Feneration
(lat.), Wucher, Wuchergeschäft.
Feneration
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Feneration
(lat.), Wucher, Wuchergeschäft.
im allgemeinen die Ausbeutung der Notlage andrer bei Kauf und Darlehen. Man spricht demgemäß auch vom Kornwucher (s. d. und Getreidehandel, S. 267). Im engern Sinn versteht man unter Wucher den Zinswucher, welcher sich auf das Nehmen von Zinsen bezieht, und zwar bezeichnete man ursprünglich als Wucher das Nehmen von Zinsen überhaupt, später nur die Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinssatzes. Je nach den Formen, in welchen letztere auftrat, unterschied man Wucher am Stamm (usurae palliatae), bei dem die Zinshöhe durch Verschreibung höherer Summen als der dargeliehenen, durch Vorausbezahlungen, Aufdringung von Waren etc. verhüllt wurde, an den Bedingungen, wie Zeit, Form, Ort der Zahlung etc. Bei unentwickeltem Verkehr ist der Kredit vorwiegend Konsumtivkredit und darum auch die von dem Gedanken: »nummus non nummum parit« (d. h. Geld kann als unfruchtbar nicht Geld erzeugen) beherrschte Verwerfung des Zinsnehmens erklärlich.
Das Darlehen erschien mehr nur als ein Werk der Barmherzigkeit und der Liebe, weswegen auch nach mosaischem Rechte das unentgeltliche Darlehen an Volksgenossen dem Vermögenden zur Pflicht gemacht wurde (ursprünglich nur Armen gegenüber, später allgemein). In Rom [* 3] wurde nach dem Zwölf-Tafelgesetz das Fenus unciarium mit 8⅓ Proz. (für das römische Jahr von 364 Tagen) als höchster Zinssatz bestimmt. Nach 357 v. Chr. fand eine Herabsetzung auf die Hälfte (fenus semiunciarium) statt, und 332 wurde durch die lex Genucia das Zinsnehmen zwischen römischen Bürgern verboten.
Dies Verbot wurde jedoch nicht beachtet. Gegen Ende der Republik galt 1 Proz. monatlich (usurae centesimae) als höchster erlaubter Zinssatz. Derselbe wurde 50 v. Chr. durch Senatsbeschluß als für das ganze Reich gültig anerkannt und blieb bis zum Ende des weströmischen Reichs in Geltung. Im oströmischen Reich setzte Justinian einen förmlichen Zinstarif mit Zinstaxen fest. Nur für naturale und Seedarlehen, bei welchen der Gläubiger das Risiko für das Kapital übernahm (fenus nauticum), wurden 12 Proz. gestattet, Kaufleute durften 8 Proz. (usurae besses) nehmen, andre 6 Proz. und die Personen der höchsten Rangklasse (illustres) nur 4 Proz., welch letzterer Satz später als der gesetzliche für Darlehen an Bauern bestimmt wurde.
Außerdem wurde der Anatozismus (s. d.) verboten und bestimmt, daß der Gläubiger kein Recht haben solle, weitere Zinsen zu fordern, sobald die rückständigen Zinsen bis zur Höhe des Kapitals (alterum tantum) angewachsen seien. Die religiösen Anschauungen des mosaischen Rechts machten sich auch in der christlichen Kirche geltend. Ursprünglich nur Klerikern versagt, wurde von Papst Leo 443 das Zinsnehmen auch für Laien als verdammenswert erklärt, und auf dem Konzil zu Vienne 1311 wurde der Wucher mit dem Ausschluß vom Abendmahl, Aberkennung des Rechts, ein Testament zu machen, und Verweigerung des kirchlichen Begräbnisses bedroht.
Die Verteidigung des Zinsnehmens wurde als Ketzerei, jede entgegenstehende weltliche Gesetzgebung für null und nichtig erklärt. Das kanonische Recht fand bald in der weltlichen Gesetzgebung Unterstützung. So bedrohten deutsche Reichspolizeiordnungen von 1500, 1530 und 1577 das Ausleihen auf Zinsen mit dem Verlust von einem Viertel des Kapitals, nur der Rentenkauf wurde für erlaubt erklärt. Juden nahmen eine Ausnahmestellung ein, welche 1544 mit der höhern Besteuerung derselben gerechtfertigt wurde.
Die Wucherverbote wurden jedoch vielfach umgangen. Eine Handhabe hierfür boten insbesondere der Renten- und Giltenkauf sowie der Wechsel. Mit Entwickelung von Handel und Verkehr brachen sich andre Anschauungen Bahn. Man mußte, zumal Kaufleuten gegenüber, die Zinsberechnung unter verschiedenen Titeln und Formen (Ersatz für Verzugsschaden, Vergütung für gelaufene Gefahr etc.) zulassen, ja das Reichsgericht betrachtete 1654 das Nehmen mäßiger Zinsen als statthaft. So wandelte sich allmählich der Begriff des Wuchers in denjenigen des Justinianeischen Rechts wieder um. Es wurden Zinstaxen eingeführt (meist 5 Proz., für den Handel 6 Proz. als Maximum), deren Überschreitung bei Strafe verboten wurde, so in Zürich [* 4] schon 1520, in Baden [* 5] 1622. Später wurde auch in mehreren Ländern, so im österreichischen Josephinischen Patent, in Baden 1810, die Überschreitung zwar nicht verboten, ihr jedoch die gesetzliche Anerkennung versagt.
