Titel
Erde
(lat. Terra, hierzu die »Erdkarte«),
der von uns bewohnte Weltkörper, welcher ein Planet im Sonnensystem ist. Die Erde kann im allgemeinen unter einem doppelten Gesichtspunkt betrachtet werden, je nachdem wir sie nämlich als Glied des Sonnensystems ins Auge fassen oder uns auf sie als besondern Weltkörper beschränken. Im erstern Fall ist das Ergebnis dieser Betrachtung, die Erdkunde, ein Teil der Astronomie: sie belehrt uns über die Stellung der Erde zu der Sonne und den übrigen Gliedern des Sonnensystems, über ihre Bewegung etc. Im zweiten Fall kommt die Erde zunächst als mathematische Größe in Betracht: wir bestimmen nicht bloß Gestalt, Umfang, körperlichen Inhalt unsers Planeten, sondern suchen auch die Lage der einzelnen Punkte auf ihm durch astronomische Methoden festzustellen.
Beide Disziplinen werden gewöhnlich unter dem Namen astronomische (auch mathematische) Geographie zusammengefaßt. Wie aber der Astronom die Erde mißt, so wägt sie der Physiker und bestimmt ihre Dichtigkeit; er untersucht die Temperatur, die magnetischen Eigenschaften der Erde, die Verteilung von Festem, Flüssigem und Luftförmigem auf ihr, die verschiedene Oberflächengestaltung und geognostische Zusammensetzung des Festen, Klima, Verteilung von Pflanzen und Tieren auf der Oberfläche der Erde; dies alles sind die Gegenstände der physikalischen Geographie, hinsichtlich deren wir auf die betreffenden Spezialartikel verweisen.
I. Gestalt und Bewegung der Erde.
Eine sicher begründete Ansicht über die Gestalt der Erde verdanken wir erst der neuern Zeit. Die Völker des Altertums hatten die verschiedenartigsten Vorstellungen davon. Die Griechen der ältesten Zeit hielten die Erde für eine platte, kreisförmige Scheibe, umflossen vom Ozean und überwölbt von dem auf Säulen ruhenden Himmelsgewölbe, als dessen westlichste Stütze der Atlas galt. Doch lehrten schon Anaximander und Pythagoras die Kugelgestalt der Erde, und unter den spätern Philosophen, z. B. bei Parmenides, Epikur, Platon, ist diese Vorstellung die herrschende. Mit besonderm Nachdruck wies Eudoxos (350 v. Chr.) auf dieselbe hin, Aristoteles aber versuchte schon einen aprioristischen Beweis dafür zu geben. Das Wasser, sagt er, nimmt immer die tiefste Stelle ein, folglich
Äquatorial Maßstab = 1:150000000.
Zum Artikel »Erde«.
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müssen alle Punkte des Meers gleich tief stehen und mithin gleich weit von einem gemeinsamen Mittelpunkt entfernt sein; da aber diese Eigenschaft nur der Kugel zukommt, so muß der Ozean und folglich die ganze Erde Kugelgestalt haben. In den spätern Zeiten des Altertums herrschte unter den Gebildeten über die Kugelgestalt der Erde kein Zweifel mehr, so bei Cicero, Plutarch u. a. Diese Erkenntnis wurde gefährdet durch den alexandrinischen Kaufmann Kosmas, der im 6. Jahrh. Malabar besucht haben wollte und ein mit indischen Fabeln durchwebtes Buch über den Bau der Welt hinterließ, in welchem er der Erde wieder eine tafelförmige Gestalt zuschrieb.
Auch die Kirchenväter waren Gegner der Lehre von der Kugelgestalt der Erde, und noch im 8. Jahrh. bestrafte der heil. Bonifacius im Auftrag des Papstes den Bischof Vergilius von Salzburg, welcher die Existenz von Antipoden behauptete. Ja, selbst bis zum 15. Jahrh. wurde auf Grund gewaltsamer Deutung einzelner Bibelstellen die Kugelgestalt der Erde bestritten, obwohl die Mehrheit der Gebildeten daran glaubte. Die wichtigsten populären Gründe, welche dafür sprechen, sind folgende: die kreisförmige Gestalt des Horizonts, die wir überall wahrnehmen, wo die Aussicht frei und ungehindert ist, und die Erweiterung des kreisförmig bleibenden Horizonts mit der Erhebung des Standpunktes des Beobachters in Verbindung mit dem Umstand, daß man von hohen Gegenständen (Kirchtürmen, Bergen), denen man sich nähert, insbesondere von der See aus, die Spitzen zuerst sieht und diese bei der Entfernung von ihnen zuletzt verschwinden;
die Reisen um die Erde, welche freilich nur darthun, daß die Erde von O. nach W. eine in sich zurückkehrende Oberfläche hat;
die Analogie mit den übrigen Himmelskörpern, welche, soweit wir sie genauer beobachtet haben, sämtlich die Kugelgestalt besitzen;
die Mondfinsternisse, welche ein Stück des Erdschattens auf der Mondscheibe immer als einen Kreisabschnitt zeigen;
die verschiedene Höhe der Gestirne an verschiedenen Orten in Verbindung mit dem Umstand, daß bei einer Wanderung von N. nach S. im N. allmählich Sterne unter dem Horizont verschwinden, im S. dagegen neue aufgehen, was nur dadurch möglich wird, daß die Erde in der Richtung von N. nach S. gekrümmt ist.
