Fichtelgebirge
(lat.
Mons
[* 2] pinifer, im Volksmund
Fichtelberg),
Gebirge in Mitteldeutschland, nach seiner einst dichten
Fichtenwaldung genannt, war schon den ältern Geographen merkwürdig als Hauptwasserscheideknoten im
Herzen
Deutschlands.
[* 3] Nach vier
Weltgegenden, drei großen
Strömen und zwei
Meeren entsendet das Fichtelgebirge
seine Gewässer. Vom
Umfang eines einzigen Bergstockes,
des
Schneebergs, fließt südlich die
Nab durch die
Donau ins
Schwarze Meer, westwärts der
Weiße
Main durch den
Rhein zur
Nordsee,
ostwärts die
Eger
[* 4] durch die
Elbe ebendahin, während die
Quelle
[* 5] eines der Zuflüsse der
Elbe, die der
Thüringischen
Saale, nur 7 km weiter nördlich entspringt.
Ebenso wichtig ist das Fichtelgebirge
als Gebirgsknoten des hercynischen
Systems, weniger durch seine
Höhe als durch seine
Stellung zwischen
dem
Böhmerwald im SO., dem
Franken und
Thüringer Wald im
NW., dem
Erzgebirge im
NO. und dem
Deutschen
Jura
im SO. Die nordöstliche
Richtung der gestaltenden
Kräfte, wie sie im
Erzgebirge herrscht, ist aber so überwiegend, daß die
Haupthöhenzüge und viele
Thäler derselben folgen und von
SW. nach
NO. verlaufen, während nur der südwestliche Außenrand
durch die
Hebung
[* 6] jüngerer Sedimentbildungen bestimmt ist und parallel mit
Thüringer Wald und
Böhmerwald
von SO. nach
NW. streicht.
Die
Grenzen
[* 7] des Fichtelgeb
irges werden sehr verschieden gezogen; wir beschränken uns hier auf das ausgedehnte Urgebirgsland,
welches sich in Gestalt eines
Vierecks zwischen
Waldeck
[* 8] bei
Kemnath im S.,
Berneck im W.,
Rehau im N. und
Eger im O. ausbreitet,
und lassen das nordwestlich daran sich anschließende Hochplateau des
Frankenwaldes (s. d.), welches das
Fichtelgebirge
mit dem
Thüringer Wald verbindet, ebenso das
Plateau nördlich von
Hof
[* 9] als vogtländisches
Hochland (s.
Vogtland) und im
NO.
das
Elstergebirge als Übergang zum
Erzgebirge unberücksichtigt. In dieser beschränkten
Ausdehnung
[* 10] mißt das
Gebirge von
SW.
nach
NO. und von SO. nach
NW. 38 km; die
Grundfläche beträgt gegen 990 qkm (18 QM.). Nach
SW. ist die Begrenzung
scharf, dort fällt das
Gebirge rasch, an den steilen Gehängen mit
Busch- und Nadelwald bedeckt, zu saftigen Wiesgründen
ab, die von
Berneck bis
Kemnath den Gebirgsfuß von dem reich angebauten Hügelland im S. trennen, jenseit
dessen sich das fränkische Juraplateau erhebt. Im SO. bildet die
Nab-Wondreb-Ebene (zwischen
Tirschenreuth und
Mitterteich),
durch welche die Wondreb nach N. zur
Eger, die Waldnab in entgegengesetzter
Richtung
¶
mehr
abfließt, die Grenze gegen den nördlichen Teil des Böhmerwaldes, den sogen. Oberpfälzer Wald. Um das Fichtelgebirge
herum liegen im Flußniveau
die Orte Baireuth
[* 12] 341, Neuenmarkt 350, Münchberg 537, Rehau 520, Eger 412, Mitterteich 520 und Kemnath 473 m ü. M. Des Ölsnitzthal,
streckenweise auch das Saalthal verlaufen längs einer merkwürdigen Naturgrenze, welche das eigentliche
Fichtelgebirge
von dem nordwestlichen niedrigen Gneisplateau von Münchberg trennt. Dieses, oft noch zum Fichtelgebirge
gerechnet, aber äußerlich
mehr mit dem Frankenwald zusammenhängend, ist ein wellenförmiges Hochland von nur 550 m mittlerer Höhe und mit wenigen Kuppen
über 700 m (Weißenstein über Stambach 712 m). Wie einst die Leipzig-Nürnberger Straße über diese kalte
Hochebene führte, so nimmt gegenwärtig die Eisenbahn ihren Weg hinüber, indem sie aus dem Saalthal von Hof nach Neuenmarkt
im Maingebiet führt.
