Faidherbe
(spr. fädérb'), Louis Léon César, franz. General, geb. zu Lille, [* 3] besuchte seit 1838 die polytechnische Schule in Paris, [* 4] seit 1840 die Artillerie- und Genieschule in Metz, [* 5] diente als Unterleutnant im Geniekorps 1844-45 in Algerien, [* 6] 1848 und 1849 auf Guadeloupe, 1849-52 wieder in Algerien, wo er, zum Kapitän befördert, an mehreren Expeditionen teilnahm. 1852 als Unterdirektor des Geniewesens nach dem Senegal gesandt, wurde er 1854 Bataillonschef und Gouverneur der Kolonie daselbst. Er unterdrückte den Aufstand mehrerer tributpflichtiger Stämme, erweiterte das Gebiet der Kolonie, unterwarf 1858 die mächtigen maurischen Stämme der Trarza sowie 1861 das Küstengebiet des Königs von Cayor und das rechte Ufer des Senegal bis jenseit Bathel de Medina. Im Juni 1861 wegen Kränklichkeit beurlaubt, kehrte er nach kurzem Aufenthalt in Algerien nach dem Senegal zurück, ward 1863 Brigadegeneral, aber im Juli 1865 auf wiederholtes Ansuchen abberufen und erhielt das Kommando der Subdivision Bone in Algerien.
Hier blieb er unbeachtet und fast vergessen, bis er Ende
November 1870 unter
Gambettas
Diktatur auf den
Kriegsschauplatz nach
Frankreich berufen ward. Er übernahm als Divisionsgeneral das Oberkommando über die französische
Nordarmee, welche soeben unter Leitung des
Generals
Farre bei
Amiens
[* 7] trotz tapfern
Widerstandes vom
General
Manteuffel besiegt
worden war.
Binnen kurzer Zeit gelang es Faidherbe
, die
Armee wieder zu komplettieren. Er zog mit dem 22. und 23.
Korps
nach
Süden, überfiel 9. Dez. die kleine
Festung
[* 8]
Ham und erwartete 23. Dez. in einer festen
Stellung an der
Hallue den
Angriff der feindlichen
Armee unter
Manteuffel.
Dieser konnte trotz aller Anstrengungen Faidherbes
Position nicht erobern. Doch wich Faidherbe
selbst nach den
Festungen im
Norden
[* 9] zurück, um seinen
Truppen Erholung zu gönnen, und griff erst 2. und 3. Dez., um
Peronne zu entsetzen, die
Deutschen mit
großer
Energie bei
Bapaume an. Dabei errang er einige Erfolge, hatte aber so große Verluste, daß
er den
Rückzug antrat.
Als er
Mitte
Januar 1871 von neuem aufbrach, um über St.-Quentin und
Reims
[* 10] in den
Rücken der deutschen Nordarmee
zu kommen und
Paris zu entsetzen, ward er 19. Jan. bei St.-Quentin von
Goeben angegriffen und gänzlich geschlagen.
Nach
Abschluß des
Waffenstillstandes beteiligte er sich als Mitglied der
Nationalversammlung eifrig an den politischen Angelegenheiten,
indem er sich der
Partei
Gambettas anschloß. 1871 erhielt er von der
Regierung den Auftrag, eine wissenschaftliche
Reise nach Oberägypten zu machen und die dortigen
Monumente und
Inschriften zu studieren. Seine erschütterte
Gesundheit hinderte
ihn, nach dem
Sieg der
Republikaner das
Kriegsministerium zu übernehmen. Er wurde 1879 zum
Senator gewählt und 1880 zum
Großkanzler
der
Ehrenlegion ernannt. Faidherbe
hat sich auch um die
Geographie und Ethnologie des nordwestlichen
Afrika
[* 11] verdient
gemacht.
Seine hierauf bezüglichen Werke sind außer mannigfachen Beiträgen zum Bulletin der Pariser Geographischen Gesellschaft und dem von ihm zu St.-Louis am Senegal seit 1860 herausgegebenen »Annuaire du Sénégal«: das »Chapître de géographie sur le Nord-Ouest de l'Afrique« (St.-Louis 1864);
»Collection complète des inscriptions numidiques avec des aperçus ethnographiques sur les Numides« (Lille 1870);
»Sur les tombeaux mégalithiques et sur les blonds de la Libye« (im Bülletin der Pariser Société d'anthropologie, Bd. 4, 1870);
»Instructions sur l'anthropologie de l'Algérie« (mit Topinard, Par. 1874);
»Les dolmens d'Afrique« (1873);
»Épigraphie phénicienne« (1873);
»Essai sur la langue Poul« (1874);
»Le [* 12] Soudan français« (1884) u. a. Über seine Kriegführung suchte er sich zu rechtfertigen in der Schrift »Campagne de l'armée du Nord« (Par. 1871; deutsch, Kassel [* 13] 1872). ¶
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Faidherbe
,
Louis Léon César, franz. General.
Vgl. I. M. ^[Ismaël Mathieu] Brunel, Le général Faidherbe
(Par.
1890).