Auf ähnliche Weise belehrt uns der Umstand, daß die Sonne an einem weiter nach O. gelegenen Ort früher aufgeht als an einem westlicher gelegenen, über eine der vorigen analoge Krümmung der Erdoberfläche von O. nach W. Fügen wir zu dem Gesagten noch den schon von Aristoteles aufgestellten Grund hinzu, welcher sich aus den Gesetzen der Attraktion und dem Verhalten der Flüssigkeiten ergibt, indem letztere überall, wo sie durch keine Kraft daran gehindert werden, die Kugelgestalt der Wassertropfen annehmen, so haben wir außer dem obigen, aus unmittelbaren Beobachtungen abgeleiteten auch noch einen rein aprioristischen Beweis, der, mit der Theorie von der Achsendrehung in Verbindung gesetzt und wissenschaftlich durchgeführt, nicht bloß die Kugelgestalt der Erde im allgemeinen, sondern die Modifikation derselben, die Abplattung (s. unten), nachweist.
Schon Aristoteles sah die Erde als eine inmitten des Weltraums ruhend schwebende Kugel an, um welche Sonne, Mond und das Heer der andern Gestirne ihre tägliche Bewegung machen; nur der Polarstern erschien als der feste, unverrückbare Punkt, nach welchem daher der Schiffer des Nachts den Lauf seines Schiffs richtete. Wir wissen seit Kopernikus, daß diese tägliche Bewegung der Gestirne um die Erde nur scheinbar ist, und daß vielmehr die Erde sich in 24 Stunden Sternzeit (23 Stunden 56 Minuten 4,1 Sekunden mittlerer Zeit) einmal in der Richtung von W. nach O. um ihre Achse dreht.
Diese Rotationszeit, der Sterntag, ist so gut wie vollständig unveränderlich (vgl. Tag). Als Kopernikus die Lehre von der Achsendrehung der Erde aufstellte, hatte er keinen direkten Beweis für dieselbe; im Lauf der Zeit aber sind deren mehrere gefunden worden. Den ersten lieferte die Beobachtung von Richer in Cayenne 1672, daß seine in Paris regulierte Uhr täglich um ungefähr 2½ Minuten nachging, und daß eine Verkürzung des Sekundenpendels um 1¼ Pariser Linie notwendig war, um einen richtigen Gang der Uhr herzustellen.
Als dann dieselbe Uhr nach der Rückkehr nach Paris täglich um 148 Sekunden voreilte und wieder eine Verlängerung des Pendels notwendig wurde, erklärte Newton die Erscheinung durch eine Verminderung der Schwere am Äquator, hervorgerufen durch die bei der Drehung der Erde um ihre Achse entwickelte Zentrifugalkraft, die dort an sich größer ist als in höhern Breiten, weil jeder Punkt am Äquator im Laufe von 24 Stunden einen größern Kreis beschreibt als weiter nördlich oder südlich, und die außerdem am Äquator mit ihrem ganzen Betrag der Schwere entgegenwirkt, während in höhern die in der Ebene des Parallelkreises wirkende Zentrifugalkraft mit der Schwere einen Winkel bildet, welcher der geographischen Breite gleich ist.
Newton wurde dadurch zugleich zu der Überzeugung von einer elliptischen Krümmung des Erdmeridians und einer an den Polen abgeplatteten Form unsers Planeten geführt, welche Ansicht auch im folgenden Jahrhundert durch die Gradmessungen in Lappland und Peru bestätigt wurde (vgl. Gradmessungen). Ein Haupteinwand, der gegen die Rotation der Erde erhoben wurde, namentlich von Tycho Brahe und Riccioli, war der, daß bei einer Drehung der Erde um ihre Achse ein frei fallender Körper nicht senkrecht unter seinem Ausgangspunkt, sondern westlich von demselben auf die Erde kommen müßte, weil die letztere während des Falles sich ein Stück nach O. drehe.
Bei Fallversuchen, die Riccioli 1640 an einem Turm zu Bologna anstellte, hatte er von einer solchen Abweichung nichts wahrnehmen können. Auch Mersenne und Montier stellten darauf bezügliche Versuche an, indem sie aus senkrecht in die Erde gegrabenen Kanonen Kugeln abschossen, die aber, wie nicht anders zu erwarten, keinerlei Entscheidung lieferten. Der ganze Einwand ist indessen falsch, wie zuerst Newton zeigte. Denn wenn aus dem höher liegenden Punkt ein Körper herabfällt, so behält er die seinem Ausgangspunkt entsprechende größere Geschwindigkeit während des Falles bei, er eilt daher dem senkrecht unter dem Ausgangspunkt liegenden Punkte der Erde in der Richtung nach O. voraus, und er muß also nicht westlich, sondern weiter östlich auf die Erde fallen.
Die zur Prüfung dieser Theorie von Hooke angestellten Versuche blieben freilich erfolglos, weil die gewählte Fallhöhe von 27 Fuß zu klein war, und ebensowenig Erfolg hatten die 1791 von Gulielmini ^[richtig: Guglielmini = Giovanni Battista Guglielmini, 1763-1817] in einem Turm zu Bologna angestellten Versuche. Aber 1802 wiederholte Benzenberg diese Versuche am Michaelisturm zu Hamburg bei 235 Fuß und 1804 in einem Kohlenschacht bei Schlebusch in der Grafschaft Mark bei 262 Fuß Fallhöhe. Am erstern Ort erhielt er 4,3, am letztern 5,1 Linien Abweichung, während Gauß 4,0 und 4,6 berechnete. Versuche endlich, welche Reich 1831 im Dreibrüderschacht bei Freiberg bei 488 Fuß Fallhöhe ausführte, ergaben 12,6 Linien Abweichung nach O. Die Theorie verlangt übrigens auch eine äußerst unbedeutende Abweichung nach S. Einen viel mehr in die Augen
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fallenden Beweis für die Achsendrehung der Erde hat endlich 1851 der französische Physiker Foucault mit seinem Pendelversuch geliefert; vgl. Foucaults Pendelversuch. Einen andern Beweis liefern die Erscheinungen der Passatwinde (s. d.) und Monsune, die darauf beruhen, daß ein von N. nach S. vorrückender Luftstrom aus den nördlichen Gegenden eine geringere Geschwindigkeit nach O. mitbringt, als den Gegenden zukommt, in welche er strömt, daher er mehr und mehr als Ostwind erscheint, während umgekehrt ein von S. nach N. strömender Wind mehr und mehr eine westliche Richtung annimmt.
