich gerade
zur Abreise rüstete, ein arabischer Fischer den Nilaal (Mormyrus oxyrhynchus), einen von den alten Ägyptern verehrten und
auf ihren Denkmälern häufig dargestellten Nilfisch. Zufällig berührte ein befreundeter Kaufmann denselben und glaubte dabei
etwas wie einen schwachen elektrischen Schlag zu verspüren, was dann wiederholt auch von Fritsch selbst
erprobt wurde. Dabei stellte sich zweierlei heraus, einmal, daß der elektrische Schlag des Nilaales von sehr geringer Kraft
[* 10]
¶
mehr
ist, sodann daß der Schlag nur dann gut auszulösen ist, wenn man die beiden Finger genau den beiden Polen der horizontalen, aus Platten aufgebauten elektrischen Säulen [* 12] zu beiden Seiten des Schwanzes anlegt. Aus diesem Verhalten wird verständlich, daß die elektrische Natur des Nilaales so lange Zeit unbekannt bleiben konnte, obwohl man schon lange an ihm ein Gebilde kannte, das den elektrischen Organen der Zitterfische in seinem anatomischen Bau entspricht. Man hatte es als pseudoelektrisch, als den Anfang der Umbildung einer Muskelpartie zu einem elektrischen Organ und den Nilaal als »pseudoelektrischen Fisch« bezeichnet.
Nur vereinzelt, so von Babuchin aus Moskau, [* 13] war (1877) darauf hingewiesen worden, daß man doch durch die Zuckungen eines Krötenschenkels (der in Ermangelung eines Froschpräparats angewandt werden mußte) elektrische Ströme an diesem wie an dem ähnlichen, ebenfalls als pseudoelektrisch bezeichneten Schwanze des Zitterrochens nachweisen könnte, daß es somit wirkliche pseudoelektrische Organe gar nicht gäbe, sondern nur stärker und schwächer elektrische.
Bei dem nahe verwandten Nilkarpfen (Mormyrus cyprinoides) konnte Babuch in indessen auch keine schwachen Ströme feststellen. Um diese Fragen zur Entscheidung zu bringen, begab sich Fritsch im Winter 1891 von neuem nach Ägypten, namentlich um die Richtung des elektrischen Schlages beim Nilaal festzustellen. Bezüglich dieser Richtung hatte Pacini gefunden, daß zwischen den Nervenendigungen im elektrischen Organ und der Schlagrichtung bestimmte Beziehungen bestehen, in der Art, daß die Fläche der elektrischen Platten, in welche sich die Nervenendigungen versenken, im Augenblick des Schlages negativ, die andre positiv elektrisch wird.
Nur bei einer Art der elektrischen Fische
, dem ebenfalls im Nil vorkommenden Zitterwels, stellte sich eine
Ausnahme von dieser Pacinischen Regel heraus, bei dem Nilaal aber bewährt sich, wie Fritsch nunmehr bei seinen zu Kafr ez Sayat
im Nildelta angestellten Versuchen festgestellt hat, die Pacinische Regel. Als Hilfsmittel für diese Feststellung diente ihm
ein von Du Bois-Renmond gefertigter Multiplikator von 41,000 Windungen, der historisches Interesse besitzt,
sofern schon Johannes Müller damit seine Studien am gemeinen Rochen betrieben hat.
Den Einfluß der Nahrung auf die Körperform zeigt bei den Fischen in bemerkenswerter Weise der Gründling (Gobio), von dem wir in unsern süßen Gewässern eine Art mit in die Länge gezogenem Kopf und längern Bartfäden (Gobio fluviatilis Cuv. Val.) und eine kurzschnauzige Art (Gobio obtusirostris Agass.) unterscheiden. Knauthe fand bei jahrelang fortgesetzten Versuchen, daß sich aus dem Laich der kurzschnauzigen Art, wenn die ausgeschlüpften Tiere in sehr nahrungsarmen Teichen zum Aufwuchs gelangten, in überwiegender Zahl langschnauzige Tiere entwickelten; in einem Fall entstanden sogar 85 Proz. der langschnauzigen Form; der Rest verhielt sich in der Mitte zwischen Gobio fluviatilis Cuv. Val. und obtusirostris Agass., nur 3-5 Proz., und zwar die allerkräftigsten Fischchen arteten den Eltern nach und wurden echte G. obtusirostris. Brut und Laich der kurzschnauzigen Gründlinge, in etwas nahrungsreichere Gewässer gebracht, entwickelten sich dergestalt, daß die größern und kräftigern Individuen die Form der Eltern (obtusirostris), die kleinern dagegen mehr oder minder deutlich die langschnauzige annahmen. Versuche endlich, die mit der Brut Gobio fluviatilis, des Gründlinges mit sehr langgezogenem Kopf, in einem ungemein nahrungsreichen
Tümpel angestellt wurden, führten zu dem Resultat, daß bei 70-80 Proz. von den Fischen der Kopf breit und kurz wurde (obtusirostis). Die Experimente erinnern an die durch Nathusius und Nehring bekannt gewordene Thatsache, wonach bei Schweinen eine in der Jugend reichlich verabreichte Nahrung danach strebt, den Kopf der Tiere breiter und kürzer zu machen, während kärgliche Nahrung das entgegengesetzte Resultat erzeugt (»Zool. Anz.« 1891).
