Titel
Fabrikinsp
ektion,
eine besondere staatliche Beamtenorganisation im
Interesse der in
Fabriken und diesen gleichgestellten
Gewerbebetrieben beschäftigten
Arbeiter. Die wesentlichen Aufgaben und
Funktionen der für bestimmte
Bezirke an gestellten Beamten
(Fabrikinsp
ektoren, in
Preußen
[* 3]
Gewerberäte) sind:
1) die genaue Kontrolle der ihrer Aufsicht unterstellten Anlagen und Arbeiter, bei letztern insbesondere die Feststellung aller auf die materielle und soziale Lage derselben bezüglichen Verhältnisse;
2) die Sicherung einer ordentlichen Durchführung der bestehenden Fabrik- oder Arbeiterschutzgesetzgebung;
3) die weitere
Ausbildung dieser
Gesetzgebung. Durch die Erfüllung dieser
Funktionen werden die Fabrikinsp
ektoren zu wichtigen
und unentbehrlichen
Organen der sozialen
Reform. Sie schaffen die erste unerläßliche Voraussetzung derselben,
die genaue Kenntnis der thatsächlichen, für diese in Betracht kommenden Verhältnisse; sie bewirken, daß die zum
Schutz
der
Arbeiter erlassenen
Gesetze und
Verordnungen nicht bloß auf dem
Papier stehen, und sind durch die fortwährende
Beobachtung
der Zustände, durch die stete Berührung mit den Arbeitern und Arbeitgebern die besten
Sachverständigen,
um die
Gesetzgebung zu einer den thatsächlichen Verhältnissen und berechtigten Ansprüchen entsprechenden zu gestalten,
um die im
Interesse der
Arbeiter notwendigen Maßregeln herbeizuführen, aber zugleich unpraktische oder die berechtigten
Interessen
der Unternehmer verletzende oder die
Unternehmungen gefährdende zu verhindern.
Sollen diese
Funktionen ordentlich erfüllt werden, so müssen sie besonders geeigneten Beamten als deren
ausschließliche Berufsthätigkeit
übertragen werden. Beruft man die rechten
Männer zu diesem
Amt, so erlangt die Fabrikinsp
ektion noch
eine weitere wichtige sozialpolitische Bedeutung: die Beamten werden Vertrauenspersonen für die
Arbeiter wie für die Arbeitgeber
ihres
Bezirks und können als solche entstehenden Streitigkeiten vorbeugen, entstandene schlichten, sie können
aber auch private Maßregeln zur Verbesserung der Arbeiterverhältnisse (s.
Industrielle Arbeiterfrage) in Anregung bringen
und bei deren Ausführung behilflich sein.
Wie die Fabrikinsp
ektion im einzelnen zu organisieren, muß sich nach den besondern Verhältnissen der einzelnen
Länder bestimmen. Im allgemeinen
sind aber an die
Organisation, wenn sie ihre
Zwecke erreichen soll, folgende Anforderungen zu stellen:
1) eine gute persönliche Befähigung der Beamten (Energie, Pflichttreue etc., auch eine gewisse nationalökonomische und technische Ausbildung);
2) vollständige Unabhängigkeit (genügendes Einkommen) und höhere soziale Stellung derselben (daher zweckmäßig, wie in Preußen, Titel und Rang von Räten);
3) die Fabrikinsp
ektion darf nicht bloß ein Nebenamt, sondern muß ausschließliche Berufsthätigkeit
sein;
4) die Beamten müssen obrigkeitliche Befugnisse, insbesondere das Recht jederzeitigen Eintritts in alle Geschäfts- und Arbeitsräume während des Betriebes, das Recht der eidlichen Vernehmung von Personen zur Ermittelung von Thatsachen und das Recht zum Erlaß polizeilicher Strafmandate haben;
5) die Fabrikinsp
ektion muß zentralisiert werden.
Die Fabrikinsp
ektion wurde zuerst in
England eingeführt. Heute existieren dort Fabrikinspektoren für die
Fabriken und
Werkstätten und besondere Inspektoren für
Bergwerke und
Steinbrüche, für ländliche
Arbeiter und für die
Hausindustrie.
Die
Institution wurde durch das Fabrikgesetz
von 1833 (s.
Fabrikgesetzgebung) geschaffen, die Zahl der damaligen Inspektoren
(4) allmählich erhöht, 1878 fand eine
Reorganisation der Fabrikinspektion
statt. Vor 1878 standen 2 Inspectors
an der
Spitze, beide in gleichem
Rang, jeder hatte 2 Assistant inspectors und Subinspectors (für das eigentliche Inspektionsgeschäft)
mit
Junior inspectors unter sich.
Die Zahl der Subinspectors überhaupt war 38, die der
Junior inspectors 11. Im J. 1878 wurde die Fabrikinspektion
zentralisiert,
das Land in 39 Inspektionsbezirke geteilt. Für jeden
Bezirk ist ein Inspektor ernannt
(Gehalt 300-500 Pfd. Sterl.), in den
zehn größten ist demselben noch ein Hilfsarbeiter (junior inspector) beigegeben
(Gehalt 200-300 Pfd. Sterl.). An der
Spitze
steht, direkt unter dem Secretary of state
(Minister des Innern), der
Chief inspector
(Gehalt 1200 Pfd. Sterl.).