Auf demselben Prinzip beruht es, daß auf einer in der Richtung des Meridians liegenden Eisenbahn eine von S. nach N. laufende Lokomotive mit dem Spurkranz ihres rechten Rades die rechts (östlich) liegende Schiene nach O. zu verschieben sucht, während eine von N. nach S. laufende Lokomotive umgekehrt die westliche Schiene weiter nach W. zu schieben sucht. Wird ein Geleise nur in der einen Richtung befahren, so muß die Entfernung beider Schienen allmählich zunehmen, wie man beispielsweise an der Hamburg-Harburger Eisenbahn bemerkt hat, wo diese Zunahme 8 cm in einem Vierteljahr beträgt. Nach Angabe des russischen Akademikers v. Baer haben auch die von N. nach S. oder umgekehrt fließenden Ströme die Tendenz, ihr rechtes Ufer im erstern Fall weiter nach W., im letztern weiter nach O. zu rücken.
Die beiden Punkte, in denen die Rotationsachse der Erde, die Erdachse, die Oberfläche der Erde schneidet, heißen Pole und zwar der uns zunächst liegende der Nord-, der andre der Südpol. Jede durch die Pole gehende Ebene schneidet die Erde in einem Meridian. Denkt man sich aber eine Ebene senkrecht zur Achse durch den Erdmittelpunkt gelegt, so schneidet diese die Oberfläche in einem größten Kreis, der alle Meridiane halbiert und Äquator (Gleicher), bei den Seeleuten Linie genannt wird. Ebenen, welche nicht durch den Mittelpunkt der Erde gehen, aber auf der Achse senkrecht stehen, schneiden die Oberfläche in Parallelkreise. Mittels dieser Kreise kann man die Lage eines Punktes der Erdoberfläche durch Länge und Breite bestimmen; vgl. Länge und Breite.
Nachdem man die Ansicht gewonnen hatte, daß die Erde eine Kugel sei, ging man daran, ihre Größe zu bestimmen. Es wurden zu dem Zweck Messungen einzelner Meridianbogen ausgeführt (vgl. Gradmessungen). Diese Messungen haben aber im 18. Jahrh. dargethan, daß die Erde nicht eigentlich kugelförmig ist, sondern daß sie angenähert die Gestalt eines an den Polen abgeplatteten Rotationsellipsoids besitzt. Fortan handelte es sich nicht mehr bloß um die Bestimmung der absoluten Größe, sondern auch um die der Abplattung, d. h. des Unterschieds zwischen Äquatorial- und Polarhalbmesser, ausgedrückt in Teilen des erstern. Dreierlei Methoden sind zu diesem Zweck in Anwendung gebracht worden: zunächst Gradmessungen, und zwar teils auf Meridianen, teils auf Parallelkreisen ausgeführt, sodann Pendelbeobachtungen, endlich aber hat man diese Größe auch aus gewissen Ungleichheiten der Mondbewegung bestimmt. Bessel hat 1842 aus zehn Gradmessungen (s. d.) folgende Werte berechnet:
Äquatorhalbmesser | a | = | 6377397.16 m | = | 859.44 geogr. Meilen |
Polarhalbmesser | b | = | 6356078.96 m | = | 856.56 geogr. Meilen |
Unterschied | a-b | = | 21318.20 m | = | 2.88 geogr. Meilen |
Abplattung | (a-b)/a | = | 1/299,153 |
Die Länge einer geographischen Meile als des 15. Teils eines Äquatorgrades ist hiernach M = 7420,44 m. Die Oberfläche der Erde beträgt 509,950,714,3 qkm und ihr Volumen 1,082,841,322,500 ckm. Wenn nun auch dieses Besselsche Ellipsoid zur Zeit noch am allgemeinsten als Form der Erde angenommen wird, so ist doch daran zu erinnern, daß neuere Gradmessungen, besonders die russische, skandinavische und die ostindische, andre als die Besselschen Werte ergeben haben. Da im allgemeinen jede Gradmessung einen andern Wert der Abplattung gibt, so hat man sogar versucht, die Ansicht, daß die Erde ein Rotationsellipsoid sei, ganz fallen zu lassen und ein dreiachsiges Ellipsoid als ihre Form anzunehmen. Zur Bestimmung desselben sind indessen die Messungen zur Zeit noch nicht genügend; vgl. Gradmessungen.
Eine beträchtlich stärkere Abplattung, nämlich 1/280, ist aus den Pendelbeobachtungen abgeleitet worden, die man an zahlreichen Punkten der Erdoberfläche angestellt hat. Die Pendelschwingungen geben uns zunächst ein Maß für die Schwerkraft; diese aber ist an verschiedenen Punkten der Erdoberfläche verschieden, einmal, weil die mit der Breite veränderliche Zentrifugalkraft dieselbe vermindert, dann aber auch infolge des verschiedenen Abstandes vom Erdmittelpunkt.