Auf dieser Eisenbahnlinie, von Schwarzenbach bis Markt-Schorgast, erblickt der Reisende zu seiner Linken, im O., eine hohe, waldige Gebirgskette mit einzelnen höhern Bergen; [* 13] es sind die Höhen des Großen (830 m) und Kleinen Kornbergs, dann der Zug des Epprechtsteins (817 m), des Kleinen und des in seiner höchsten Klippe 890 m erreichenden Großen Waldsteins. Der lange Rücken der Hohen Heide, welche das Südwestende des Zugs bildet, legt sich vor die höchsten Höhen des Gebirges, den Schneeberg im N. (1055 m) und den gewölbten Ochsenkopf (1016 m) im S., und setzt sie in Verbindung mit jener von NO. nach SW. streichenden Gebirgskette des Waldsteins.
Letztere bildet die Nordwestseite eines Gebirgsvierecks, welches das Quellgebiet der Eger im Innern umschließt. Schneeberg und Ochsenkopf gehören der Südwestbegrenzung dieses innern Kessels an; die tiefe Schlucht der Seelohe, welche beide Hochgipfel voneinander scheidet, enthält den Fichtelsee (779 m), ein Torfmoor, dessen schwankende Decke [* 14] bei trockner Zeit ohne Gefahr zu überschreiten ist, und aus dem Main und Fichtelnab Wasser empfangen. An der südwestlichen Innenseite jenes Kessels setzt der Zug des Schneebergs in einer Reihe steil ins Nabthal abfallender granitischer, auf ihren Höhen klippen- und trümmerreicher Waldberge, des Nußhardt (972 m), der Farnleite (970 m), des Plattenbergs (820 m) und der Hohen Matze (831 m), fort; durch einen flachen Bergsattel mit der Hohen Matze verbunden, springt die Kössein (942 m) in das Innere vor, die mit der Luchs- oder Luisenburg (789 m) zu Alexandersbad bei Wunsiedel abfällt, während der Rudolfstein (880 m) im N. als kurzer Vorsprung gegen Weißenstadt abstürzt.
Nach außen aber, vom Ochsenkopfgipfel westwärts, stufen sich die Waldhöhen rasch zum Fuß ab. An der Ostseite der Schlucht, durch welche die Fichtelnab aus dem Gebirge tritt, erhebt sich als südlicher Eckpfeiler der Steinwald, der noch bis zu 969 m ansteigt. In weiterer Fortsetzung nach NO. bilden die niedern Höhenzüge des Reichsforstes und Kohlwaldes (nur noch 700 m hoch) den Südostrand. Mit dem Liebensteiner Wald zum Egerland abfallend, folgt nördlich von dem felsigen Egerdurchbruch bei Hohenberg der Hengstberg (668 m), das Südostende des Selber Waldes, der nach NO. hin den Schluß des innern Kessellandes vollendet, dessen höchste Höhen beinahe 700 m erreichen, während sein mittleres Niveau fast 600 m beträgt (Weißenstadt liegt 630 m, Wunsiedel 531 m hoch).
Das Fichtelgebirge
besteht vorzugsweise aus Granit, Gneis, Glimmer- und Urthonschiefer und Basalt. Der Granit tritt in
zwei Gebieten auf: das eine, im Anschluß an den Granit des Oberpfälzer Waldes,
umfaßt in der südöstlichen Kette den Steinwald
und Reichsforst und ist vielfach von Basalt durchbrochen;
das andre erstreckt sich von Asch über Selb bis zur Eger und nach Weißenstadt, wo in demselben eine große Granitwarenfabrikation sich befindet, und auf die südwestliche Kette, die, vom Schneeberg bis zur Kössein, ebenso wie der benachbarte Ochsenkopf dem Granit angehört.
