Euböa
(neugriech. Evvia oder Egripos, bei den Italienern Negroponte), griechische, besonders im Altertum wichtige Insel im Ägeischen Meer, dicht an der Ostküste von Mittelhellas (s. Karte »Griechenland«), [* 3]
hat 3681 qkm (66,85
QM.) Flächeninhalt und eine schmale, langgestreckte Gestalt. Sie mißt von dem nördlichen
Vorgebirge Pondikonisi (dem alten
Artemision, s. d.) bis zur Südspitze Mantelo (dem alten Gerästos) 158 km
Länge; ihre größte
Breite
[* 4] von 40 km hat sie beim
Euripos oder der
Meerenge von
Negroponte. Im
NW. wird Euböa
durch
den
Kanal
[* 5] von Trikeri von der Südküste
Thessaliens, im W. durch den
Kanal von
Negroponte und den
Kanal von
Talanti (im
Altertum
Euböisches Meer) und die
Meerenge
Euripos vom
Festland
(Attika,
Böotien und
Lokris) geschieden.
Rom

* 6
Rom.
Die
Gebirge von Euböa
gliedern sich in drei
Gruppen und teilen die
Insel in drei Teile, welchen die politische
Einteilung in Eparchien entspricht. In der Mitte (Eparchie
Chalkis) erhebt sich, nahe der Ostküste, bis zu 1745 m das meist
aus
Thonschiefer bestehende Dirphysgebirge (jetzt
Delphis), dessen Abhänge noch heute reich mit
Kiefern,
Tannen,
Kastanien und
Platanen bewachsen sind. Von ihm gegen
NO. in der Eparchie Karystia zieht sich das Mavrovunigebirge (1122
m), welches beim Städtchen Kumi (ehemals
Kyme) bedeutende Braunkohlenlager hat. Im S. liegt der Ocha
(Hagios
Ilias, 1404
m),
aus
Glimmerschiefer bestehend, doch in seinen höhern Teilen weißen, grün gestreiften
Marmor (Cipollino) bergend, welcher
für die Bauten des kaiserlichen
Rom
[* 6]
gesucht war.
Der im
Altertum hier gefundene
Asbest scheint erschöpft zu sein. Die alten Anwohner des Ocha trieben starke Purpurfischerei
und, wie die Schlackenhalden zeigen,
Bergbau
[* 7] auf
Eisen
[* 8] und
Kupfer.
[* 9] Der
Norden
[* 10] von Euböa
, dessen äußerster Teil die Eparchie Xerochori
einnimmt, ist wohlbewaldet und wasserreich und von den Verzweigungen des 970 m hohen Glimmerschiefergebirges
Galzades erfüllt, welches unter dem
Namen Telethrion bei den Alten wegen seiner vielen
Arzneipflanzen
[* 11] berühmt war.
Getreide (Zusammensetz

* 13
Getreide.
Außerdem erhebt sich zwischen letzterm und dem Dirphys dicht an der Westküste bis zu 1209 m
Höhe das Makistos- (jetzt Kandili-)
Gebirge. Im N. beim heutigen Dipso, dem alten Aidepsos, befinden sich warme, schwefelhaltige
Quellen, welche
heute wie in römischer Zeit von Hautkranken, Gichtischen etc. viel besucht sind. Nach O. stürzt
Euböa
steil ab, die
Küste ist mit Felsenriffen und berüchtigten
Klippen
[* 12] umgürtet und hat wenig Landungsplätze. Die Westseite
der
Insel fällt allmählicher ab und enthält schöne
Wälder und jene fruchtbare, von spiegelklaren Flüßchen
bewässerte
Ebene Lelanton, welche im
Altertum Euböa
zu
Athens Kornkammer machte und noch jetzt
Getreide,
[* 13]
Öl,
Feigen und
Wein im Überfluß
hervorbringt.
Ein
Fluß von Bedeutung ist nicht vorhanden. Eine Hauptbeschäftigung der Bewohner (1879: 81,742), die ein schön gestalteter,
kräftiger und heiterer Menschenschlag sind, bildet die
Zucht von
Schweinen,
Schafen und
Ziegen, die in den
kräuterreichen Bergtriften und in den
Thälern vortreffliche
Nahrung finden. Auch sehr geschätzter
Honig kommt in den
Handel.
Während der
Norden und die Mitte der
Insel nur von Griechen bewohnt werden, ist die
Bevölkerung
[* 14] des
Südens (von Aliveri und
Avlonari an) aus Griechen und
Albanesen gemischt. Mit den
Inseln
Skyros,
Skiathos,
Skopelos, Chilidromi u. a.
bildet Euböa
einen
Nomos des
Königreichs
Griechenland, der auf 4199 qkm (76,2 QM.) 1879: 95,136 Einw.
zählte und in die vier Eparchien
Chalkis, Xerochori, Karystia und
Skopelos zerfällt.
Vgl.
Baumeister, Topographische
Skizze
der
Insel Euböa
(Lüb. 1864).
Spottiswoode - Sprache