Aus den Pendelbeobachtungen läßt sich nun das Gesetz der Änderung der Schwere mit der geographischen Breite ableiten, und aus ihm ergibt sich die Abplattung nach einem von Clairaut herrührenden Satz: die Differenz der Schwere am Pol und am Äquator, dividiert durch letztere, und dazu die Abplattung ist 2½mal so groß als die Zentrifugalkraft am Äquator, dividiert durch die Schwere daselbst. Mit Berücksichtigung der Größe der Schwerkraft an verschiedenen Punkten der Erde hat Listing 1877 aus den bis dahin berechneten Gradmessungen folgende Werte für die Dimensionen des Erdkörpers ermittelt:
Äquatorhalbmesser | a | = | 6377377 m |
Polarhalbmesser | b | = | 6355270 m |
Abplattung | = | 1/288.48 | |
1 geogr. Meile | = | 7420,415 m. |
Je genauere Messungen man aber in der Neuzeit ausführt, desto mehr stellt sich heraus, daß keine geometrisch gesetzmäßige Fläche genau übereinstimmt mit der wahren Gestalt der Erde, für welche Listing den Namen Geoid (s. d.) eingeführt hat.
Da die Gestalt der Erde auf die Bewegungen des Mondes einen Einfluß übt, so läßt die vervollkommte Kenntnis der letztern uns auch wiederum auf die Gestalt der Erde zurückschließen, und zwar erhalten wir auf solche Weise einen mittlern Wert der Abplattung, welcher unabhängig ist sowohl von den vorhandenen Unregelmäßigkeiten der Oberfläche als von der verschiedenen Dichtigkeit der Gesteine. Die Mondgleichungen (Störungen in der Länge und Breite des Mondes) geben nun nach Laplace fast dasselbe Resultat der Abplattung wie die Gradmessungen, nämlich 1/299. Infolge dieser Fortschritte der rechnenden Astronomie durfte sich wohl Laplace zu dem Ausspruch berechtigt halten, daß »ein Astronom, ohne seine Sternwarte zu verlassen, durch Vergleichung der Mondtheorie mit den wirklichen Beobachtungen nicht nur die Gestalt der Erde, sondern auch ihre Entfernung von der Sonne und vom Mond bestimmen könne«.
Die Erde nimmt in der Reihe der Planeten des Sonnensystems die dritte Stelle ein (s. Tafel »Planetensystem«),
übertrifft an Größe die zwei vor ihr der Sonne näher gestellten Planeten (Merkur und Venus), ebenso den nächstfolgenden (Mars) und die zahllose Schar der Asteroiden, wird aber selbst von den weiter entfernten (Jupiter, Saturnus, Uranus,
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Neptun) bedeutend übertroffen. Ihre Entfernung von der Sonne ist nicht immer gleich groß; im Durchschnitt beträgt sie 148 ⅔ Mill. km oder 20,036 Mill. Meilen (s. Sonne), und da die Exzentrizität der Bahn e = 0,01677 ist, so kann die Entfernung um höchstens 1/60 größer oder kleiner werden als der Mittelwert. Die Umlaufszeit beträgt siderisch 365,25673 Tage oder 365 Tage 6 Stunden 9 Minuten 10,75 Sekunden, tropisch 365,24222 Tage oder 365 Tage 5 Stunden 48 Minuten 46 Sekunden; vgl. Jahr.
Als Kopernikus mit der Lehre von der jährlichen Bewegung der Erde um die Sonne auftrat, erhoben seine wissenschaftlichen Gegner den Einwand, daß sich diese Bewegung in scheinbaren jährlichen Ortsveränderungen der Fixsterne abspiegeln, daß man eine jährliche Parallaxe (s. d.) bei den letztern wahrnehmen müsse. Kopernikus selbst hatte diesen Punkt bereits erwähnt und ganz richtig vermutet, daß die Kleinheit dieser Parallaxe sie der Beobachtung entziehe.
In der That ist auch die Bestimmung einer Anzahl Fixsternparallaxen in unserm Jahrhundert gelungen und damit nicht nur der Abstand der betreffenden Sterne von uns gefunden, sondern auch ein direkter Beweis für die Bewegung der Erde um die Sonne geliefert worden. Beim Suchen nach der Fixsternparallaxe wurde aber auch noch und zwar lange, bevor man diese fand, eine andre Erscheinung entdeckt, die für sich allein einen Beweis für die Bewegung der Erde um die Sonne liefert: die Aberration (s. d.).
So wie die tägliche Umdrehung der Erde um ihre Achse zur Folge hat, daß die Sonne scheinbar im Lauf eines Tags in der Richtung von O. nach W. einen Kreis am Himmel beschreibt, dessen Ebene senkrecht auf der Weltachse steht, so bewirkt die Bewegung der Erde um die Sonne, daß die letztere im Lauf eines Jahrs unter den Fixsternen der scheinbaren Himmelskugel einen größten Kreis beschreibt, in welchem sie täglich um ungefähr 59 Bogenminuten in der Richtung von W. nach O. vorrückt.
Dieser größte Kreis, die Ekliptik oder scheinbare Sonnenbahn, bildet mit dem Äquator einen Winkel von ungefähr 23½°, die Schiefe der Ekliptik genannt. Diese jährliche Bewegung der Sonne bewirkt einesteils, daß die Zeit von einer Kulmination der Sonne bis zur nächsten oder der wahre Sonnentag etwas länger ist als der Sterntag, und daß die Dauer des Sonnentags nicht ganz unveränderlich ist (vgl. Sonnenzeit); andernteils aber ist sie auch die Ursache von der täglichen Änderung der Deklination der Sonne, womit wieder die Änderung der Punkte des Auf- und Unterganges und der Tageslänge, gerechnet vom Auf- bis zum Untergang, zusammenhängt.
