Titel
Eröffnung
des
Hauptverfahrens
(Verweisungsbeschluß,
Verweisungserkenntnis,
Versetzung in den Anklagestand), der Gerichtsbeschluß,
daß in einer
Strafsache die mündliche
Hauptverhandlung stattfinden soll. Die
Notwendigkeit, unter öffentlicher
Klage vor
Gericht
erscheinen zu müssen, ist für den Angeschuldigten unter allen Umständen ein Nachteil, oft sogar ein erhebliches Unglück,
welches selbst durch eine in der mündlichen
Verhandlung erfolgende
Freisprechung nicht wieder
völlig
gutgemacht werden kann.
Darum ist die moderne Strafprozeßgesetzgebung darauf bedacht, dem
Bürger die möglichste
Garantie zu geben, daß willkürliche
Anklagen gegen ihn vermieden werden, und ebendarum setzt sie wenigstens in den schwereren Anklagefällen einen Richterspruch
voraus, wenn die
Hauptverhandlung gegen den Angeschuldigten überhaupt stattfinden soll. Nur bei
Übertretungen
und geringfügigen
Vergehen kann in dem
Verfahren vor den
Schöffengerichten ohne schriftliche
Anklage und ohne eine richterliche
Entscheidung über die Eröffnung
nach der deutschen Strafprozeßordnung zur
Hauptverhandlung geschritten werden. Im übrigen ist die
Erhebung der
Klage (s. d.) die Voraussetzung der Eröffnung
, gleichviel,
ob eine gerichtliche
Voruntersuchung stattgefunden
hat oder nicht.
Die Anklageschrift soll den Angeschuldigten zugleich in den
Stand setzen, sich auf seine
Verteidigung gehörig vorzubereiten.
Die Anklageschrift wird dem Angeschuldigten durch den Vorsitzenden des
Gerichts mitgeteilt. Der Angeschuldigte hat sich binnen
einer ihm gesetzten
Frist zu erklären, ob er noch die Vornahme einzelner Beweiserhebungen oder, falls
eine
Voruntersuchung nicht stattgefunden, die
Einleitung einer solchen beantragen, oder ob er
Einwendungen gegen die Eröffnung
vorbringen
wolle. Der Beschluß des
Gerichts über die Eröffnung
kann sodann folgenden
Inhalt haben:
1) Das Gericht kann zunächst noch einzelne Beweiserhebungen oder die Eröffnung einer Voruntersuchung oder die Vervollständigung einer solchen anordnen.
2) Das Gericht beschließt, daß das Verfahren vorläufig einzustellen sei. Dies geschieht dann, wenn der Angeschuldigte nach der That geisteskrank geworden, oder wenn er abwesend ist und es sich um eine That handelt, bei welcher die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeschuldigten nicht stattfinden kann.
3) Der Gerichtsbeschluß geht dahin, daß das Hauptverfahren nicht zu eröffnen sei, aus thatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen. In diesem Fall ist ein etwa erlassener Haftbefehl aufzuheben, auch ist der Angeschuldigte, wenn eine Voruntersuchung stattgefunden hat, außer Verfolgung zu setzen.
4) Es wird auf Eröffnung
erkannt. Dies geschieht dann, wenn der Angeschuldigte einer strafbaren
Handlung »hinreichend
verdächtig« ist. Der Beschluß muß ebendiese
Handlung unter Hervorhebung ihrer gesetzlichen Merkmale, das anzuwendende
Strafverfahren
und das
Gericht bezeichnen, vor welchem die
Hauptverhandlung stattfinden soll. Dieser Beschluß kann von dem Angeschuldigten
nicht angefochten werden, während die Staatsanwaltschaft den ablehnenden Beschluß (3) vermittelst sofortiger
Beschwerde
anfechten kann.
Der Beschluß über die Eröffnung
erfolgt in Schöffengerichtssachen durch den
Amtsrichter, in Land- und Schwurgerichtssachen
durch die zuständige
Strafkammer und in Reichsgerichtssachen durch den ersten
Strafsenat des
Reichsgerichts. Nach der österreichischen
Strafprozeßordnung findet eine gerichtliche
Entscheidung über die Zulässigkeit der
Anklage nur auf Verlangen des Angeschuldigten
statt. Das
Gericht, welches diese
Entscheidung fällt, ist verschieden von demjenigen, welches die
Hauptverhandlung
abhält. Nach englischem
Recht entscheidet über die Eröffnung
in Schwurgerichtssachen die
Anklagejury (s. d.). Nach französischem
Recht hat die Anklagekammer des Appellhofs
(Chambre des mises en accusation) diese
Funktion.
Vgl. Deutsche [* 2] Strafprozeßordnung, § 196 ff, 451, 456, 462; Heinze, Strafprozessualische Erörterungen (Stuttg. 1875);
Glaser, Schriften über Strafrecht und Strafprozeß (2. Aufl., Wien [* 3] 1883). ¶