Die Unwahrscheinlichkeiten des ganzen
Berichts sind so massenhaft und die Rachgier, welche die
Phantasie des Verfassers leitet,
so handgreiflich, daß schon
Luther den stärksten Anstoß an dem
Buch nahm, welches übrigens auch den
NamenGottes nicht nennt und bloß eine legendenhafte
Erklärung der Entstehung des jüdischen Purimfestes darstellt. Seine
Abfassung fällt in das
Zeitalter der
Ptolemäer und
Seleukiden. In der
Septuaginta und
Vulgata finden sich noch verschiedene
Ausschmückungen der alttestamentlichen
Erzählung, welche
Luther unter dem
Namen
»Stücke in Esther« größtenteils zusammenfaßte
und den
Apokryphen zugesellte.
Vgl.
Oppert, Commentaire du livre d'E. d'après la lecture des inscriptions perses (Par. 1864).
Unter den dramatischen
Dichtungen, welche die Geschichte der Esther zum Gegenstand haben, stehen das berühmte Spätlingswerk
Racines (1689) und
Grillparzers unvollendetes
Drama »Esther« (1845) obenan.
heißt nach seiner Heldin eins der jüngsten Bücher des Alten Testaments. Die Fabel des Buchs ist folgende: der
pers. König Ahasverus (d. i. Xerxes) feiert im dritten Jahre seiner Regierung zu Susa ein Gastmahl, zu welchem
er alle Könige und Fürsten seines Reichs eingeladen hat. Die Königin Vaschti bekommt Befehl, dabei zu erscheinen, weigert
sich aber. Zur Strafe für ihren Ungehorsam wird sie verstoßen. Um einen Ersatz zu gewinnen, läßt Xerxes unter den Jungfrauen
des ReichsAuslese halten.
Unter vielen andern wird auch eine Jüdin, Hadassa, d. i. Myrte genannt, in den Harem eingeliefert. Auf
den Rat ihres Onkels und Vormundes Mardochai verschweigt sie ihre Herkunft und empfängt den pers.
NamenEsther, d. i. Stern. Im 7. Jahre des Xerxes kommt sie in den Palast, findet Gnade vor XerxesAugen und wird
zur Königin erhoben. Durch ihre Vermittelung entdeckt Mardochai eine Verschwörung. Weil er jedoch dem Günstling des Königs,
Haman, die Adoration verweigert, so bittet dieser den König, alle Juden töten zu dürfen.
Der Tag dazu wird durchs Los (pûr) festgestellt. Am 13. Adar im 12. Jahre des Xerxes sollen alle Juden im
pers. Reiche getötet und ihre Güter geplündert werden. Haman läßt schon den Pfahl aufrichten, an welchen er Mardochai hängen
will. Da läßt sich der König eines Tages aus der Reichschronik vorlesen und stößt hierbei auf eine Erwähnung des ihm
von Mardochai geleisteten Dienstes. Da eine Erkundigung ergiebt, daß er hierfür noch keine Belohnung
erhalten hat, so befiehlt er Haman, ihn nachträglich zu ehren. Esther entdeckt Xerxes Hamans Ränke. Da dieser noch dazu in seiner
Angst den Argwohn des eifersüchtigen Xerxes erregt, so wird er aufgehenkt.
Das frühere Dekret gegen die Juden kann zwar wie alle Dekrete pers. Könige nicht annulliert werden.
Dafür aber erhalten die Juden die Erlaubnis, ihre Feinde zu töten und ihre Habe zu plündern. Mardochai verläßt mit königl.
Gewändern geschmückt den Palast. Unter den Juden herrscht große Freude. Sie feiern die fröhliche Kunde durch einen Schmaus.
Als der Tag herankommt, töten sie 75000 Perser. Da Esther hierdurch noch nicht ganz befriedigt ist, so erlaubt
der König den Juden, das Mordgeschäft noch am 14. Adar fortsetzen zu dürfen.
Zum Andenken daran schreibt Mardochai das Fest der Lose, d. h. Purimfest (s. d.) aus. Es ist offenbar, daß der Inhalt dieses
Buchs unhistorisch ist. In seinem 7. Jahre hatte Xerxes die Amestris zur Frau, von welcher er sehr abhängig
war. Zudem entnahmen die pers. Könige ihre Frauen aus den edelsten pers.
Familien, mit Vorliebe ihrer nächsten Verwandtschaft. Der Gedanke, daß mit Einwilligung eines pers. Königs von den Juden
im ganzen Reich 75000 Perser erschlagen worden sein sollten, ist abgeschmackt. Gleiches¶
mehr
Ungeschick zeigt der Verfasser bei Verwertung der biblischen Angaben. Mardochai ist nach Esther 2, 6 mit Jojachin
(597 v. Chr.) ins Exil geführt worden. Xerxes kam 485 v. Chr. zur Regierung. Im 7. Jahre des Xerxes war daher Mardochai, wenn
er als Säugling deportiert worden ist, etwa 120 Jahre, Esther 60‒90 J. alt. Daran ändert der Umstand nichts,
daß der Verfasser im übrigen mit Sitten und Unsitten orient. Hofhaltungen nicht übel vertraut ist. Das BuchEsther, ein Lieblingsbuch
des spätern Judentums, beabsichtigt, das in später Zeit von den Babyloniern und Persern entlehnte Purimfest den Juden zu empfehlen,
indem es eine nationale Begründung für dasselbe aufstellt. Wie das Passah soll es zur Erinnerung an eine
Rettung des Volks gefeiert werden. Der Verfasser knüpft aber an eine Volksetymologiepûr = Los an, während in Wirklichkeit
der Name Purim ein Fremdwort ist und die Festschmäuse bezeichnet.