Erhängen
(lat. Suspensio), gewaltsame Todesart, welche von Selbstmördern sehr häufig gewählt, dagegen zu Zwecken des Mordes nur ganz selten vorgenommen wird. Der Erhängte stirbt den Erstickungstod, indem der Strick oder das sonst gewählte Strangulationsinstrument die Zungenwurzel gegen die hintere Rachenwand andrückt und somit die Luftwege verlegt. Gleichzeitig drückt das fest um den Hals herumliegende Strangulationswerkzeug auf die großen Venenstämme des Halses und verhindert den Abfluß des Bluts aus dem Gehirn [* 2] und schließlich den Blutkreislauf [* 3] im Gehirn überhaupt. Am Hals Gehängter beobachtet man sehr häufig eine Strangrinne oder Strangulationsmarke, d. h. einen rinnenförmigen, bis zu 5 mm tiefen, vom Strick bewirkten Eindruck der Haut, [* 4] welcher um den größten Teil des Halsumfangs herumgeht. Im Grunde der Strangrinne ist die Lederhaut manchmal eingetrocknet, hornartig fest, bräunlich verfärbt.
Das
Gesicht
[* 5] ist blaurot und gedunsen, die
Augen glänzend und die
Hornhaut derselben gespannt (es fehlt also das gebrochene
Totenauge); die
Zunge steht etwas zwischen den
Lippen hervor oder ist zwischen den
Zähnen eingeklemmt. Männliche Individuen
erleiden zuweilen im
Moment des Erhängens
einen Samenabfluß aus der
Harnröhre, auch unwillkürlicher
Kotabgang aus dem
Mastdarm kann erfolgen. Im Innern des
Körpers findet man das
Gehirn und die
Lunge
[* 6] strotzend mit dunkelrotem,
flüssigem
Blut erfüllt, die rechte
Herzkammer ausgedehnt und bluthaltig, die linke
Herzkammer gewöhnlich leer.
Kleine Blutergüsse im
Gehirn, unter dem
Lungenfell und an andern
Orten sind beim
Tode durch Erhängen
etwas ganz
Gewöhnliches. Die gerichtsärztliche Beurteilung Erhängter ist zuweilen eine sehr schwierige, namentlich mit Rücksicht
auf die
Frage, ob im gegebenen
Fall ein
Mord oder ein
Selbstmord vorliegt, oder ob am Ende gar ein bereits Gestorbener von einem
andern aufgehängt wurde. Hierbei ist besonders zu beachten, daß ein
Selbstmord durch Erhängen
selbst dann
möglich ist, wenn der Erhängte mit den
Füßen den
Boden berührt.
Sogar in knieender
Stellung hat man erhängte
Selbstmörder angetroffen. Am ehesten läßt sich die
Frage entscheiden, wenn
Brüche der Kehlkopfsknorpel, Muskelzerreißungen und Blutaustritte an der Strangmarke vorliegen, da durch die etwa vorhandenen
blutigen
Infiltrationen ersehen wird, daß die
Verletzung noch bei Lebzeiten entstanden ist, während die
Abwesenheit einer
Blutung auf nachträglich verursachten
Bruch hinweist.
Ob der
Tod durch Erhängen
oder
Erdrosselung (s. d.) eingetreten
ist, kann nur aus etwa vorhandenen Druckmarken am
Hals und dann aus genauer Untersuchung und Erwägung aller Nebenumstände
geschlossen werden.
Trifft man einen Erhängten, der noch nicht völlig erkaltet ist, so ist sofort nach Lösung der Schlinge künstliche Atmung einzuleiten dadurch, daß man abwechselnd den Bauch [* 7] und dann die Brust des Menschen zusammenpreßt, wobei die Arme rhythmisch nach vorn und rückwärts bewegt werden. Auch die elektrische Reizung der Atmungsnerven ist während der Periode des Scheintodes noch oftmals wirksam.
Vgl. Casper-Liman, Lehrbuch der gerichtlichen Medizin (7. Aufl., Berl. 1881);
Müller, Behandlung Verunglückter bis zur Ankunft des Arztes (das. 1877);
Esmarch, Erste Hilfe bei plötzlichen Unglücksfällen (Leipz. 1882).