Titel
Eukleides
(Euklid), 1) erster Archon in Athen [* 2] 403 v. Chr. nach der Vertreibung der Dreißig Tyrannen, unter dem die Wiederherstellung der Solonischen Verfassung unter allgemeiner Revision der Gesetze stattfand, wobei das ionische (Eukleidische) Alphabet an der Stelle des alten in Staatsschriften eingeführt ward.
2) Griech. Philosoph, Stifter der megarischen Schule, aus Megara, nach sehr unbegründeten Angaben aus Gela in Sizilien [* 3] gebürtig, lebte zur Zeit des Peloponnesischen Kriegs. Anfangs ein Anhänger der eleatischen Philosophie, schloß er sich später an Sokrates an; da den Megarensern der Besuch Athens bei Todesstrafe verboten war, schlich er sich nachts in Weiberkleidern in die Stadt, um jenen zu hören, war auch bei dessen Tod gegenwärtig und nahm sodann die zerstreuten Schüler desselben in Megara bei sich auf. Er begründete die Richtung der megarischen Philosophie, in deren Grundsätzen sich der Einfluß der eleatischen Lehre [* 4] darin kundgibt, daß sie den Satz aufstellte, das Seiende sei Eins, während der Einfluß des Sokrates darin hervortritt, daß sie hinzufügt, das Eins sei das Gute.
Besonders pflegte er die dialektische Seite der eleatischen
Philosophie, so daß ihm
Sokrates bemerkt haben soll, er könne
wohl
Sophisten, aber nicht
Menschen gewinnen. Seine
Schule wurde deshalb die eristische, später die dialektische genannt. Seine
Logik verwarf alle
Schlüsse aus
Induktion
[* 5] und ließ bloß reine Vernunftschlüsse zu. Auch den
Beweis aus
Analogie erkannte er nicht an, weil, wenn
Ähnlichkeit
[* 6] stattfinde, diese erst erwiesen werden müsse, bei Unähnlichkeit aber
nichts dadurch zu gewinnen sei. Von den
Schriften des Eukleides
hat sich nichts erhalten.
Vgl. Mallet, Histoire de l'école de Mégare (Par. 1845);
Henne, École de Mégare (das. 1843).
3) der
Vater der
Geometrie, von dessen Lebensumständen wenig bekannt ist, war nach einigen aus
Ägypten,
[* 7] nach des Syrers Abulpharagius
Angabe aber aus
Tyros gebürtig und lebte um 300
v. Chr. in
Alexandria am
Hof
[* 8] des
Ptolemäos Lagi. Von den
uns erhaltenen
Schriften des Eukleides
sind am bekanntesten die »Stoicheia«,
d. h.
Elemente der reinen
Mathematik, in 15
Büchern, von denen die beiden letztern indes wahrscheinlich den
Alexandriner Hypsikles
um 160
v. Chr. zum Verfasser haben.
Dieses Werk hat alle frühern mathematischen
Elementarwerke der Griechen verdrängt.
Schon im 12. Jahrh. wurde
es teilweise aus dem
Arabischen ins
Lateinische
übertragen. Die erste
Ausgabe gab
Grynäus (Basel
[* 9] 1533), andre lieferten Camerer und
Hauber (Berl. 1824-25, 2 Bde.),
Neide
(Halle
[* 10] 1825), die beste
August (Berl. 1826-29, 2 Bde.);
deutsche Übersetzungen
Lorenz
(Halle 1781, 6. Aufl. 1840; die 6 ersten
Bücher nebst dem 11. und 12.
Buch
nach der Übersetzung von
Lorenz neu hrsg. von Hartwig, das. 1860) und
Hoffmann
(Mainz
[* 11] 1829). Eine zweite noch vorhandene
Schrift,
»Data«, welche von neuern Mathematikern nicht minder hoch geschätzt wird, enthält 95 geometrische Theoremata
als
Einleitung in die geometrische
Analysis, herausgegeben von
Wurm
[* 12] (Berl. 1825). Die
Schrift »Phaenomena«
behandelt den Auf- und
Untergang der Gestirne, herausgegeben von
Hunt (Oxf. 1707). Außer den genannten
Schriften werden dem
Eukleides
namentlich noch »Anfangsgründe der
Optik« und »Anfangsgründe der
Katoptrik« beigelegt; doch schreibt man sie wohl mit
mehr
Recht dem
Theon von
Alexandria zu. Die hierher gehörigen »Anfangsgründe der
Musik« gab Pena heraus
(Par. 1557). Eine
Schrift
»De divisionibus« ist bloß in einer aus dem
Arabischen stammenden lateinischen Übersetzung vorhanden,
doch vielleicht echt; sie handelt über die
Einteilung der
Flächen. Eine
Schrift über die
Kegelschnitte
[* 13] ist verloren. Bruchstücke
sind
¶
mehr
vorhanden aus einem Werk »De levi et ponderoso« in lateinischer Sprache.
[* 15] Verloren gegangen sind drei Bücher »Porismen«, deren
Inhalt sich aber aus den Angaben des Pappus mit großer Wahrscheinlichkeit ergibt; vgl. Chasles, Les trois livres de Porismes
d'Euclide, etc. (Par. 1860). Ein Gedicht in der griechischen Anthologie scheint nicht von Eukleides
verfaßt,
sondern an ihn gerichtet zu sein. Ausgaben der Werke des Eukleides
besorgten Gregory (Oxf. 1703), Peyrard (Par. 1814-18, 3 Bde.)
und Heiberg und Menge (Leipz. 1883 ff.).
Vgl. Cantor, Eukleides
und sein Jahrhundert (im Supplement zu Schlömilchs »Zeitschrift der Mathematik
und Physik«, Bd. 12, 1868);
Heiberg, Litterargeschichtliche Studien (Leipz. 1882);
Dodgson, Euclid and his modern rivals (Lond. 1879).