Nur an zwei Tagen im Jahr, 21. März und 23. Sept. geht die Sonne genau im O. auf und im W. unter;
es ist dies die Zeit, wenn Tag und Nacht gleich sind, die Zeit der Frühlings- und Herbstnachtgleichen oder Äquinoktien;
vom 21. März dagegen bis zum 21. Juni rückt die Sonne beim Auf- und Untergang weiter nach N. vor und beschreibt einen täglich höher steigenden Bogen am Himmel;
die Tage werden länger, die Nächte kürzer, die Strahlen der Sonne fallen unter steilerm Winkel auf und erwärmen daher mehr, bis endlich 21. Juni die Sonne am weitesten nach N. vorgerückt ist und ihren höchsten Bogen beschreibt.
Von da an rückt sie beim Auf- und Niedergang wieder dem Ost- und Westpunkt näher und kulminiert täglich minder hoch; die Tage werden kürzer, bis 23. Sept. wieder Tag und Nacht gleich sind. Von nun an geht die Sonne täglich südlicher auf und unter, die Nächte werden länger als 12 Stunden, bis jene endlich 21. Dez. ihren niedrigsten Stand hat, ihre Strahlen am schiefsten auffallen und am wenigsten erwärmen und sie nun wieder von da zurückzukehren beginnt. Die beiden äußersten Punkte, zu denen die Sonne scheinbar nach N. und S. vorrückt, um von ihnen wieder zurückzukehren, nennt man die Solstitien, auch Sonnenwenden: den höchsten oder nördlichsten, den sie 21. Juni erreicht, das Sommer-, den tiefsten oder südlichsten, 21. Dez., das Wintersolstitium.
Sie liegen beide um 23½° vom Äquator des Himmels entfernt, und die durch sie gehenden Parallelkreise, welche die Sonne 21. Juni und 21. Dez. beschreibt, heißen Wendekreise, jener der des Krebses, dieser der des Steinbocks. Dieser täglich wechselnde Stand der Sonne ist Grund der verschiedenen Tages- und Nachtlängen und der Jahreszeiten. Für alle Orte des Äquators sind Tag und Nacht stets einander an Länge gleich; entfernt man sich aber gegen die Pole hin, so wird der Unterschied zwischen dem längsten und kürzesten Tag immer größer, ja innerhalb der beiden Polarkreise, d. h. der Parallelkreise von 66½° nördl. und südl. Br., herrscht während einer gewissen Jahreszeit beständig Tag, während der entgegengesetzten beständig Nacht.
Über die Dauer des längsten Tags vgl. Tag. Mit der wechselnden Tageslänge stehen ferner die Jahreszeiten (im astronomischen Sinn) im Zusammenhang. Mit der Frühlingsnachtgleiche, 21. März, beginnt auf der nördlichen Erdhälfte der Frühling (auf der südlichen der Herbst) und dauert bis zur Sommersonnenwende, d. h. bis zum längsten Tag, an welchem die Sonne mittags senkrecht steht über den Punkten des Parallelkreises von 23½° nördl. Br. auf der den man gleich dem entsprechenden Parallelkreis am Himmel den Wendekreis des Krebses nennt.
Von da an beginnt mit abnehmender Tageslänge unser Sommer (auf der Südhemisphäre der Winter), der bis zum Tag des Herbstäquinoktiums, 23. Sept., dauert. Mit diesem nimmt unser Herbst (auf der Südhalbkugel der Frühling) seinen Anfang und dauert bis zum kürzesten Tag, 21. Dez., an welchem die Sonne senkrecht über dem Parallel von 23½° südl. Br., dem Wendekreis des Steinbocks, steht. Von da bis zum Frühlingsäquinoktium haben wir Winter (auf der Südhemisphäre herrscht Sommer). Infolge der ungleichförmigen Bewegung der Erde in ihrer Bahn sind auch die Jahreszeiten nicht von gleicher Länge, es hat vielmehr der Frühling 91 Tage 21 Stunden, der Sommer 93 Tage 14 Stunden, der Herbst 89 Tage 18 Stunden und der Winter 89 Tage 1 Stunde, so daß unser Sommerhalbjahr 6 Tage 16 Stunden länger ist als das Winterhalbjahr.
Mit der Schiefe der Ekliptik hängt endlich noch zusammen die schon von Parmenides (5. Jahrh. v. Chr.) herrührende Einteilung der Erdoberfläche in fünf Zonen: die heiße zwischen beiden Wendekreisen, zwei gemäßigte zwischen dem Wende- und dem Polarkreis jeder Hemisphäre und die beiden kalten innerhalb der Polarkreise.
