Titel
Essig
und Essig
säure. Essig (lat. acetum, frz. vinaigre,
engl. Vinegar) besteht im wesentlichen aus mit Wasser stark verdünnter Essig
säure; der Mischung
sind aber noch andre Stoffe beigemengt, die je nach dem Material, aus dem der E. bereitet wurde, verschieden
sind und von dem die Verschiedenheiten im Geruch und Geschmack und in der Färbung der Ware abhängen. Der Gehalt der gewöhnlichen
Gebrauchsessige
an reiner Essigsäure ist 2-4%, bei Weinessig 6-8%. Die Essigsäure selbst aber entsteht durch einen Oxydationsprozeß
aus
Alkohol, daher E. sowohl aus diesem und aus vergorenen und daher alkoholhaltigen Flüssigkeiten
(Wein,
Bier) wie aus stärke- und zuckerhaltigen Materialien
(Malz,
Obst, Runkelrüben) hergestellt werden kann; hierbei muß jedoch
die
Stärke stets zunächst in
Zucker und dieser in
Alkohol übergeführt werden. Die Essig
bildung tritt bekanntlich oft unerwünscht
bei schwachgrädigen alkoholhaltigen Getränken ein, welche bei Zutritt der Luft in warmen Räumen sauer
werden;
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diese Erfahrung wurde seit alten Zeiten zur Bereitung des nöthigen E. in einfachster Weise benutzt und sie liegt den heutigen
rationellern Fabrikationsweisen auch zum Teil zu Grunde. Die Bedingungen der Essig
bildung aus alkoholischen Flüssigkeiten
sind 1) eine etwas erhöhte Temperatur, die gewöhnlich zwischen 20 und 35° C. genommen wird;
2) eine genügende Verdünnung der zu säuernden Flüssigkeit mit Wasser;
3) reichliche Zufuhr von Luft;
4) zur schnellern Ingangsetzung der Essig
bildung die Anwesenheit eines Gärungserregers. Bier, Wein, Obstmost etc. haben schon
das nötige Ferment in Eiweißstoffen, Hefe etc. bei sich. Als gewöhnlicher Erreger dient ein Zusatz von E. oder Essig
mutter,
ein aus Essig
pilzen bestehender Rückstand. Unter diesen Bedingungen also wird die Essigbildung eintreten,
die in einer Aufnahme von Sauerstoff von Seiten des Alkohols besteht, wobei zunächst Aldehyd und aus diesem Essig
säure gebildet
wird, die in dem gleichzeitig vorhandenen Wasser gelöst ist.
Nach der alten Methode erzeugt man den E. in eichenen, ausgesäuerten Fässern, die halbgefüllt unter
Luftzutritt in Essig
stuben und Lagern die zu säuernde mit E. gemischte Flüssigkeit enthalten. Die Säuerung greift dabei
an der Oberfläche Platz, der gebildete E. sinkt als schwerer alsbald nach unten, sodaß der Prozeß immer weiter gehen kann,
bis in 4 Wochen oder noch längerer Zeit die Säuerung durch die ganze Masse erfolgt ist. Gegenwärtig
ist die Herstellung in dieser Weise sehr in Abgang gekommen und es wird namentlich wenig Bier- und Obstessig
im Großen mehr
dargestellt; um so allgemeiner ist die Erzeugung von Branntwein- oder Spiritusessig
auf dem Wege der sog. Schnellessig
fabrikation.
Die Darstellung von Weinessig
in den weinbauenden Ländern ist als eine Spezialität natürlich von diesem
Wandel der Dinge weniger berührt worden. Guter Weinessig
findet immer sein Publikum. Zu den gewöhnlichen Qualitäten desselben
bestehen die Rohstoffe nur aus Trestern, Traubenkämmen und andern Weinabgängen, während die erste Qualität aus wirklichem
Wein gemacht wird und natürlich um so schöner ausfällt, je besser dieser genommen wurde. Zur Bereitung
solchen E.'s benutzen die Produzenten in Frankreich möglichst den Sonnenschein; die Säuerungskästen sind im Freien aufgestellt
und mit Glasdeckeln versehen, die ab und zu des Luftwechsels halber behutsam geöffnet werden. Für gewöhnlich stellt man
Weinessig so dar, daß man in Fässern zu E. kleinere Portionen Wein setzt und wartet bis das Ganze sich
in 8-14 Tagen in E. verwandelt hat und in dieser Art fortfährt bis das Faß seine Füllung hat. Man ersetzt dann den von
Zeit zu Zeit abgezogenen E. immer wieder durch ebenso viel Wein, und kann in dieser Weise jahrelang fortfahren.
