Eyck
,
Hubert (Huybrecht) und Jan van,
Brüder, niederländ.
Maler, Begründer der altflandrischen
Schule, stammten nach
van Mander aus Maaseyck
, einem Städtchen an der
Maas bei
Maastricht.
[* 2]
Hubert, der ältere, mag um 1370 geboren sein. Über sein
Leben ist sehr wenig bekannt; sicher weiß man nur, daß er 1421-22 sich zu
Gent in
[* 3] die religiöse
Genossenschaft
der
Maria mit den
Strahlen einschreiben ließ. Jodokus Vyd, ein reicher
Genter, bestellte damals ein großes Altarwerk mit der
Anbetung des
Lammes bei ihm, das van Eyck
indes unvollendet hinterließ, indem ihn der
Tod wegraffte; er wurde in der
Krypte von St.
Bavo zu
Gent begraben.
Bekannter ist das Leben seines Bruders Jan, der um 1389 geboren zu sein scheint. Von 1422 bis 1424 hielt er sich als Maler und Diener (valet de chambre) an dem Hof [* 4] Johanns von Bayern [* 5] im Haag [* 6] auf, und nach dessen Tode trat er in die Dienste [* 7] des Herzogs Philipp des Guten von Burgund, der ihn zum Hofmaler und Kammerdiener mit einem Jahrgehalt von 100 Livres ernannte, worauf er seinen Wohnsitz in Lille [* 8] genommen zu haben scheint. Philipp ließ ihn verschiedene Reisen unternehmen, so 1426, 1428-29 und 1436, von denen nur die zweite näher bekannt ist.
Der
Künstler begleitete damals vom
Oktober 1428 an die burgundische Gesandtschaft nach
Portugal,
[* 9] welche die
Heirat
Philipps mit
der
Prinzessin
Isabella zu stande brachte; er malte das
Porträt derselben und schickte es nach
Burgund. Aus dieser spanischen
Reise lernte J. van Eyck
die südliche
Vegetation kennen, welche er in den landschaftlichen
Hintergründen
seiner
Bilder häufig zur
Darstellung brachte. Ende
Dezember 1429 kam die Gesandtschaft wieder zurück, und van Eyck
nahm nun
seinen
Wohnsitz in
Gent, wo seine Hauptaufgabe der
Altar
[* 10] gewesen war, den er vollendete. Dann siedelte er nach
Brügge
über. 1436 schickte ihn
Philipp wiederum auf »entfernte und fremde
Reisen«. Er starb in
Brügge;
¶
mehr
wurde seine Leiche auf Bitten seines Bruders Lambrecht vom Kirchhof von St. Donatus in die Kirche selbst gebracht. - Von Hubert
van Eyck
ist kein einziges sicheres Werk vorhanden und selbst sein Anteil an dem Genter Altar nicht bestimmt festzustellen. Daß
er denselben angefangen, ist allerdings durch die alte Inschrift auf dem Werk selbst beglaubigt; aber
was er daran gearbeitet, darüber schwebt völliges Dunkel. Nur die Erfindung des Ganzen wird man ihm mit ziemlicher Sicherheit
zuschreiben können.
Gewöhnlich macht man ihn auch zum Erfinder der Ölmalerei, während nach alten Berichten dies Jan gewesen sein soll. Die Ölmalerei
war aber schon früher bekannt, und die Brüder van Eyck
haben nur das Verdienst, die Öltechnik zu größerer
Leistungsfähigkeit ausgebildet zu haben, indem sie »naß in naß« malten,
die Farben auf der Palette mischten und auf der Holztafel miteinander verschmolzen, statt, wie es bis dahin üblich gewesen,
die Farbe nach dem Auftrag erst trocknen zu lassen und dann neue Töne daneben- oder darüberzusetzen.
Durch dieses Verfahren war die Möglichkeit erreicht, eine tiefe, durchsichtige, leuchtende Farbe in den verschiedenen Nüancen
zu bereiten, und eine treuere Naturnachahmung als bei den frühern Malern war die natürliche Folge davon. Die van Eyck
säumten
auch nicht, durch die eindringlichsten Naturstudien die vollen Konsequenzen aus ihrer Neuerung zu ziehen.
Wenn sie sich auch an ihre wenig bekannten flandrischen Vorgänger anschlössen, so führten sie doch durch die Naturnachahmung
ein neues Prinzip in die Kunst ein.
Sie huldigten dem entschiedensten Naturalismus, kleideten die Figuren der heiligen Geschichte in das Gewand des Tags und setzten sie in Baulichkeiten und Landschaften, welche sie ihrer Umgebung nachgebildet hatten. Sie führten daher auch alle Objekte mit peinlicher Sorgfalt nach den Vorbildern der Natur aus: der eckige Bruch der schweren Gewänder, die Geschmeide, die Pflanzen, der Wechsel der Karnation, die Linearperspektive, der Hausrat, die Modellierung, die Lichtwirkung - alles wird aufs sorgfältigste nachgebildet.