II. Physikalische Verhältnisse der Erde.
Wenden wir uns von den mathematischen zu den physikalischen Verhältnissen, welche zum Teil mit den vorigen in innigem Verband stehen. Die Erde ist aus drei einander konzentrisch umschließenden Gliedern zusammengesetzt: der Erdfeste, aus dem die Vertiefungen derselben ausfüllenden Ozean und aus der alles umfassenden Atmosphäre. Daß die Erde im Innern, wie man wohl früher auch geglaubt hat, nicht hohl sei, beweist die Größe ihrer Dichtigkeit. Denn obgleich die von verschiedenen Gelehrten und nach
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abweichenden Methoden erhaltenen Werte des spezifischen Gewichts des Gesamterdkörpers bedeutende Differenzen zeigen (Maximum, von Airy gefunden, 6,623; Minimum nach Maskelyne 4,713; neueste Bestimmung nach Jolly 5,692), so stimmen doch alle Untersuchungen darin überein, daß sich für die gesamte Erde eine viel bedeutendere Dichtigkeit als für die direkter Untersuchung zugängliche Erdkruste ergibt, für welche nach den in derselben vorherrschenden Materialien höchstens drei angenommen werden kann. Man muß daraus schließen, daß der Erdkern aus viel dichtern Stoffen besteht als die Kruste, wobei es freilich eine offene Frage bleibt, ob sich zwischen Kern und Kruste bloß physikalische od. chemisch-mineralogische Unterschiede abspielen.
Die äußere Erdkruste ist aus einer verhältnismäßig geringen Anzahl von Mineralien zusammengesetzt, welche teils die fossilfreien, kristallinischen Massengesteine, teils die petrefaktenführenden Sedimentgesteine zusammensetzen. Die ältesten Bildungen, welche wir kennen, sind kristallinische Gesteine, Gneis, Glimmerschiefer, Granit etc. Da diese Gesteine die Basis der ältesten Formationen zweifellos sedimentären Ursprungs bilden, so werden sie oft als die ursprüngliche Erstarrungsrinde des Planeten, als das sogen. Urgebirge, betrachtet.
Die Sedimentbildungen, aus Zertrümmerungs- und Zersetzungsprodukten kristallinischer Gesteine (Konglomeraten, Sandsteinen, Thonen etc.) oder aus Niederschlägen (Kalk, Gips), häufig auch größtenteils aus Petrefakten oder organischen Resten (Korallen, Muscheln, Kalken, Kohlen) bestehend, sind durchweg geschichtet, d. h. die Massen zeigen, soweit sie derselben Bildungsperiode angehören und der Zusammenhang nicht gestört ist, parallele Begrenzungsflächen, denen mitunter auch die innere Struktur, die Schieferung, entspricht.
Die Sedimentgesteine wie auch die ältern kristallinischen Gesteine sind dann wieder an vielen Orten von jüngern Eruptivgesteinen (Porphyren, Trachyten, Basalten) durchbrochen worden. Auch sind die Massen vielfach aus ihrer ursprünglichen Lage gebracht, aufgerichtet, verschoben und zusammengefaltet; gleichzeitig wurde die Oberfläche erodiert, von Thalbildungen durchschnitten, und auf diese Weise sind uns von der äußersten Erdrinde sehr mannigfache Profile bloßgelegt, die uns im Zusammenhang aber immer nur eine sehr dünne Schale unsers Planeten vor Augen führen.
Die Zahlen, welche man für die Mächtigkeit der Sedimentformationen angeben kann, sind naturgemäß ungleich und meistens ziemlich unsicher; wenn wir das sogen. Grundgebirge hinzurechnen, soweit es uns erschlossen ist, so dürfen wir die Gesamtmächtigkeit, senkrecht zur Schichtung gemessen, höchstens auf 15 bis 25 km veranschlagen. Läge also die ganze Reihe aller Formationen, die wir kennen, an einer Stelle horizontal übereinander, so würde ihre Gesamtmächtigkeit ungefähr dem 300. Teil des Erdhalbmessers gleichkommen.
Weitgehende hypothetische Folgerungen sind an die Temperaturverhältnisse des zugänglichen Teils des Erdinnern angeknüpft worden. Die Erdoberfläche wird durch die Sonnenstrahlen nicht gleichmäßig erwärmt; vielmehr können wir für jeden Ort je nach seiner Lage zur Sonne zweifach periodische, nämlich tägliche und jährliche, Variationen der Erwärmung unterscheiden. Beide reichen nur bis zu gewissen Tiefen; die täglichen Variationen verschwinden in unsern Breiten etwa in 1-2 m, die jährlichen erst in etwa 20 m Tiefe.
Die Grenzen liegen der Oberfläche um so näher, je geringer für den betreffenden Ort die Schwankungen in den Temperaturverhältnissen sind; sie liegen daher in den gemäßigten Zonen am tiefsten, in der Nähe des Äquators und der Pole am höchsten. An der Grenze der jährlichen Schwankungen ist die Temperatur etwa gleich der mittlern Temperatur des Oberflächenortes. Nun nimmt aber, soweit bis jetzt die Beobachtungen reichen, die Temperatur von diesem Punkt an nach dem Innern zu. Beobachtungen über das Verhältnis der Temperatur zur Tiefe sind zunächst bei Bohrlöchern, wie solche namentlich für die sogen. artesischen Brunnen hergestellt werden, gut anzustellen.
Aus dem Verhältnis der mittlern Temperatur der Oberfläche zur Temperatur und Tiefe eines Bohrloches ergibt sich die sogen. geothermische Tiefenstufe, d. h. diejenige Tiefendifferenz, bei welcher unter Voraussetzung einer gleichmäßigen Zunahme die Temperatur um 1° C. steigt. Diese Tiefenstufe liegt nach den meisten Beobachtungen in artesischen Brunnen zwischen 25 und 30 m. Sie beträgt z. B. bei dem Bohrloch von La Rochelle 19,7 m, zu Burg bei Magdeburg 26,0 m, zu Rouen 29,1 m, zu Mondorff ^[richtig: Mondorf] in Luxemburg 29,6 m, Bad Oeynhausen 30,0 m, Grenelle (Paris) 30,8 m, zu Artern in Thüringen aber 39,9 m. Die größten Tiefen und höchsten Temperaturen erreichte man in dem Bohrloch bei Sperenberg bei Berlin (1313 m mit 48,1° C.) und Schladebach bei Merseburg (1392 m mit 49°). Als weiteres allgemeines Gesetz ergab sich, daß die Intensität der Zunahme der Temperatur nach dem Erdinnern zu abnimmt, d. h., daß die Wärme der geothermischen Tiefenstufe mit der Tiefe wechselt.