* 15
Sprache. Als die ältesten Bewohner Euböas
werden die illyrischen Abanten, im N. die
Hestiäer und Hellopen und
im S. am Ochagebirge die
Dryoper genannt. Um 1100
v. Chr. wanderten die
Ionier ein, welche sich über die ganze
Insel ausbreiteten,
und deren
Sprache
[* 15] auch von den Ureinwohnern angenommen wurde. Der
Handel war schon in früher Zeit blühend
und wurde durch zahlreiche
Kolonien auf der
Halbinsel Chalkidike, an der thrakischen
Küste, in
Italien
[* 16]
(Cumä,
Rhegium) und auf
Sizilien
[* 17] befördert.
Euböisches Meer - Euca

* 19
Seite 5.897.Die Fruchtbarkeit des Landes und die Industrie der Einwohner, welche ihr Kupfer und Eisen selbst verarbeiteten, lieferten den Schiffen ihre Ladung. Dank der weiten Verbreitung der euböischen Handelsunternehmungen erhielten die euböischen Münzen [* 18] allgemeine Anerkennung. Künste und Wissenschaften standen in hoher Achtung. Man rühmte sich des Philosophen Menedemos, welcher die euböische Schule gründete, und des Aristoteles, welcher sich lange Zeit auf der Insel aufhielt und in Chalkis starb. Von den 70 Städten und Ortschaften, deren Diodoros von Sizilien gedenkt, waren Karystos an der Südküste (durch seinen Marmor und Asbest berühmt), Chalkis und Eretria die wichtigsten; zwischen letztern herrschte lange ein Streit über den Besitz des Lelantischen Gefildes. Dann folgten die Chalkidier der Hegemonie der Spartaner. Von Handelseifersucht aufgereizt, unternahmen die Chalkidier im Bund mit Sparta und Theben 507 einen ¶
mehr
Kriegszug gegen Athen,
[* 20] wurden aber besiegt, worauf die Athener sich der Stadt Chalkis bemächtigten und 4000 Kolonisten dort
ansiedelten. Dankbarkeit für die frühere Hilfe bewog 499 die Einwohner von Eretria, den Ioniern gegen Persien
[* 21] Hilfe zu senden,
was zur Folge hatte, daß Dareios 490 die Stadt zerstören und die Einwohner in die Gegend von Babylon versetzen
ließ. Seit den Perserkriegen stand Euböa
unter athenischer Herrschaft, eine Empörung wurde von Perikles 445 unterdrückt. 411 fiel
die Insel von ihnen ab, wurde nach dem Peloponnesischen Krieg von Sparta, dann aber wieder von Athen abhängig, welches um 376 die
ganze Insel abermals beherrschte.
Venedig

* 22
Venedig.
Nach der Schlacht bei Leuktra schlossen sich die Euböer den Thebanern an und unterstützten diese gegen Sparta. Ais Eretria um 358 von
andern Städten Euböas
und den Thebanern bedroht wurde, suchte es Hilfe in Athen. Darauf vertrieben die Athener die Thebaner
von der Insel, ohne sie selbst behaupten zu können. Seit dieser Zeit wechselte die Herrschaft fortwährend
unter Bürgerkriegen und fremden Eingriffen. Endlich erhob sich wieder eine große Anzahl Tyrannen, welche meist durch den König
Philipp von Makedonien unterstützt wurden, der jedoch Teile der Insel selbst besetzte, bis die Schlacht bei Chäroneia 338 sie
ihm mit dem übrigen Griechenland unterwarf. 194 von den Römern für frei erklärt, bildeten die Städte
der Insel einen unabhängigen Bund, der sich bis 146 behauptete, wo Euböa
dem römischen Reich einverleibt wurde. 1204 n. Chr. wurde
die Insel den Byzantinern entrissen und kam zunächst unter die Herrschaft lombardischer Großen, die am vierten Kreuzzug teilgenommen
hatten; doch erlangte die Republik Venedig
[* 22] bald die Oberhoheit und um 1351 die ausschließliche Herrschaft
über Euböa.
Unter türkische Herrschaft kam die Insel 1470 und blieb unter derselben, bis sie 1821 auf den Ruf der Modena Maurogenia
das Banner der Freiheit erhob. Später ward sie dem neugebildeten Königreich Griechenland einverleibt.