In der nordwestlichen Kette ist der Granit im Waldstein und Kornberg vertreten. Weit ausgebreitet sind die Trümmerhaufen im Gebiet des Granits, die nicht allein die Gehänge bedecken, sondern auch die Höhen überlagern und am großartigsten auf der Luchs- oder Luisenburg bei Alexandersbad erscheinen, hier durch Promenadenwege aufgeschlossen. Der Gneis ist nicht stark entwickelt. Er begrenzt in schmalen Zonen das Granitgebirge an der Eger u. füllt innerhalb des Granits das Becken von Wunsiedel bis Weißenstadt aus.
Außerhalb des eigentlichen Fichtelgebirges
liegt an der Nordseite das schon erwähnte Gneisgebiet von Münchberg, das sich
nördlich bis zur Steinach und nordöstlich beinahe bis Hof hinzieht. Ebenso ist der Glimmerschiefer nur wenig verbreitet, wogegen
das Gebiet des Urthonschiefers von besonderer Ausdehnung ist. An der Wondreb, unterhalb der Nab-Wondreb-Ebene,
tritt es vom Bärnauer Gebirge des Böhmerwaldes in das Gebiet des Fichtelgebirges
über; bei Eger ist es auf beiden Seiten
der Eger von Tertiärschichten (Oligocän) bedeckt.
Von hier reicht es einerseits nördlich in das Erzgebirge in Sachsen,
[* 15] anderseits nach W. in das innere Becken des Fichtelgebirges
hinein, wo es den Raum zwischen den beiden Granitzonen ausfüllt und sich durch die Lücke zwischen Steinwald und Kössein zur
Fichtelnab zieht, worauf es dann nach NW. den Ochsenkopf umgeht und mit der nordwestlichen Kette, deren Hauptpunkte aber, wie
schon gezeigt, Granit enthalten, sich an das gleichartige Gestein des Erzgebirges anschließt.
Mit diesem Gestein ist vorzüglich im W. und NW. ein glimmerschieferartiges verbunden; auch gehören hierher die Lager
[* 16] körnigen
Kalkes im Wunsiedler Ländchen, die durch ihren Reichtum an Brauneisenstein (bei Arzberg etc.) bekannt sind, ferner ein Lager
von Speckstein bei Göpfersgrün, nordöstlich von Wunsiedel. Rotliegendes in schmaler Zone begleitet das
Fichtelgebirge
im W., Basalte gibt es im Granit in der südöstlichen Kette und im Innern südlich von der Eger, Tertiärschichten (Oligocän)
zu beiden Seiten der Eger bei Eger, in einem Becken bei Redwitz, am Rande der Nab-Wondreb-Ebene etc. Außer Eisenerzen findet man,
wiewohl nur in geringer Menge, Zinnerze im Granit, Antimon im Urthonschiefer, Bleierze und Steinkohlen bei
Erbendorf. Neben Antimon führen die Thonschiefer bei Goldkronach auch Spuren von Gold,
[* 17] die früher bergmännisch gewonnen wurden
und eine Zeitlang das in den Ruf eines erzreichen Gebirges gebracht haben. Torf gibt es in großen Lagern, namentlich in den
Forstämtern Marktleuthen und Wunsiedel. Unter den Mineralquellen sind die Eisensäuerlinge zu Alexandersbad
am bekanntesten.
Die hohe Lage des Fichtelgebirges
bringt ein rauhes Gebirgsklima mit sich; in den höhern Teilen stellen sich schon Ende August
die ersten Reife ein, und oft fällt schon Ende September Schnee.
[* 18] Selten schmilzt dieser vor Anfang Mai von den Feldern
weg, und im Wald und zwischen den Felsklippen halten sich wohl bis Ende Juni noch Schneewehen. Noch um Johannis stellen sich
zuweilen Nachtfröste ein; nur August und September bringen schöne, warme Tage. Bei dem
¶
mehr
Reichtum des Gebirges an Wald und Sümpfen steigen häufige Nebel auf; umhüllen sie die Berggipfel, dann verkünden sie Regen.
