Titel
Falken
(Falconidae), die größte Familie der
Raubvögel
[* 2] (s. d.), welche mit Ausnahme der von manchen
Ornithologen neuerdings als selbständige Vogelordnungen angesehenen Familien der Eulen
[* 3] (s. d.)
und
Geier (s. d.) alle übrigen Raubvogelfamilien umfaßt. Die Falken
sind
durch folgende Eigentümlichkeiten charakterisiert: ihr Schnabel ist verhältnismäßig kurz, am Anfang am höchsten, mit
gleichmäßig gewölbtem First, freier
Wachshaut. Der
Kopf ist mit kleinen Federn bedeckt, welche hinten
im
Nacken sich bisweilen zu einer Haube verlängern.
Die Flügel sind lang und spitz, die erste Schwungfeder ist am Innenrand meist ausgeschnitten. Die Ständer sind nicht sehr hoch, manchmal befiedert, mit kräftigen stark gebogenen Krallen. Diese große Familie zerfällt in folgende acht Unterfamilien:
1) Echte Falken
(Falconinae), von gedrungener, wohlproportionierter Gestalt, mit großem
Kopf und kurzem
Hals; der kurze Schnabel ist sehr kräftig mit einem mehr oder weniger deutlichen Seitenzahn. An den langen,
spitzen Flügeln ist die zweite Schwungfeder die längste, der
Schwanz ist meist mittellang, die
Ständer sind groß und kräftig,
ein
Kreis
[* 4] um die
Augen oft unbefiedert. Die Läufe haben eine eigentümliche Befiederung (Hosen).
[* 5] Nach
Geschlecht und
Alter zeigen sie aber bedeutende Verschiedenheiten, wodurch in systematischer
Beziehung lange Zeit große Verwirrung
im Aufstellen und Klassifizieren neuer
Arten entstand.
Die Weibchen der Falken
sind in der Regel etwas größer als die Männchen. Die Falken sind kühne,
grausame, stets kampfbereite
Vögel,
[* 6] die sich hauptsächlich von lebendiger
Beute nähren; sie stoßen dieselbe oder schlagen
sie, wenn sie fliegt, läuft oder sitzt. Diese Art des Bemächtigens der
Beute veranlaßte die
Einteilung der echten Falken
in
«edle» und «nicht edle».
Zu den Edelfalken
gehören der isländ.
Falke oder große
Blaufuß (Falco candidans
Gm.), der edelste aller
Jagdfalken; der
Geer- oder Gierfalke (Falco gyrfalco L.), der Sackerfalke (Falco sakker
Gm.), der Feldeggfalke (Falco Feldeggii
Schinz), der Wanderfalke oder kleine
Blaufuß (Falco peregrinus
L.; s.
Tafel: Falken
,
[* 1]
Fig. 1), der Lerchenstößer oder
Lerchenfalke,
Baumfalke (Falco subbuteo L.), der Zwergfalke oder
Merlin (Falco aesalon
Gm.). Zu den nicht edlen Falken
werden
gezählt: der
Turmfalke (Falco tinnunculus L. oder
Tinnunculus alaudarius Gray), der Rötelfalke (Falco cenchris
Naum.), der
Rotfußfalke (Falco rufipes Beske). Mehrere
Arten der Falken
richten in den Wildbahnen unter den Feldhühnern, Wachteln,
Drosseln,
jungen Hasen sowie auch unter dem Hausgeflügel großen Schaden an; andere dagegen, besonders die nicht
edlen, sind der
Agrikultur durch Vertilgung von Mäusen, Heuschrecken,
[* 7] Raupen und andern schädlichen
Insekten
[* 8] nützlich.
3)
Bussarde (s. d., Buteoninae), mit dem Rauhfußbussard
(Buteo s. Archibuteo lagopus
Gm.; s.
Tafel: Falken
,
[* 1]
Fig. 2). 4) Milane
(s. d., Milvinae), mit dem schönen, gabelschwänzigen Königsmilan
(s. d.,
Milvus regalis
Brisson,
[* 1]
Fig. 4).
5) Sperber (s. d., Accipitrinae), mit dem Hühnerhabicht (s. d., Astur palumbarius L., Fig 5) und dem Sperber (s. d., Nisus communis Cuv., [* 1] Fig. 6). 6) Die Weihen (s. d., Circinae), mit der Kornweihe (s. d., Circus cyaneus, [* 1] Fig. 3). ¶
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7) Die Polyporoidinen (Polyporoidinae), eine aus einer Gattung und zwei Südafrika [* 11] und Madagaskar [* 12] bewohnenden Arten bestehende Familie, besonders durch einen ansehnlichen, gestreckten Schnabel, sehr lange Flügel und nacktes Gesicht [* 13] ausgezeichnet.
8) Die Geierfalken (s. d., Polyborinae).
Mehrere Arten der echten Falken
, insbesondere der Jagd- und der Wanderfalke, wurden zu der einst so
beliebten und hoch gehaltenen Reiherbeize (s. Beize) oder Falknerei benutzt. Um die Falken
zu diesem Zweck abzurichten, werden
sie, wenn nicht jung eingefangen und gezähmt, durch Hunger und Entziehen des Schlafs und des Lichts zahm gemacht, an das
Tragen der Haube, das Sitzen auf der Faust, an das «Luder» und an den Lärm gewöhnt
und zum Zurückkehren zum Jäger auf dessen Lockung hin abgerichtet.
Wenn der Falke völlig «abgetragen» und «berichtigt»
ist, wie es in der Falknersprache heißt, so wird er behufs der Jagd mit der Haube versehen, «verkappt»,
auf der Faust des Falkners entweder frei oder mittels eines dünnen Lederriemens, dem «Geschuhe»,
festgehalten in das Revier getragen und beim Erblicken eines Jagdobjekts, von Fessel und Haube befreit, in die Höhe geworfen.
Nach sehr kurzer Orientierung stürzt sich der Falke auf die Beute, packt sie und soll sie dem Jäger zutragen, ohne sie vorher
zu kröpfen. (Über die Abrichtung der Falken
und ihre Behandlung im Mittelalter vgl.
Meister Eberhard Hicfelts Aucupatorium Herodiorum, hg. von Dombrowski, Altdeutsches Weidwerk, Bd. 1, Wien
[* 14] 1887.) Am spannendsten
ist die Jagd auf Reiher, bei der sich häufig sehr wertvolle Falken
am Schnabel der geschickt sich verteidigenden
Reiher spießen.
Bei den sog. Habichtslehnen im 14. Jahrh. wurde dem Vasallen die Pflicht auferlegt, sich jährlich bei seinem Lehnsherrn namentlich mit einem abgerichteten Habicht, wie damals häufig der Falke genannt wurde, einzustellen. Unter König Franz I. feierte die Falknerei in Frankreich ihre Glanzperiode. Die Falknereianstalten standen damals unter dem Befehl eines Oberfalkenmeisters, der 50 Edelleute und 50 Falkenmeister unter sich hatte, über 300 Beizvögel gebot und das Recht hatte, im ganzen Königreich nach Belieben zu jagen. Die jährlichen Ausgaben betrugen etwa 40000 Livres. Auf allen Reisen des Königs wurde der kolossale Apparat mitgenommen. (S. Beize.)