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Die Darstellung des E. aus Spiritus wird jetzt im großen Fabrikmaßstabe betrieben. Die Einrichtung derselben beruht auf den alten Grundsätzen, doch so, daß denselben in möglichst ausgiebiger Weise genügt wird und besteht darin, daß der mit Wasser genügend verdünnte und mit etwas fertigen E. vermischte Spiritus in möglichst innige Berührung mit der Luft kommt; man erreicht dies dadurch, daß der Spiritus in mit Hobelspänen gefüllten Bottichen langsam von oben nach unten sickert.
Diese Gefäße (Essigständer oder Essigbilder) sind aus Eichenholz gezimmert, 2-2½ m hoch und ca. 1 m weit. Unten etwa 24 cm über dem Boden des Fasses sind ringsum eine Anzahl Löcher für den Eintritt der Luft angebracht. Sie sind abwärts laufend gebohrt, damit der tropfende E. hier keinen Ausgang findet. Etwas höher liegt ein zweiter siebartig durchbrochener Boden. Auf diesem ruht die Füllung von essiggetränkten Hobelspänen von Buchenholz, die bis etwa 24 cm unter den obern Rand heraufgeht.
Den Beschluß nach oben macht wieder ein hölzerner Siebboden, der gut auf seinem Lager einpaßt. In die Löcher dieses Bodens sind Stückchen Bindfaden eingezogen, die durch Knoten am obern Ende in ihrer Stellung erhalten werden. In diesem Boden sind noch einige größere Zuglöcher mit eingesetzten Glasröhren angebracht, durch welche die oben angekommene, ihres Sauerstoffs teilweise beraubte Luft entweicht. Auf den obern Boden wird das Essiggut aufgegeben, das nur durch die von den Bindfäden teilweis verstopften Löcher und nur in feiner Verteilung eindringen kann und sich dergestalt durch die Späne hindurch nach unten zieht.
Die Fabrikräume, wo die Essigständer stehen (manchmal über 100) sind entsprechend geheizt. Mit dem Anfang der Oxydation, also Essigbildung hebt sich auch die Temperatur in den Ständern. Vermöge der Verschiedenheit der Temperatur innen und außen findet also ein beständiger Luftdurchgang durch die Ständer statt, der aber genau kontrolliert und reguliert werden muß. Das einmal durchgegangene Essiggut gibt gewöhnlich noch nicht hinreichend starken E. Man läßt es daher einen zweiten und je nach der verlangten Stärke wohl noch einen dritten Ständer passieren unter Zusatz neuer Portionen verdünnten Alkohols.
Der in solcher Weise hergestellte Fabrikessig kann nicht nur viel rascher, sondern auch stärker und wohlfeiler geliefert werden als auf dem alten Wege. Der so gewonnene E. enthält gewöhnlich 12-14% Essigsäure und wird im Handel mit dem Namen Essigsprit belegt; um Speiseessig daraus zu bereiten, muß er mit Wasser verdünnt werden, sodaß er ca. 4% Essigsäure enthält. Beim Essighandel im Großen ist es natürlich von Wichtigkeit, den wirklichen Gehalt der Ware an Essigsäure zu kennen und zu ermitteln und hierfür praktische Methoden zu haben.
Der Gebrauch von Senkwagen, also die Prüfung des spez. Gewichts ist aus mehrern Gründen hierbei ausgeschlossen; erstlich enthalten Wein-, Obst-, Malz- etc. Essige neben Essigsäure und Wasser noch andre Substanzen, die das Gewicht beeinflussen, und selbst bei reiner, nur aus Wasser und Essigsäure bestehender Ware ist immer noch der Umstand hinderlich, daß die verschiednen Stärken zu geringe Gewichtsunterschiede zeigen, für welche die Senkwagen nicht empfindlich genug sind. Man prüft daher den E. durch Sättigen mit Alkalien auf seine Stärke. Die Prüfung des E. auf Verfälschungen mit ¶
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andren Säuren oder scharfen Pflanzensubstanzen muß dem Chemiker überlassen werden. Übrigens gibt schon das Eindampfen einer Probe und Prüfung der dabei auftretenden Gerüche und Geschmäcke dem Geübten ziemlich guten Aufschluß über die Beschaffenheit eines E. -
Die Essigsäure (Acetylsäure, lat. acidum aceticum, frz. acide acétique, engl. acetic acid), also das saure Prinzip des E. ohne Verdünnungswasser, ist ebenfalls Gegenstand der Fabrikation und des Handels und kommt in verschiednen Graden der Stärke und Reinheit vor. Eine direkte Trennung von Wasser und Säure ist nicht ausführbar, man bindet daher die Säure des E. an eine Basis, stellt also ein essigsaures Salz dar, das man trocknet und durch Einwirkung einer starken Säure wieder zerlegt.
