Erden
,
in der
Chemie die
Oxyde der
Erdmetalle (s. d.); alkalische Erden
, die
Oxyde der
Erdalkalimetalle. - In der
Geologie
[* 2] versteht man unter Erden
die Zertrümmerungs- und Verwitterungsprodukte der
Gesteine,
[* 3] denen oft noch verwesende
organische
Substanzen, Reste abgestorbener
Pflanzen und
Tiere beigemengt sind (s.
Boden). Je nach der chemischen und physikalischen
Beschaffenheit jener Zertrümmerungs- und Verwitterungsprodukte und nach dem
Gehalt an organischer
Substanz
(Humus) eignet sich
die
Erde mehr oder weniger gut für verschiedene
Pflanzen, und die
Gärtnerei präpariert daher für ihre
Bedürfnisse verschiedene
Erdarten.
Bisweilen genügt gute Gartenerde, wie sie der sorgfältig bearbeitete und reichlich gedüngte Gemüsegarten liefert; häufiger kann man gute Komposterde benutzen, die durch Zusatz von Lehm oder Sand schwerer oder leichter gemacht wird. Ähnlich ist die Rasenerde, die man aus abgeschältem Rasen von fruchtbaren, lehmig-sandigen Wiesen oder Triften herstellt, indem man denselben auf Haufen setzt, wiederholt umsticht und mit Stallmist mischt. Für manche Pflanzen benutzt man Moorerde, die, der obern Schicht von Moorwiesen entnommen, längere Zeit der Luft ausgesetzt und dann reichlich mit Quarzsand gemischt wird.
Ebenso behandelt man die Schlammerde aus
Teichen und
Gräben. Mistbeeterde besteht aus vollständig verrottetem
Dünger.
Heideerde wird in Nadelwäldern gesammelt und
Lauberde in Laubwäldern.
Letztere bereitet man aber auch künstlich,
indem man
Laub und andre Pflanzenabfälle auf
Haufen setzt und wiederholt umsticht, bis sich alles in eine lockere, gleichmäßige
Masse verwandelt hat. Diese
Erdarten werden
zum Teil unvermischt angewandt, für die meisten
Pflanzen aber
mischt man verschiedene
Erdarten, namentlich
Heideerde und
Lauberde, und setzt je nach
Bedürfnis
Lehm (am besten von alten Lehmwänden),
Sand und
Kalk (von alten
Mauern) hinzu. Für manche
Zwecke wird auch lockeres Torfklein oder reiner Quarzsand und, wenn letzterer
nicht zu haben ist, gewaschener Flußsand benutzt.
Eßbare Erden
nennt man solche Erden, welche von gewissen
Völkerschaften als
Speise benutzt werden.
Der
Gebrauch der
Erde als
Speise
findet sich am häufigsten in
Ländern der heißen
Zone.
Weiber und auch erwachsene
Männer zeigen eine fast unwiderstehliche
Neigung,
Erde zu verschlucken, und nicht etwa nur Kalkerde zur Sättigung von Magensäure, sondern eine
fette, schmierige und stark riechende
Erde. Die Ottomaken am
Orinoko leben, solange die
Überschwemmungen des
Flusses dauern
(2-3
Monate), wodurch ihnen
Jagd, Fischfang und Kräutersuchen unmöglich gemacht sind, von einem feinen, graugelben, schmierigen
Thon, den sie am
Feuer etwas brennen, und auch beim reichsten Fischfang mischen sie diese
Erde unter ihre
Speise.
Man rechnet auf die Person täglich 125 g, und dabei sind diese Leute gesund und kräftig und bekommen auch keinen harten und aufgetriebenen Leib. An den Küsten von Guinea speisen die Neger eine gelbliche Erde als Leckerbissen; noch als Sklaven in Amerika [* 4] suchen sie eifrig nach diesem Genuß, leiden aber hier unter der Befriedigung desselben. Auf den Antillen wählen sie dazu einen rotgelben Tuff, den sie heimlich auf den Märkten kaufen. Auf Java verkauft man den Eingebornen kleine, viereckige und rötliche Kugeln aus schwach auf einem Eisenblech geröstetem Thon.
Die Neukaledonier essen in teurer Zeit große
Stücke eines zerreiblichen
Tropfsteins; eine andre
Erde,
welche die
Neger in
Afrika
[* 5] auf den
Inseln Bunka und
Los Idolos essen, ist ein weißer und zerreiblicher
Speckstein. Die Eingebornen
von Tigua in der kalten
Region von
Quito speisen eine mit quarzigem
Sand vermischte, sehr feine
Thonerde ohne Nachteil.
Sehr allgemein verbreitet ist das Erdeessen in
Persien.
[* 6]
In den
Bazaren werden
besonders zwei
Erdarten feilgeboten: die eine (vom
Mahallatgebirge) ist ein weißer, feiner, etwas fettig anzufühlender
Thon;
die andre (von Kirman) bildet unregelmäßige, weiße, feste Knollen, [* 7] fühlt sich feinerdig an und schmeckt etwas salzig.
Zur Erklärung des Erdeessens in Persien verweist Göbel auf die trockne Hitze der Ebenen, das unthätige Leben der Orientalen und das dadurch bedingte sehr geringe Nahrungsbedürfnis. Wollte sich der Perser den Genuß des Essens stets durch wirkliche Nahrungsmittel [* 8] verschaffen, so würde er sich Indigestionen zuziehen, die in jenen Gegenden sehr ernstlicher Natur sind; ¶
mehr
er greift also zu den Erden
, welche die Thätigkeit des Beißens und Schlingens verschaffen das Gefühl einer vermeintlichen
Sättigung hervorrufen und den Organismus verlassen, ohne die Blutmischung zu alterieren. Das reinliche Aussehen und das sanfte
Gefühl der Erde laden zu dem Genuß ein, den Aberglaube, Unwissenheit und Faulheit überdies zu tief eingewurzelter
Gewohnheit gemacht haben. Auch in Skandinavien und Deutschland
[* 10] findet sich eßbare Erde. So strichen die Arbeiter in den Sandsteingruben
des Kyffhäuserbergs auf ihr Brot
[* 11] statt der Butter einen feinen Thon (Steinbutter) und hielten ihn für sättigend und verdaulich.
Auch einige Tiere fressen vor Hunger Thon oder zerreiblichen Speckstein, z. B. die Wölfe im nordöstlichen
Europa,
[* 12] die Renntiere und Rehe in Sibirien; hier und da werden
solche eßbare Erden auch als Lockspeise und Witterung für die Tiere
gebraucht.