Titel
Finnen
,
in ihrer eigenen
Sprache
[* 2]
Suomalainen (Plur. Suomalaiset), in russ.
Chroniken
Tschudj
(Tschuden) genannt, sind in
engerer Bedeutung ein in der Nordwestecke des europ.
Rußlands, in den Gouvernements
Archangel,
Olonez, St.
Petersburg,
[* 3] strichweise
auch Nowgorod und
Twer ebenso wie auch im nördl.
Norwegen,
[* 4] besonders aber in dem Großfürstentum
Finland
(s. d.) wohnendes
Volk. In weiterer Bedeutung bezeichnen ältere Forscher mit dem
Namen Finnen
einen der vier Hauptzweige des sog.
ural-altaischen
Völker- und
Sprachstammes.
Asien. Fluß- und Gebir

* 5
Asien.Dieser Stamm war früher und ist zum großen Teil noch gegenwärtig über das ganze nordwestl. Asien [* 5] und Nordeuropa, in Europa [* 6] auch weiter nach Süden hinab verbreitet und teilt sich nach den Forschungen Castréns in vier Zweige oder Völkerfamilien: die tungusische, türkische, samojedische und ugro-finnische oder uralisch-finnische. Die ugro-finnische Familie, die westlichste, bildet noch jetzt die Bevölkerung von Nordeuropa und dem nordwestl. Asien und nimmt selbst einen Teil von Skandinavien ein.
Sie umfaßt wiederum vier besondere Völkergruppen:
1) die ugrischen Finnen
, zu denen die Ostjaken (in
Asien), die Wogulen (in
Asien) und die Magyaren gehören;
2) die bulgarischen oder wolgaischen Finnen
, aus den
Tscheremissen und
Mordwinen bestehend, den Überresten der sog. Wolga-Bulgaren;
3) die permischen Finnen
, durch die Permier,
Syrjanen und Wotjaken gebildet; endlich 4) die Gruppe der baltischen
Finnen.
Zu letzterer gehören die eigentlichen Finnen, welche hauptsächlich in
Finland wohnen und hier (1890) 2048
000
Köpfe stark
sind. Sie zerfallen wiederum in zwei Hauptstämme, die Tawaster (Hämäläiset) im südwestlichen, und die Karelier (Karjalaiset)
im östl.
Teile
Finlands. Gegen 290
000 Karelier wohnen in den angrenzenden russ. Gouvernements;
als Zweige derselben sind auch die Ayrämöiset (29350), die Sawakot (42950) und die Ingern (17800) im russ. Gouvernement Petersburg zu betrachten;
Russische Ostseeprovin

* 7
Esthland. ferner die
Esthen in
Esthland
[* 7] und Livland sowie in den angrenzenden russ. Gouvernements
Witebsk,
Pskow und
Petersburg, zusammen etwa 850000
Köpfe;
die Tschuden (im engern Sinne) in den Gouvernements Olonez und Nowgorod (zusammen nur etwa 15600 Köpfe);
die Woten im Gouvernement Petersburg (5150 Köpfe);
der geringe Rest der Liven im nördl. Kurland (gegen 2100 Köpfe) und die Lappen im russ. Gouvernement Archangel (6000) und den nördl. Teilen Finlands (600), Schwedens (7000) und Norwegens (16000).
Licht

* 8
Licht. Der finn. Volksstamm kam, obgleich ein uraltes
Volk, das in seinen Monumenten (Grabmälern im südl.
Sibirien,
Tschudenschürfen bei Jekaterinburg und Werchoturije, Tschudenhütten in der
Tundra) sich vom
Altai über den
Ural bis zum
Weißen
Meere hinauf verfolgen läßt, erst spät in Verkehr und Berührung mit den histor. Völkern.
Tacitus erwähnt die Fenni
als ein
Volk in Osteuropa.
Über die frühesten Wohnsitze und Wanderungen des finn. Volksstammes können nur die
Sprachwissenschaft
und das
Studium der Ortsnamen einiges Licht
[* 8] werfen.
Danach scheinen die Gegenden im mittlern
Rußland, wo noch die den Finnen
zunächst
verwandten
Mordwinen ihre Wohnsitze haben, in alten
Zeiten die
Heimat der eigentlichen Finnen
zu sein, von wo
aus sie später das Großfürstentum
Finland (ungefähr im 8. Jahrh.) und
Esthland sowie zeitweise auch die Dwinamündungen
kolonisierten.
Die Finnen
, hier und da vermischt mit Lappen,
Schweden und
Russen, sind von kräftigem Körperbau, mittlerer
Statur, etwas eckiger,
brachycephaler Schädelbildung und plattem
Gesicht
[* 9] mit hervortretenden
Backenknochen. Das in der
Jugend
hellblonde
Haar
[* 10] geht später in ein
Braun über. Der
Bart ist dünn, die
Augen meist dunkelgrau, die
Gesichtsfarbe fahl, oft gelblich.
Der tawastländische
Typus zeigte diese Züge viel ausgeprägter als der schlankere und elegantere karelische.
Bei dem eigentlichen Finnen
zeigt sich viel Ehrlichkeit, Gastfreundschaft,
Treue, Tapferkeit, Standhaftigkeit
und Arbeitsamkeit, dagegen ist er verschlossen und schweigsam, wenig beweglich und unternehmend; er ist seinem Wesen nach
mißtrauisch, ausdauernd in seiner Rachgier, aber doch jähzornig. Die Religiosität des
Volks spricht sich kräftig aus,
aber ein Hinneigen zum
Aberglauben und Sektenwesen ist vielfach bemerkbar. An Geistesanlagen fehlt es den
Finnen
keineswegs, und insbesondere zeigen die baltischen Finnen eine starke Neigung zur
Poesie sowohl epischer wie lyrischer Gattung.
Die eigentlichen Finnen
und auch die
Esthen besitzen eine reiche und schöne Volkspoesie. (S.
Finnische Sprache und Litteratur.)
Ethnographische Karte.

* 11
Ethnographie. Unter den Beiträgen zur Ethnographie
[* 11] des finn. Völkerstammes sind vor allem die
Schriften von Sjögren
(s. d.) und
Castrén (s. d.), Erdmanns Beiträge zur Kenntnis des Innern von
Rußland (2 Bde.,
Riga
[* 12] und Lpz. 1822-26) und J.
H. ^[oder :
I. H. Richtig: Finnen
H. - Ferdinand
Heinrich]
Müller, Der ugrische Volksstamm (2 Bde., Berl.
1837-39) hervorzuheben.
Über die kraniologische Seite vgl. Retzius, Finska kranier (Stockb.
1878); Hällsten, Crânes des peuples finnois
(Helsingfors); das kulturhistor.
Moment betreffend: Ahlqvist, Die Kulturwörter
der westfinn.
Sprachen (ebd. 1874).