Die Angabe eines Zahlenwerts aber für diese Zunahme der geothermischen Tiefenstufe ist nicht zulässig wegen zu großer Differenz der Beobachtungswerte. Übereinstimmend damit sind die ebenfalls für die Bestimmung der Wärmezunahme sehr geeigneten Beobachtungen über die Temperatur der Gesteine in verschiedenen Tiefen der Bergwerke. Schon 1740 wurden von Gensanne zu Giromagny in den Vogesen derartige Versuche angestellt; später haben sich vorzüglich Saussure, d'Aubusson, Trebra, Reich u. a. mit diesem Gegenstand beschäftigt. Am vollständigsten sind die Untersuchungen, welche auf Veranlassung der preußischen und sächsischen Bergbehörden in verschiedenen Bergwerken dieser Länder angestellt wurden.
Sie bestätigten zunächst das allgemeine Resultat, daß an jedem Ort eine Zunahme der Temperatur nach der Tiefe zu stattfindet. In jeder Tiefenstation bleibt die Temperatur konstant; die Größe der thermischen Tiefenstufe ist jedoch sehr verschieden, zwischen 15 und 100 m wechselnd, befunden worden, und ein allgemeines Gesetz über den Modus der Wärmezunahme läßt sich auch aus diesen Untersuchungen nur insoweit ableiten, als in großen Tiefen die Intensität nachläßt. Es zeigte sich der bemerkenswerte Unterschied, daß in Steinkohlengruben die Zunahme der Temperatur viel bedeutender, in der Regel fast doppelt so groß ist als in Erzgruben.
Dieser Unterschied ist wohl ohne Zweifel auf die intensive chemische Zersetzung zurückzuführen, welche innerhalb der Kohlenflöze stattfindet. Von andern hierher gehörigen Beobachtungen sind noch die in den großen, neuerdings gebohrten Alpentunnels zu erwähnen. Schon bei Durchbohrung des Mont Cenis, besonders aber in vorzüglicher Weise (durch Stapff) bei Herstellung des Gotthardtunnels, wurden geothermische Untersuchungen angestellt, welche übrigens schon früher theoretisch gezogene Schlüsse bestätigten. Verbindet man gleich temperierte Punkte des Erdinnern durch Linien (Chthonisothermen), so liegen dieselben unter ebenen Gegenden ungefähr parallel zu einander und zu der Erdoberfläche (A der
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[* ] Figur); unter Gebirgsstöcken erheben sie sich, doch so, daß die höher gelegenen stärker ausbauchen als die tiefern, ohne daß die obersten einen ebenso starken Elevationswinkel hätten wie die Berglinie (B). Daraus ergibt sich, daß die geothermische Tiefenstufe, vom Gipfel nach dem Tunnel zu gemessen, zwar größer als gewöhnlich ist (im Mont Cenis 50, im Gotthard 55 m), der Stollen aber doch bei bedeutendem Einschneiden Chthonisothermen, in Bergmassive sehr tief gelegene Chthonisothermen berühren kann. Im Mont Cenis herrschte an der innersten Stelle, über welcher 1600 m Gebirge lagen, eine Temperatur von 29,5° C., im St. Gotthard bei 1700 m Gesteinsüberlagerung 31° C. Für die Herstellung derjenigen Tunnels, deren Trace noch tiefer unter dem höchsten Gipfel des Massivs geplant ist (Simplon, Montblanc), wird diese Temperaturerhöhung große, vielleicht unüberwindliche Schwierigkeiten bereiten.
Für die Beschaffenheit des Erdinnern leiten die meisten Geologen aus den berichteten Resultaten geothermischer Untersuchungen in Übereinstimmung mit der Kant-Laplaceschen Theorie über die Bildung der Planeten einen hoch temperierten, feurig-flüssigen Zustand ab, einige sogar einen gasförmigen. Nach andern befinden sich die zentralsten Teile der Erde zwar unter hoher Temperatur, aber trotzdem durch Druck verfestigt. Bei dem geringen Umfang der Beobachtungsreihe, bei der Schwierigkeit, unter der Annahme eines glutflüssigen Erdinnern das Wachsen der geothermischen Tiefenstufe zu erklären, ist solchen hypothetischen Verallgemeinerungen sehr beschränkter Beobachtungen kein allzu großer Wert beizulegen.
Einst überflutete wohl der Ozean die ganze Erde, alles Feste war einst Meeresgrund; aber schon früh, vor Entstehung der organischen Welt, stiegen einzelne Teile über seinen Spiegel empor. In langem Lauf der Erdgeschichte, unter vielfachem Wechsel von Hebung und Senkung und dadurch bedingtem Wechsel der Konturen haben sich die gegenwärtigen großen Landmassen, die Kontinente, und zahllose Inseln aus dem Schoß des Ozeans erhoben und ihre gegenwärtige Gestalt erlangt.
Wie der Umfang, so hat sich auch die Erhebung der Erdfeste über dem Spiegel des Ozeans im Lauf der Zeit geändert, und die höchsten Erhebungen, wie Alpen, Andes, Himalaja, sind von verhältnismäßig jungem Datum; umgekehrt müssen der Erhebung der Festländer größere Vertiefungen des Meeresgrundes zur Seite gegangen sein. Die gegenwärtige Verteilung von Festland und Wasser auf der Erde ist eine sehr ungleiche; während am Nordpol ein ringsum von Land umlagertes Meer, ist vielleicht um den Südpol ein Erdteil unter ewigem Schnee begraben.
