Euphrat
(bei den Persern Ufratu, bei den
Hebräern Phrat, bei den Syrern Ephrat, bei den Arabern Furat),
der größte
Strom
Vorderasiens, entspringt auf dem armenischen
Hochland in zwei Quellströmen, einem nördlichen,
Karasu (westlicher
Euphrat
) genannt, der im N. von
Erzerum, auf dem Dumly
Dagh, seinen Ursprung hat, und einem südlichen,
Murad (östlicher der etwa 220 km
östlicher am
Ala Dagh entsteht und, ein reißender Gebirgsfluß, zwischen steilen Felsenufern mit
Strudeln
und
Fällen hinströmt.
Beide Flüsse [* 2] haben westliche Hauptrichtung, und zwischen ihnen erhebt sich die Gebirgsmasse des Bingöl Dagh bis zu 3686 m Höhe, weiter westlich zwingt der 2750 m hohe Musu Dagh den Karasu zu einem großen Bogen. [* 3] Nach der Vereinigung der beiden Quellströme, die oberhalb der Stadt Kjeban Maaden in 812 m Höhe erfolgt, nimmt der Strom eine südliche Richtung an, umfließt in einer großen Wendung nach W. den Musu Dagh und durchbricht dann unter gewaltigen Krümmungen wild flutend die Tauruskette.
Hier nach SO. gerichtet, braust er durch eine Felsenspalte zwischen den wildesten, 600-1000 m hohen Gebirgsmassen über Steinbänke, und Stromschnelle auf Stromschnelle folgen sich auf einer Strecke von 150 km. Bei Telek wird er an einer Stelle, welche Gleikash (»Hirschensprung«) heißt, auf etwa 20 m Breite [* 4] eingeengt. Nachdem er hier seinen östlichsten Punkt erreicht hat, dem ganz nahe im O. die Quellen seines großen Nebenstroms, des Didschle (Tigris), liegen, wendet er sich nach SW. und macht zwischen Gerger (in 700 m Höhe) und Samsat seine letzten Wasserstürze.
Darauf schlägt der
Strom bei Rumkale eine südliche
Richtung ein, die er bis
Balis im ganzen beibehält, und nähert sich dabei
dem
Mittelländischen
Meer auf etwa 155 km. Unterhalb
Balis wird die
Richtung eine östliche, geht aber bald
in die südöstliche über, die fortan die Hauptdirektion bis zur Mündung bleibt. Dieser mittlere
Lauf des Euphrat
, von da an,
wo er aus den letzten Vorbergen heraustritt, ist tief eingeschnitten in die
Ebene. Nur wenig fruchtbares Land liegt unten
im
Thal,
[* 5] während die höhere
Ebene, die nicht zu bewässern ist, einen vollständigen Steppencharakter hat.
Nur einen größern Zufluß, den einzigen von links, nimmt er in diesem Teil auf, den Chabur bei Abu Serai; auf dem rechten Ufer fehlen bedeutende Nebenflüsse gänzlich. Oberhalb von El Deir erscheinen die ersten Dattelpalmen, Limonen- und Orangenbäume; dort spaltet sich der Strom und umschließt flache Inseln, und die Umgegend ist bebaut. Weiterhin strömt der Fluß wieder zwischen hohen Hügeln in einem felsigen Bett, [* 6] mit großer Wasserfülle, aber ohne irgend einen Katarakt, obwohl er ober- und unterhalb Anah häufig Verengerungen hat und oft flach ist.
Die
Ufer sind von
Beduinen zahlreich bevölkert, die nicht nur in
Zelten, deren es viele
Tausende gibt, sondern auch in
Ziegel-,
Erd-,
Stein- und Schilfhäusern wohnen. Unterhalb
Hit nehmen
die
Hügel an
Höhe ab; die Gegend wird fast flach, der
Strom tief
und wild.