Das gewöhnlich angewandte Salz ist das essigsaure Natron und die Säure Schwefelsäure. Das Salz wird zunächst durch Schmelzen über Feuer entwässert, dann mit überschüssiger Schwefelsäure der Destillation unterworfen, die Essigsäure destilliert über und saures schwefelsaures Natron bleibt zurück. Die meiste Essigsäure wird jetzt aus Holzessig (s. d.) bereitet und zwar in einer Reinheit, daß man ihren Ursprung nicht mehr erkennen kann. Hat man geschmolzenes, d. h. wasserfreies essigsaures Natron angewendet, so erhält man die stärkste Essigsäure, gewöhnlich Eisessig (acidum aceticum glaciale) genannt; war jedoch das zu zersetzende Salz nicht vollständig entwässert, so daß also noch etwas Wasser mit in das Destillat übergeht, so erhält man eine mehr oder weniger wasserhaltige Essigsäure.
Die Säure bildet dann eine wasserhelle Flüssigkeit, die, auf +8° abgekühlt, sich teilweise in helle eisähnliche Kristalle verwandelt. Die wasserfreie Säure dagegen gesteht unter diesen Umständen vollständig zu farblosen Kristallen, die sich erst bei 17° wieder verflüssigen. Gießt man von den Kristallen der erwähnten konzentrierten Essigsäure das flüssig Gebliebene ab, so hat man dieselbe stärkere Säure. Übrigens mag noch bemerkt sein, daß auch die stärkste Säure nicht eigentlich wasserfrei ist, sie enthält noch Wasser, welches sich nicht austreiben läßt, ist demnach Essigsäurehydrat.
Nur in ihre Salze geht sie wasserfrei ein. Das auf ganz andre Weise zu erzeugende Essigsäureanhydrit kommt nicht in den Handel. Der Eisessig hat den Essiggeruch und Geschmack äußerst konzentriert und stechend, ist sehr flüchtig und sein Dampf ist brennbar. Auf die Haut wirkt er stark ätzend und zerstörend. Reine geschmolzene Eisessigsäure muß reines Zitronenöl klar auflösen; sowie die Säure schwächer ist, d. h. (nicht chemisch gebundenes, sondern nur beigemengtes) Wasser enthält, löst sich das Zitronenöl nicht mehr darin. Im Handel bezeichnet man eine Essigsäure von 1,070 specif.
Gew. oft auch noch als Eisessig (der stärkste Eisessig hat 1,063 specif. Gew.); diese Säure löst jedoch Zitronenöl nicht mehr auf, wohl aber Nelkenöl. Außer diesen beiden stärksten Sorten hat man im Handel noch schwächere, so z. B. Essigsäure von 1,060 specif. Gew. (= 10° Beck oder 8½ Bmé.), ferner solche von 1,056 specif. Gew. (= 9° Beck oder 8° Bmé.) und von 1,040 specif. Gew. (= 6½° Beck oder 6° Bmé.). Außer nach der Stärke unterscheidet man die Essigsäure des Handels auch noch nach dem größeren oder geringeren Grade ihrer Reinheit; man hat hiernach: rohe oder technische Essigsäure (acidum aceticum crudum), welche noch schwachgelblich gefärbt ist und einen geringen brenzlichen Nebengeruch besitzt, ferner gereinigte Essigsäure (acidum aceticum purum) farblos ohne Nebengeruch, und chemisch reine Essigsäure (acidum aceticum purissimum), die frei von allen fremden Bestandteilen sein muß. -
Die Versendung der Essigsäure erfolgt in Glasballons, beim Eisessig in solchen mit Glasstöpsel. Die Essigsäure wird in der Medizin und Färberei, in der Teerfarbenfabrikation und zur Bereitung verschiedner chemischer Präparate benutzt; die Eisessigsäure findet hauptsächlich in der Photographie Verwendung. Bei der Bestimmung der Stärke der Essigsäuresorten ist das spezifische Gewicht nicht in allen Fällen, sondern nur bei den schwächeren Sorten maßgebend, da das Maximum der Dichte dieser Säure nicht mit dem Maximalgehalte an Essigsäurehydrat zusammenfällt, sondern vielmehr das Maximum der Dichte einer wasserhaltigen Säure zukommt, und die Dichte von diesem Punkte aus, sowohl bei steigendem Essigsäuregehalte, als auch bei steigendem Wassergehalte abnimmt. So hat z. B. eine Essigsäure von 41% Essigsäuregehalt und 59% Wasser bei 15° C. dasselbe spezif. Gew. wie das wasserfreie Essigsäurehydrat (Eisessig) von 100%. Es muß also, um hier Irrtum zu vermeiden, die Säure auf +8° C. abgekühlt werden, um zu sehen, ob sie erstarrt, was bei der 41 prozentigen von demselben spezifischen Gewicht nicht der Fall ist, oder man muß ermitteln, wie viel die betreffende Säure Natron zu ihrer Sättigung bedarf. - Einfuhrzoll für Essig und Essigsäure s. Tarif Nr. 25 d 1 u. 2. Für den zur Essigbereitung unter amtlicher Aufsicht mit Essig und Wasser vermischten Branntwein wird die Steuer nach den gleichen Sätzen, wie beim Export des letzteren vergütet.