Den
Verkehr der Inspektoren mit dem
Chef vermitteln 5 Superintending inspectors (auf jeden kommen 7-8
Bezirke); dieselben haben
die Inspektoren zu kontrollieren und sollen die Fabrikinspektion
einheitlich zu gestalten suchen
(Gehalt 500-700 Pfd. Sterl.). Für die
Inspektoren ist eine
Prüfung vorgeschrieben; die meisten haben 1000-1500
Unternehmungen, einzelne über 3000 zu kontrollieren
und wöchentlich dem Superintending inspector ihren
Bericht zu erstatten.
Sie machen 1500-2000 Besuche im Jahr. Zur Fabrikinspektion
gehören auch noch die Fabrikärzte (certifying surgeons);
denselben liegt insbesondere ob: die Feststellung des
Alters der in
Fabriken arbeitenden
Kinder und jugendlichen
Arbeiter, die
ärztliche Untersuchung des Gesundheitszustandes derselben vor ihrer Beschäftigung und die
Prüfung,
ob sie zu der beabsichtigten
Arbeit die gesetzlich vorgeschriebene physische Tauglichkeit besitzen, endlich die Untersuchung
der durch Unfälle bei der
Arbeit geschädigten
Personen und Berichterstattung darüber an die Inspektoren.
Die Zahl der Inspektoren reicht noch nicht aus. Die
Institution als solche aber hat sich, wie alle
Parteien
anerkennen, bewährt, sie erfüllt die
oben angeführten
Funktionen in hohem
Grade, die Fortschritte und praktische Gestaltung
der englischen
Fabrikgesetzgebung (s. d.) sind ihr zu einem großen Teil zu verdanken. In
Frankreich war zwar schon 1841 die
Bestellung von Fabrikinspektoren vorgesehen, doch ist erst durch das
Gesetz vom (über
die
Arbeit der in der
Industrie beschäftigten
Kinder und minderjährigen Mädchen vgl.
Fabrikgesetzgebung)
eine Fabrikinspektion
zur
Durchführung der Bestimmungen dieses
Gesetzes geschaffen worden.
Die Fabrikinspektion
besorgen zunächst 25 Bezirksinspektoren, sie sind unterstellt einer Lokalkommission von 5-7
Mitgliedern, welche auf
Vorschlag des
Generalrats des
Arrondissements vom
Präfekten ernannt werden. Die Zentralleitung
hat eine obere
Kommission von 9 durch den
Präsidenten der
Republik ernannten Mitgliedern. In der
Schweiz
[* 4] besteht die Fabrikinspektion
seit
dem Fabrikgesetz
von 1877 und wird durch 3 Inspektoren
(Gehalt 6000
Fr.) besorgt. In
Deutschland
[* 5] ist die Fabrikinspektion
obligatorisch seit
der
Novelle zur
Gewerbeordnung von 1878 (§ 139b). In
Preußen
gab es schon seit 1853, aber nur in drei Regierungsbezirken
(Aachen,
[* 6]
Düsseldorf,
[* 7]
Arnsberg)
[* 8] und
nur für jugendliche
Arbeiter, Fabrikinspektoren.
Die
Gewerbeordnung von 1869 gestattete (§ 132) den Einzelstaaten, eigne Beamten für die Fabrikinspektion
zu ernennen;
in
Preußen wurden solche seit dem Anfang der 70er Jahre für
Berlin
[* 9] und einzelne
Provinzen eingesetzt,
aber der Erfolg war gering. Seit 1878 ist dies besser geworden. In einzelnen
Staaten wird, wie die im
Reichsamt des Innern
regelmäßig veröffentlichten Jahresberichte der deutschen Fabrikinspektoren erweisen, von den Inspektoren sehr Tüchtiges
geleistet, aber die
Organisation ist noch keine genügende. Die Zahl der
¶
mehr
Inspektoren (49) ist unzureichend, es fehlt denselben an Hilfskräften (Assistenten), sie haben noch nicht in ausreichendem
Maß obrigkeitliche Befugnisse (sie haben bei Ausübung ihrer Aufsicht alle amtlichen Befugnisse der Ortspolizeibehörden),
es fehlt vor allem die Zentralisierung der Fabrikinspektion.
Die Ernennung und Instruktion der Beamten sowie die Ordnung der Zuständigkeitsverhältnisse
zwischen ihnen und den ordentlichen Polizeibehörden ist Sache der Einzelstaaten, in manchen (z. B. Württemberg)
[* 11] ist die Fabrikinspektion
nur ein Nebenamt.
Die ausführlichste (und sehr gute) Dienstanweisung ist die preußische vom Die Berichte der deutschen Fabrikinspektoren sind eine der wichtigsten Quellen über die Zustände der Fabrikbevölkerung geworden. In Österreich [* 12] wurde die Fabrikinspektion durch Gesetz vom geregelt, die Zahl der Gewerbeinspektoren ward durch Verordnung vom auf 12 festgesetzt.
Vgl. Schönberg, Arbeitsämter (Berl. 1871);
Thun, Die Fabrikinspektoren in Deutschland (in Schmollers »Jahrbuch« 1881, Bd. 1, S. 55 ff.);
Adler, [* 13] Die Fabrikinspektion insbesondere in England und der Schweiz (»Jahrbücher für Nationalökonomie«, neue Folge, Bd. 8, S. 193 ff.).
Vgl. auch die Litteratur bei Fabrikgesetzgebung.