Fehde.
Bei den alten
Germanen hatten nur die todeswürdigen
Verbrechen, sog. Neidingswerke, als Verletzungen eines höhern
Friedens, Ausstoßung aus der Rechtsgenossenschaft, also Friedlosigkeit des Verbrechers zur Folge.
Alle andern Friedensbrüche
galten nur als gegen den Verletzten und dessen
Sippe gerichtet, welche im Wege der Selbsthilfe
Rache üben oder den Rechtsweg
beschreiten konnten. Die Feindschaft, welche infolge des
Verbrechens zwischen den Parteien entstand, heißt Fehde
(ahd. fêhida,
von fêhan, hassen; latinisiert faida). Sie war ein Rechtsinstitut, und so war jede im Wege der rechtmäßigen Fehde
verübte
Gewaltthat straflos. Die Fehde
wurde oft zu einem Privatkrieg der
Sippen des Verbrechers und der des Verletzten.
Klagte letztere auf
Zahlung des
Wergelds (compositio), was unter Umständen für schimpflich galt, oder kam es zu einem außergerichtlichen
Sühnevertrag, so war damit die Feindschaft der
Sippen aufgehoben.
Das
Fehderecht war im Laufe der Zeit auf gewisse Hauptverbrechen und den Verbrecher sowie dessen nächste
Angehörigen beschränkt
worden, und die Karolinger suchten, jedoch erfolglos, dasselbe ganz zu beseitigen. Auch die folgenden
kräftigen
Kaiser haben vergeblich große Anstrengungen zur Aufhebung des
Fehderechts gemacht. Im 11. Jahrh. suchte man durch
den Gottesfrieden (s. d.) wenigstens die Fehde
auf bestimmte
Tage zu beschränken und friedlichen
Personen Schutz zu verschaffen.
Auch diese von der Kirche ausgehenden Einschränkungen wurden nur mangelhaft beobachtet. Wirksamer waren die Landfrieden (s. d.), welche die Kaiser für eine Reihe von Jahren und gewöhnlich nur für bestimmte Teile des Reichs als Reichsgesetz verkündigten oder welche auch von einzelnen Fürsten und Städten für ihre Territorien vereinbart wurden. Das Fehderecht wurde nur Personen, die das Waffenrecht hatten, zugestanden. Während früher das Fehderecht nur bei Tötungen zugelassen wurde, wurde es jetzt überall als rechtmäßig anerkannt, wo der Rechtsweg vergeblich versucht worden war.
Diese
Bedingung wurde aber oft mißachtet. Zur Fehde
durfte man nur nach förmlicher, mindestens drei
Tage vorher erfolgter Ankündigung
(Absage, diffidatio) schreiten. Gegen befriedete
Personen und Sachen (Geistliche, Pilger, Kaufleute,
Kirchen,
Kirchhöfe
u. dgl.) war jede Fehde
untersagt. Jede unerlaubte Fehdeübung wurde
als Landfriedensbruch gestraft. Erst auf dem
Reichstage zu Worms
[* 2] 1495 konnte
Kaiser Maximilian Ⅰ. den
Ewigen Landfrieden aufrichten
und das
Fehderecht für das ganze
Reich beseitigen.
Thatsächlich kamen aber noch im 16. Jahrh. viele Fehde
vor. Eine
der berüchtigtsten ist die des
Herzogs
Ulrich von
Württemberg
[* 3] gegen die Stadt Reutlingen
[* 4] 1519 und die
Franz von
Sickingens mit
dem Erzbischof von
Trier.
[* 5] –
Vgl. Wächter, Das Faust- und Fehderecht, in den «Beiträgen zur deutschen Geschichte, insbesondere zur Geschichte des deutschen Strafrechts» (Tüb. 1845);
Dahn, Fehdegang
und Rechtsgang der
Germanen (Berl.
1877);
Brunner, Deutsche [* 6] Rechtsgeschichte, Bd. 1 (Lpz. 1887), §. 21.