Erstickung
(Suffocatio), diejenige Todesart, welche durch Entziehung atembarer Luft und die darauf folgenden Blutveränderungen bewirkt wird. Sobald nämlich kein Sauerstoff mehr in die Lungen gelangt, nimmt das Blut im Herzen wie im ganzen übrigen Körper eine dunkle, dünnflüssige Beschaffenheit an, häuft sich in den Lungen, dem rechten Herzen, den Körpervenen und dem Gehirn [* 2] an und lähmt die Thätigkeit des Gehirns (Betäubung) sowie die des verlängerten Marks, der Atmungs- und Herznerven, worauf der Tod von diesen Zentralorganen aus bald durch Stickfluß (Atmungslähmung), bald durch Hirnlähmung erfolgt.
Die Erstickung
wird entweder dadurch veranlaßt, daß die äußere
Luft verhindert wird, in die
Lungen zu gelangen, also z. B. durch
Erdrosseln, durch
Verstopfung der
Luftwege und
Lungen mit fremden
Flüssigkeiten, wie beim
Ertrinken (s. d.) und
beim
Lungenödem oder
Stickfluß (s. d.), oder dadurch, daß statt der atmosphärischen
Luft ein andres entweder einfach unatembares
(sauerstoffloses) oder direkt giftiges
Gas eingeatmet wird. Wird die
Respiration durch irgend eine
Ursache aufgehoben, so entsteht
alsbald ein
Gefühl von unnennbarer
Angst, welches sich bald auf den höchsten
Grad steigert, während der
Kranke alle nur möglichen Anstrengungen, um
Luft in die
Lungen hineinzufördern, macht.
Dann, namentlich wenn die Respiration noch etwas fortdauert, stellen sich Schwindel und Schwere des Kopfes ein; das Gesicht, [* 3] namentlich die Lippen, und in schwächerm Grad auch die übrige Körperoberfläche färben sich düster blau. Sehr bald, schon nach 1-3 Minuten, werden auch die sensoriellen Funktionen unterbrochen; es tritt Verlust der Besinnung und alles Gefühls ein. Fast zu gleicher Zeit hört auch das Kontraktionsvermögen der willkürlichen Muskeln [* 4] auf, ¶
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und der Kranke stürzt zu Boden. Von allen Lebenserscheinungen ist nur die Zirkulation des Bluts, allerdings in vermindertem Grad, noch übriggeblieben, und endlich steht auch diese still. Der Leichnam der Erstickten bietet bei der Untersuchung folgende Merkmale dar: Die äußere Haut [* 6] ist schmutzig blaurot, namentlich am Gesicht. Das Parenchym aller Organe, besonders dasjenige der Lungen, Leber, Milz, Nieren, ist mit schwarzrotem, dünnflüssigem Blut erfüllt, welches keine Neigung zur Gerinnung zeigt.
Die Blutmasse ist vorzugsweise in den großen Venenstämmen des Körpers angehäuft. Da dem Tode durch Erstickung
in der Regel ein längeres
oder kürzeres Stadium des Scheintodes vorangeht, so sind Belebungsversuche bei Erstickten immer sehr am
Platz. Die erste Sorge muß dahin gerichtet sein, womöglich das Hindernis für freie Respiration zu beseitigen. Zu diesem
Zweck muß manchmal sofort eine Operation, z. B. die Eröffnung der Luftröhre mit dem Messer,
[* 7] vorgenommen werden.
Jedenfalls ist die Mund- und Rachenhöhle alsbald genau darauf zu untersuchen, ob sich hier ein fester
Körper befindet, welcher ein Hindernis für die Respiration abgibt. Handelt es sich um Erstickung
durch irrespirable Gasarten, so
ist der Scheintote alsbald in gesunde Luft zu verbringen. Nächstdem sucht man die unterbrochene Respiration wiederherzustellen,
zu welchem Zweck die Anwendung des galvanischen Stroms auf die Atmungsmuskeln und das Zwerchfell besonders
sich eignet.
Weiterhin ist zu empfehlen die von Marshall Hall [* 8] angegebene Methode der künstlichen Atmung, welche darin besteht, daß der Scheintote aus der Rückenlage auf die Seite und auf den Bauch [* 9] und umgekehrt in angemessenen Zeiträumen gewendet wird, wobei die Arme abwechselnd vom Rumpf abgezogen und wieder angedrückt werden. Daneben mag man Reibungen der Haut und andre Reizmittel mit Vorsicht anwenden. Hauptsache bei allen Versuchen zur Wiederbelebung eines Scheintoten ist die, daß man in den Versuchen nicht zu früh ermüde. Es ist mehrfach vorgekommen, daß erst nach ein- bis zweistündiger Manipulation die ersten Zeichen des zurückkehrenden Lebens sich eingestellt haben.
Vgl. Müller, Behandlung Verunglückter bis zur Ankunft des Arztes (Berl. 1877);
Esmarch, Die erste Hilfe bei plötzlichen Unglücksfällen (Leipz. 1882).