Faustrecht
(Jus manuarium), Selbsthilfe mit gewaffneter Hand. Obwohl unter allen Völkern, solange dieselben noch keine feste staatliche Ordnung haben, ein Zustand, in welchem der Stärkere Recht behält, mehr oder weniger geherrscht hat und herrschen wird, so bezeichnet man doch mit dem Namen Faustrecht vorzugsweise jenes Unwesen, welches in den germanischen Staaten im Mittelalter und namentlich in der Zeit des sogen. Interregnums, während der nach dem Untergang des Hohenstaufengeschlechts herrschenden Anarchie, allgemein vorherrschte und ein geordnetes bürgerliches Leben nicht aufkommen ließ. In Deutschland währte dasselbe am längsten, weil die Zerstückelung des Reichs und die dadurch veranlaßte Schwäche der Zentralgewalt keine nachdrücklichen und wirksamen Maßregeln dagegen gestattete.
Dazu kam, daß nach altgermanischer Sitte und Rechtsanschauung alle Handlungen, welche den Charakter einer Vergewaltigung trugen, wie Raub und Totschlag, den Thäter der Privatrache des Vergewaltigten oder seiner Bluträcher preisgaben, namentlich wenn jener sich weigerte, sich vor Gericht zu stellen oder sich mit dem Verletzten und seinen Blutsfreunden zu vergleichen. So erschien die Fehde (s. d.) im Mittelalter geradezu als ein Rechtsinstitut, und die Gesetzgebung begnügte sich lange Zeit damit, dasselbe nur einzuschränken, ohne eine Aufhebung des Fehderechts selbst zu versuchen.
Auch die verschiedenen Landfrieden, welche die deutschen Kaiser und Könige errichteten, waren nur vertragsmäßige Friedensvereinigungen auf eine bestimmte Reihe von Jahren und regelmäßig auch nur für bestimmte Territorien, bis es endlich Maximilian I. 1495 auf dem Reichstag zu Worms gelang, die Reichsstände zum Verzicht auf den fernern Gebrauch der Waffen zum Austrag ihrer Streitigkeiten zu bewegen und den sogen. Ewigen Landfrieden (s. d.) zu errichten, nach welchem jeder fernere Gebrauch des Faustrechts als Landfriedensbruch erklärt und bestraft werden sollte.
Vgl. Majer, Geschichte des Faustrechts in Deutschland (Berl. 1799).