Jetzt sah man erst das vollste Abbild der Wirklichkeit: man sah die Städte mit ihren Mauern und Gebäuden in die Lüfte ragen,
man sah das Spiel der Sonne
[* 12] im Himmel
[* 13] und in der Landschaft, sah Felsen, blumengeschmückte Wiesen, Wälder, angebautes Feld, Gemächer
und alles, was zum täglichen Gebrauch der Zeitgenossen gehörte. Luftperspektive kannten die van Eyck
nur unvollkommen; zwar
bemühten sie sich, den blauen Luftton, der auf den Fernen liegt, wiederzugeben, aber sie führten die Mittel- und Hintergründe
in den geringsten Einzelheiten zu scharf aus, so daß dieselben nicht die richtige Abstufung erlangten.
Solche Unvollkommenheiten sind ab er mit jeder Neuerung unzertrennlich verbunden, und diejenige, welche sich an die Namen
der Brüder van Eyck
knüpft, und die man kurz als die Wiedererweckung des Naturgefühls bezeichnet, war so durchgreifend, daß
man von ihr den Anfang der neuern Kunst datiert. Jetzt war der Blick für die Natur geöffnet, der Kreis
[* 14] der Vorwürfe wuchs, Genre, Landschaft, Stillleben fanden ihren Ausgangspunkt. Die ganze nordische Kunst ruht auf den Schultern
der Maler von Maaseyck;
aber auch die italienischen Schulen zeigen sich von ihrem Einfluß berührt, vor allen die venezianische,
in welche Antonello da Messina
[* 15] die Eycksche
Malweise und Formanschauung brachte.
Das bedeutendste Werk der Brüder ist das genannte, von Jodokus Vyd gestiftete Altarwerk, welches auf zwölf zum Teil auf beiden Seiten bemalten Tafeln das ganze Mysterium des christlichen Glaubens und als Mittelpunkt desselben die Anbetung des Lammes darstellt. Sechs Tafeln von den Flügeln befinden sich im Berliner [* 16] Museum, die Figuren von Adam und Eva im Brüsseler Museum. Nur das große, aus vier Tafeln bestehende Mittelbild ist allein noch auf seinem alten Platz in der Vydschen Kapelle zu St. Bavo in Gent. Im J. 1559 fertigte Michael Coxie für Philipp II. von Spanien eine Kopie des Werkes, deren einzelne Teile ebenfalls zerstreut wurden und in die Münchener Pinakothek, in das Berliner Museum und in die Kapelle von St. Bavo in Gent kamen.
Ein dem gleichen Geist entsprungenes Bild im Nationalmuseum zu Madrid,
[* 17] der Born der lebendigen Wasser, gehört nur der Schule der
Brüder van Eyck
an. Von Jan sind außer dem Altar noch verschiedene zum Teil durch Inschriften beglaubigte
Bilder erhalten. Es sind: die Weihe Thomas Beckets zum Erzbischof von Canterbury, von 1421 (Chatsworth, Herzog von Devonshire);
eine kleine sitzende Madonna im Gemach, von 1432 (Ince Hall [* 18] bei Liverpool); [* 19]
zwei männliche Brustbilder, von 1432 und 1433 (London, [* 20] Nationalgalerie);
die Bildnisse Johannes Arnolfinis und seiner Frau nach geschlossener Ehe im Zimmer, von 1434 (das.), ein Hauptwerk des Meisters;
das Brustbild des Kanonikus Jan de Leeuw (Belvedere, Wien) [* 21] und die Madonna des Kanonikus Georg van der Paele (Brügge, Akademie), beide von 1436;
eine sitzende heil. Barbara, von 1437 (getuschte Federzeichnung auf Holz [* 22] im Museum zu Antwerpen); [* 23]
Christuskopf, von 1438 (Berlin, [* 24] Museum);
Bildnis seiner Frau (Brügge, Akademie) und eine kleine stehende Madonna (Antwerpen, Museum), beide von 1439. Unter den nicht datierten Werken des Meisters sind die bedeutendsten: die Madonna von Lucca [* 25] (Frankfurt [* 26] a. M., Städelsches Institut), die Madonna des Kanzlers Rollin (Paris, [* 27] Louvre), Flügelaltar mit der thronenden Madonna in einer Kirche (Dresden, [* 28] Galerie), Brustbild eines Alten (Wien, Belvedere) und der Mann mit den Nelken, ein Meisterwerk realistischer Porträtmalerei (Berlin, Museum).
Jan van Eyck
hat auch Genrebilder (ein Frauenbad und eine Landschaft
mit Fischern) gemalt, die jedoch nicht mehr erhalten sind. Die unmittelbaren Nachfolger der van Eyck
blieben
hinter ihnen zurück, und erst im 16., ja teilweise 17. Jahrh. hatte man ihr Ziel wieder überschritten. P. Christus, Rogier
van der Weyden, Hugo van der Goes, Justus van Gent gehören zu ihren Schülern. - Ihre Schwester Margarete war ebenfalls Malerin,
doch weiß man nichts mit Bestimmtheit von ihr.
Vgl. Waagen, Über Hubert und Johann van Eyck
(Bresl. 1822);
Crowe und Cavalcaselle, Geschichte der altniederländischen Malerei (deutsch von A. Springer, Leipz. 1875);
Woltmann-Woermann, Geschichte der Malerei, Bd. 2 (das. 1882), wo die ganze ältere Litteratur angegeben ist.