Die leicht verwitternden Schiefer und besonders der zu Gneis zerfallende grobkörnige Granit liefern guten Waldboden, wenn auch der thonige Untergrund anderseits Ursache weitverbreiteter Moorbildung ist. Ausgedehnt, allerdings oft versumpft sind die Wiesen, während das Klima [* 20] den Feldbau fast nur auf Sommerfrüchte, Kartoffeln, Flachs, Futterkräuter etc. beschränkt; in den höchsten Lagen gedeihen nur Hafer [* 21] und Kartoffeln. Im Innern ist das Röslauthal der am meisten begünstigte Teil, dort gedeihen selbst Weizen und Obst. Reich ist der Wald an Heidel-, Preißel- und Wacholderbeeren, welche Gegenstände des Exports sind, wie das isländische Moos auf den Höhen des moos- und flechtenreichen Gebirges. Von Interesse ist die Verbreitung der deutschen Perlenmuschel im Quellgebiet des Weißen Mains, besonders in der Ölsnitz und in mehreren Seitenbächen der Saale, so in der Schwesnitz östlich von Rehau, Lamitz etc.
Gegenwärtig ist die ganze Bevölkerung
[* 22] des Fichtelgebirges
germanisiert; zahlreiche Orts-, Fluß-, Flur-
und Bergnamen beweisen aber die frühere weite Verbreitung wendischer Stämme und Sprache
[* 23] im F. (Redwitz, Ölsnitz, Lamitz, Selbitz
u. a.). Der größere Teil der Bevölkerung, die Bewohner des alten obergebirgischen Fürstentums Baireuth und die des österreichischen
Asch, ist protestantisch; was dagegen zu Bamberg
[* 24] im SW., zur Oberpfalz im S. und SO., zu Eger im O. gehört,
ist katholisch.
Der gegenwärtigen politischen Einteilung nach gehört der größte Teil zum bayrischen Regierungsbezirk Oberfranken, ein kleinerer
zum Regierungsbezirk Oberpfalz, der äußerste Osten zu Böhmen.
[* 25] Die Bevölkerung ist dicht; man rechnet über 80 Menschen auf 1 qkm.
Wenn auch vielfach eine rege industrielle Thätigkeit herrscht, Spinnerei und Weberei,
[* 26] Verarbeitung des Eisens, auch Glasfabrikation,
[* 27] Glasbäserei ^[richtig: Glasbläserei], Spiegelglasschleiferei und Knopffabrikation, so ist das Fichtelgebirge
doch
nicht in dem Maß Fabrikland wie das benachbarte Erzgebirge.
Viele Menschen ernährt die Arbeit im Wald (Holzhauen, Kohlenbrennen), die Ausbeutung der Marmor- und Kalklager,
im Granitgebiet der Kaolingruben und die Bearbeitung des Serpentins (Markt Leugast). Am meisten tritt Berg- und Hüttenbau gegen
früher zurück und beschränkt sich fast nur auf Eisen.
[* 28] Rings um das Gebirge herum führen Eisenbahnen; doch führt auch eine
Linie (Nürnberg-Eger) durch dasselbe, die sich bei Redwitz nach Hof verzweigt. Dieser Umstand trägt wesentlich
dazu bei, daß das Fichtelgebirge
seit neuerer Zeit einem regen Touristenverkehr geöffnet worden ist.
Vgl. Goldfuß und Bischof, Physikalisch-statistische
Beschreibung des Fichtelgebirges
(Nürnb. 1817, 2 Tle.);
Münnich, Das Fichtelgebirge
(Dresd. 1859);
»Bavaria«, Bd. 3, 1. Abt. (Münch. 1865);
Zapf, Der Sagenkreis des Fichtelgebirges
(Hof 1874);
Gümbel, Geognostische Beschreibung des Fichtelgebirges und Frankenwaldes (mit Atlas, [* 29] Gotha [* 30] 1879);
»Reiseführer« von Ruchdeschel, Körber, Pertsch (Wunsiedel 1881), Horn (Berl. 1882) u. a.