Unter den Schmarotzern und Parasiten, von denen die Fische zu leiden haben, sind als besonders gefährlich bestimmte, zu den Protozoen gehörige Organismen erkannt worden die sogen. Sporidien, die die Sporidieninfektionen erzeugen. Solche Sporidien sind gefunden worden in den Epithelkernen der Harnblase des Hechtes, in den Blutkörperchen [* 14] des Hechtes, in der Schwimmblase der Schleie, in den Muskeln der Meergrundel, des Stichlinges, der Sardine, in den Flossenmuskelzellen der Seenadel und in andern Fischen. Am verheerendsten ist die Sporidieninfektion bei der Barbe aufgetreten. In Deutschland [* 15] ist die Seuche der Barben konstatiert in den Flußgebieten des Rheins, der Mosel, der Saar, in Frankreich in der Seine, Marne und Aisne; nach den Jahrgängen ist die Heftigkeit der Krankheit wechselnd, in manchen Jahren hat sie zu einem großartigen Fischsterben geführt.
Die von der Krankheit befallenen Fische taumeln an der Oberfläche des Wassers, als wären sie mit Kockelskörnern vergiftet. Äußerlich macht sich die Krankheit der Barben bemerklich durch mißfarbige Schwellungen der Haut [* 16] und durch tiefe, kraterartige Geschwüre, die am Kopf, am Rumpf und am Schwanz sich tief in den Körper erstrecken. Die Beulen sind durchschnittlich walnußgroß, erreichen aber eine Länge bis 5 cm und werden bis 2 cm dick; durch ihren Aufbruch bilden sie kraterartige, blutgeränderte Geschwüre.
Diese sind sämtlich erfüllt von einer gelben, bald mehr käsigen, bald mehr eiterartigen Masse, die sich unter dem Mikroskop [* 17] als der Hauptsache nach aus Psorospermien bestehend erweist; außerdem wimmelt es in diesen Geschwüren von großen, beweglichen Bacillen. Die Sporen, d. h. die Fortpflanzungskörper des in der Barbe schmarotzenden Organismus, erscheinen als linsenförmige, glänzende Körperchen, deren Durchmesser rund 0,01 mm beträgt. Jede Spore besitzt einen in Spiralwindungen aufgerollten Faden, [* 18] der an dem spitzen Pol der Spore herausgeschleudert werden kann, dabei aber mit seinem einen Ende an der Spore befestigt bleibt; der ausgetriebene Faden erreicht an Länge den vier- bis fünffachen Durchmesser der Spore.
Wahrscheinlich dient der Faden dazu, um die aus den ausgebrochenen Beulen der Fische ins Wasser gelangten Sporen an fremde Gegenstände, besonders wohl Fische, zu befestigen. Das weitere Schicksal der Spore, der aus ihr entstehenden schmarotzenden Organismus und somit die Art und Weise der Infektion der Barben ist noch völlig unbekannt. Bemerkenswert ist, daß bei der Barbe nur die Muskeln an dieser Sporeninfektion erkranken; Leber, Milz, Ovarien, Eier, [* 19] Kiemen 2c. finden sich frei. An der Schleie findet sich eine Sporidienkrankheit mit ganz genau der gleichen Spore, hier aber in der Gallenblase, Schwimmblase, Milz und in Anhängseln der großen Arterien. Auch andre Parasiten, besonders Würmer, [* 20] sowohl im geschlechtsreifen Zustand (Fadenwürmer) als auch eingekapselte Larven (Bandwürmer), finden sich sehr zahlreich in Fischen. Von besonderm Interesse ist die Parasitenfauna der Wanderfische, da sie sich zum ¶