Fichte.
[* 2] Die Omorikafichte
(Picea Omorica Panc.), ein hoher
Baum mit graugrüner Benadelung, geradem, verhältnismäßig
dünnem, bis weit hinauf astlosem
Stamm
und eigentümlich schmaler, pyramidenförmiger
Krone, findet sich in
Europa
[* 3] auf sehr
beschränktem Gebiet, nämlich in
Serbien
[* 4] und
Bosnien
[* 5] und im Rhodopegebirge bei Bellova in Südbulgarien.
Auf
Grund genauer, auch anatomischer
Untersuchungen glaubt Wettstein, daß dieser durch seine geringe Verbreitung höchst interessante
Baum einer in
Ostasien und
Westamerika heimischen Artenreihe angehöre, und daß er in dieser
Reihe den mongolisch-japanischen
Arten P. Ajanensis und
P. Glehnii am nächsten stehe. Unsrer gemeinen Fichte
(P. excelsa) kommt die Omorikafichte
im
morphologischen
Bau ihrer
Organe häufig sehr nahe, auch zeigt sich in der anatomischen
Struktur eine weitgehende Übereinstimmung,
so daß ein genetischer Zusammenhang beider
Arten wahrscheinlich ist.
Die Verbreitung der Omorikafichte
über zwei wenige
Stunden weite Gebiete im SO.
Europas läßt sich auf zweierlei
Weise erklären.
Man kann annehmen, daß sie am
Ort ihres heutigen Vorkommens aus einer verwandten Art, etwa der P. excelsa,
entstanden sei, oder daß sie früher weiter verbreitet gewesen und jetzt im Aussterben begriffen sei. Die erstere
Annahme
ist aus vielen
Gründen unwahrscheinlich, für die zweite spricht die weite Verbreitung des
Namens Omora und der Umstand,
daß auch andre in
Gesellschaft der Omorikafichte
vorkommende
Arten infolge irrationeller Waldwirtschaft in
Serbien und
Bosnien
selten geworden sind; ferner auch das Vorkommen in zwei getrennten Gebieten, der
Habitus oer
Pflanze, welcher wenig lebenskräftig
erscheint, und die auffallend geringe Zahl junger
Pflanzen. Ist die Omorikafichte
eine aussterbende Art, so erklärt
sich auch ihre
Verwandtschaft mit ostasiatischen
Arten. Die tertiäre
Flora Mitteleuropas, besonders die spättertiäre, zeigt
bekanntlich deutliche Beziehungen zur gegenwärtigen ostasiatisch-nordamerikanischen und zur tertiären
Flora
Ostasiens.
Ferner fand Wettstein in der interglazialen Hättinger
Breccie (Nordalpen) die Reste einer Fichte
nform, welche der
Omorikafichte
auffallend ähnlich ist, und die P. Engleri der Bernsteinflora zeigt wieder die größte
Ähnlichkeit
[* 6] mit der der Omorikafichte
nahe verwandten P. Ajanensis in
Japan.
[* 7] Ganz analoge Verhältnisse wie die hier angedeuteten
zeigen aber auch andre
Pflanzen mit beschränktem Verbreitungsgebiet in
Europa. Es scheint also erwiesen zu sein, daß die
Omorikafichte
einem
Typus angehört, der zur Tertiärzeit in Mitteleuropa verbreitet war und von hier
bis
Ostasien und an die Westküste
Nordamerikas sich erstreckt.
Die bedeutenden klimatischen Veränderungen am Ende der Tertiärzeit bewirkten ein Aussterben des tertiären
Typus in
Nord-
und Mitteleuropa wie in
Nord- und
Mittelasien, und als Reste finden sich heute die Omorikafichte
in Südosteuropa, P. Ajanensis
in
Ostasien, P. Sitkaensis im westlichen
Nordamerika.
[* 8] In der
Eiszeit
[* 9] wurde die
Vegetation der
Alpen
[* 10] auf die
Ränder des
Gebirges zurückgedrängt, und die Omorikafichte
mag sich damals in einem Gebirgsstreifen vom Ostabhang der
Alpen
bis in die
Balkanhalbinsel
[* 11] hinein erhalten haben.
Nach der ersten Eiszeit mag sie wieder in die Alpen eingerückt sein, um bei der abermaligen Vergletscherung definitiv auszusterben und einer andern, an die neuen Verhältnisse besser angepaßten Art, der P. excelsa, Platz zu machen, welche sich vielleicht schon früher aus ihr herausgebildet hatte. In dem oben bezeichneten Gebiet, östlich der Alpen, fand die Omorikafichte zum zweitenmal eine Zufluchtsstätte, in der sie aber durch die Thätigkeit der Menschen arg bedrängt wurde.