Die Wuchergesetze (Wucherverbote) wurden seit Ende des 18. Jahrh. auf Grund der sich entwickelnden praktischen Verkehrsbedürfnisse sowie der nationalökonomischen und rechtsphilosophischen Anschauungen lebhaft bekämpft. Man machte geltend, daß es unmöglich sei, ein überall passendes Zinsmaximum festzusetzen, daß die Gesetze leicht zu umgehen seien, von der Staatsgewalt selbst bei Anlehen nicht beobachtet würden, daß das Gesetz, welches den Gläubiger bedrohe, nur zur Erhöhung des Zinses und zu härtern Bedingungen für den Schuldner führe etc. Infolgedessen wurde Mitte des 19. Jahrh. fast in allen Kulturländern, zum Teil mit gewissen Ausnahmen, z. B. bei Pfandleihgeschäften und Darlehen auf Hypotheken, die Zinsfreiheit (Wucherfreiheit) eingeführt, so in England 1854, Neuenburg, [* 6] Genf [* 7] 1855, Dänemark, [* 8] Spanien [* 9] 1856, Italien, [* 10] Niederlande [* 11] 1857, Graubünden 1862, Baselstadt 1864, Belgien [* 12] 1865, in Österreich [* 13] 1866, bez. 1868, während in Frankreich nach wie vor der gewerbsmäßige Wucher strafbar blieb.
In mehreren deutschen Ländern waren die Wucherverbote schon vor 1860, in einigen in den 60er Jahren ¶
ganz oder zum Teil beseitigt worden. Ebenso wurde durch Gesetz vom (jetzt Reichsgesetz) die Bestimmung der Zinshöhe der freien Vereinbarung überlassen. Doch kann der Schuldner, welcher nicht etwa Kaufmann ist, einen Vertrag, der mehr als 6 Proz. ausbedingt, unter allen Umständen sechsmonatlich kündigen. Diese Kündigungsbefugnis kann durch Privatabkommen nicht ausgeschlossen werden. Die landesgesetzlichen Bestimmungen über Zinseszins und über die gewerblichen Pfandleihanstalten wurden durch das Reichsgesetz nicht weiter berührt.
Die vollständige Freigabe der vertragsmäßigen Zinsen hatte, besonders in einzelnen Gegenden und Berufsklassen, verschiedene Mißstände hervorgerufen. Diese Umstände führten in Österreich zu einer Änderung der Gesetzgebung (Gesetze vom und betreffend Abhilfe wider unredliche Vorgänge bei Kreditgeschäften für Galizien, Lodomerien, Krakau [* 15] und die Bukowina). Auch für Deutschland [* 16] wurde unter dem ein Gesetz erlassen, welches gegenüber der frühern Begriffsbestimmung des Wuchers als Überschreitung des gesetzlich bestimmten Zinsmaximums denselben als Forderung von Zinsen auffaßt, welche in auffälligem Mißverhältnis zum geliehenen Darlehen stehen, und die Bestimmung der Strafbarkeit dem richterlichen Ermessen überläßt.
Das Gesetz, welches als § 302 a bis d in das deutsche Strafgesetzbuch eingestellt wurde, bestimmt: »Wer unter Ausbeutung der Notlage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines andern für ein Darlehen oder im Fall der Stundung einer Geldforderung sich oder einem Dritten Vermögensvorteile versprechen oder gewähren läßt, welche den üblichen Zinsfuß dergestalt überschreiten, daß nach den Umständen des Falles die Vermögensvorteile in auffälligem Mißverhältnis zu der Leistung stehen, wird wegen Wuchers ... bestraft«.
Ebenso verboten ist die Ausbedingung wucherlicher Vermögensvorteile auf Umwegen, d. h. verschleiert oder wechselmäßig oder unter Verpfändung der Ehre, auf Ehrenwort, eidlich oder unter ähnlichen Versicherungen oder Beteurungen. Mit Strafe bedroht sind ferner wissentlicher Erwerb, Weiterveräußerung und Geltendmachung wucherlicher Forderung von seiten eines Dritten. Höher bestraft wird gewerbs- und gewohnheitsmäßiger Wucher Anschließend hieran wurden einzelne Bestimmungen über das Pfandleih- und Rückkaufsgeschäft erlassen.
Vgl. Turgot, Mémoire sur les prêts d'argent (1741);
Bentham, Defence of usury (1787);
Braun und Wirth, Die Zinswuchergesetze (Mainz [* 17] 1856);
Berndt, Die Wuchergesetze und ihre Aufhebung (Berl. 1857);
Strauber, Der Zinswucher bei den Römern (Basel [* 18] 1857);
Rizy, Über Zinstaxen und Wuchergesetze (Wien [* 19] 1859);
Neumann, Geschichte des Wuchers in Deutschland (Halle [* 20] 1865);
Endemann, Die Bedeutung der Wucherlehre (Berl. 1866);
Chorinsky, Der Wucher in Österreich (Wien 1877);
Platter, Der Wucher in der Bukowina (Jena [* 21] 1878);
Reichensperger, Die Zins- und Wucherfrage (Berl. 1879);
Weißmann, Die Wucherfrage (Chur [* 22] 1880);
v. Stein, Der Wucher und sein Recht (Wien 1880);
»Der Wucher auf dem Lande« (Bd. 34 und 38 der Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Leipz. 1887 u. 1889);
Freudenstein, Das Reichswuchergesetz vom (Mind. 1882).