Nun durchströmen Euphrat
und
Tigris ein fettes Alluvialland, mit welchem beide
Flüsse selbst den
einst 400-500 km tiefer ins Land hineinragenden
Persischen
Meerbusen ausgefüllt haben. Bei
Bagdad nähern sich Euphrat
und
Tigris
bis auf 35 km, gehen aber wieder nach verschiedenen
Richtungen auseinander und fließen dann 150 km weit parallel nebeneinander
fort.
Auf dieser
Strecke, auf welcher
Hille (das alte
Babylon) liegt, sieht man nur schwarze
Zelte der
Beduinen.
Das Land ist nicht mehr durch fleißige Thätigkeit der Bewohner vor dem
Flugsand der
Wüste geschützt; im
Altertum war es
durch künstlich regulierte
Bewässerung fruchtbar, und jetzt noch durchziehen unterhalb
Bagdad
Kanäle die fast wagerechte
Schlammniederung zwischen dem Euphrat
und
Tigris. Unterhalb derselben sendet letzterer durch den
Schatt el
Hai
dem Euphrat
einen Teil seiner Gewässer zu, bis dieser endlich bei Korna sein träges, klares
Wasser ganz mit dem trüben des pfeilschnell
fließenden
Tigris vereinigt.
Der vereinigte Strom führt nun den Namen Schatt el Arab und geht durch eine ebene, fruchtbare Niederung, allenthalben von Dörfern und Dattelhainen, Wiesen und künstlichen Bewässerungssystemen begleitet, dem Persischen Meerbusen zu, den er 90 km unterhalb Basra erreicht. Etwa 70 km oberhalb beginnt das Mündungsdelta, welches während mehrerer Monate des Jahrs unter Wasser steht, während in der trocknen Zeit der Boden mit einer Salzkruste bedeckt ist. Von den vielem Mündungsarmen ist nur ein einziger großen Schiffen zugänglich.
Der
Schatt el Arab nimmt links den aus den
Bergen
[* 7]
Luristans kommenden ansehnlichen
Kercha und den ebendaher fließenden, überaus
gewundenen
Kuren
(Karun) auf. Die ganze
Länge des Euphrat
von der
Quelle
[* 8] des
Murad an beträgt 2770 km, und der
Umfang des Stromgebiets des Euphrat
und
Tigris wird auf 673,400 qkm (12,230 QM.) angegeben. Gegen Ende März, mit der
Regenzeit,
beginnt das Steigen des
Stroms, der gegen Ende Juni seine größte
Höhe erreicht. Während dieser ganzen Zeit findet sich
von Samsat an kein Hindernis für
Dampfschiffahrt auf dem
Strom; indessen geschieht die Beschiffung, abgesehen
von selten fahrenden offiziellen
Dampfern, nur mittels
Flößen, welche auf aufgeblasenen Hammelhäuten, sogen. Keleks, liegen.
Am niedrigsten ist der Euphrat
im
November, und dann bietet er zwischen
Biredschik und
Basra durch
Felsen und
Untiefen an 39
Stellen
Hindernisse für die
Schiffahrt.
Die bedeutendsten
Städte an den
Ufern des Euphrat
sind:
Erzerum,
Ersindschan, Egin, Kjeban Maaden,
Biredschik,
Rakka,
Deir,
Anah,
Hit und
Hille. Der Euphrat
ernährt treffliche
Fische,
[* 9] und längs seiner
Ufer finden sich
Steinkohlen,
Bitumen und
Naphtha
reichlich. Der
Strom bildet seit uralter Zeit die Grenzscheide vieler
Länder, aber nicht der
Völker, die
ihn leicht überschritten. Die
Römer
[* 10] sahen ihn als Reichsgrenze an, bis Trajan zum
Tigris vordrang; doch wurden im 4. Jahrh.
die alten Verhältnisse wiederhergestellt, bis allmählich die Neuperser die
Römer immer mehr zurückdrängten. Als Handelsstrom
war der Euphrat
auch im
Altertum von geringerer Bedeutung; nur die
Schiffahrt nach dem
Meer hin, unterhalb
Babylon,
scheint erheblich gewesen zu sein.
Vgl.
Chesney, Expedition for the survey of the rivers Euphrates
and
Tigris (Lond. 1850, 2 Bde.).