Während der Kontinent der Alten Welt mit einer Länge von 17,000 km quer über der östlichen Halbkugel lagert und nur mit seiner östlichen Spitze auf die westliche hinüberreicht, bei einer 12,600 km betragenden Breite von N. nach S., erstreckt sich der Kontinent der Neuen Welt, Amerika, auf der westlichen Halbkugel 14,800 km lang von N. nach S. bei einer Breite, die 4450 km nicht übersteigt. Der kleinste Kontinent, der von Australien, gehört ganz der Südhälfte der östlichen Halbkugel an. Man kann annehmen, daß 26/100 der Erdoberfläche von Land und 74/100 von Wasser gebildet werden. Vom Festland entfallen nach den neuesten Bestimmungen auf:
Europa | 9730576 qkm |
Asien | 44580850 qkm |
Afrika | 29823253 qkm |
Amerika | 38473138 qkm |
Australien | 8952855 qkm |
Polargebiete | 4478200 qkm |
Das gesamte Festland nebst den Inseln umfaßt also 136,038,872 qkm. Die größte Ländermasse kommt auf den nordöstlichen Teil der Erde; die größte Wasseransammlung gehört dagegen dem Südwesten zu, wo sich der Große oder Pazifische Ozean ausbreitet.
Von großer Wichtigkeit für die ganze Kulturentwickelung der Länder ist die horizontale Gliederung der Landmassen. Durch die größere Berührung mit dem Meer wird ein größerer Teil des Landes aufgeschlossen, dem Weltverkehr zugänglicher gemacht, am meisten freilich, wenn große schiffbare Flüsse den Zugang von der Küste ins Innere fördern. Den einfachsten Ausdruck hierfür findet man nach Humboldt in dem Verhältnis der Küstenlänge eines Landes zu seinem Flächeninhalt. Dies Verhältnis ergibt sich (die Küstenlänge = 1 gesetzt) für:
Europa | 1:37 |
Asien | 1:105 |
Afrika | 1:152 |
Nordamerika | 1:56 |
Südamerika | 1:94 |
Australien | 1:73 |
Nicht minder einflußreich für die ganze physische wie historische Entwickelung der Länder ist die vertikale Gliederung derselben, die Gestaltung ihres Reliefs, bestimmt durch die Gegensätze der Ruhe und Bewegung in ihrem Niveau, von Ebenen einerseits und Hügel-, Berg- und Gebirgslandschaften anderseits, und durch deren geringere oder bedeutendere Erhebung über den Spiegel des Meers. Letztere steigt im Mount Everest (Gaurisankar) in Bhutan, dem höchsten bekannten Gipfel der Erde, bis 8839 m. Horizontale Ebenen im strengsten Sinn des Wortes finden sich im ganzen nicht so häufig; viele der sogen. Tiefländer sind Hügellandschaften mit schwächer oder stärker undulierender Oberfläche oder ihnen annähernden Formen; teilweise treten auch wirkliche Ebenen in den verschiedensten Höhen über dem Meeresspiegel auf, es sind dies teils Niederungs- oder Tiefebenen, teils hoch über dem Spiegel des Meers erhabene Hochebenen (Tafelländer, Plateaus).
Was die Erhebung betrifft, so ist die absolute Erhebung über den Meeresspiegel von der relativen über das benachbarte Land zu unterscheiden. Letztere ist es vor allem, die den Eindruck der Erhabenheit steigern oder schwächen kann. Zwischen Hochebenen und Tiefland gestellte Gebirge hat man Randgebirge genannt, Scheitelgebirge dagegen beiderseits auf Hochebenen fußende Gebirge bis zu 1600 m Erhebung nennt man Mittelgebirge, solche von bedeutenderer Höhe Hochgebirge, doch sind dies relative Begriffe; die Alpen, vor den Himalaja gestellt, würden diesem gegenüber nur den Namen Mittelgebirge verdienen.
Übrigens ist die absolute Erhebung von größtem Einfluß auf die physikalischen Verhältnisse des Landes sowie die Höhe der niedrigsten Einsenkungen der Gebirgskämme, die sogen. Paßhöhe, von höchster Bedeutung für den Verkehr der Menschen. Von wesentlichstem Einfluß auf erstere Verhältnisse ist ferner, ob die Hauptrichtung der Gebirge mehr den Parallelkreisen, vorherrschend aus SO. nach NW., oder den Meridianen folgt. Wie man aus der Vergleichung vieler Einzelhöhen die mittlere Höhe der Gebirge bestimmt, so hat zuerst A. v. Humboldt auch die mittlere Höhe der Kontinente zu bestimmen gesucht,
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indem er den Kubikinhalt ihrer Gebirge auf die mittlere Höhe ihrer Tiefländer gleichmäßig verteilt dachte. Er fand für Europa eine mittlere Erhebung von 204 m, für Asien von 350, für Nordamerika von 228, für Südamerika von 345 m; doch werden neuerdings (Leipoldt, Krümmel) andre Werte angegeben, für Europa 297 m, für die übrigen Erdteile im Durchschnitt um 45 Proz. höher als Humboldts Zahlen. Daß diese Höhenzahlen für die relative Erhebung der Kontinente über dem Meer keine konstanten sind, ergibt sich aus den säkularen Hebungen und Senkungen, denen die Kontinente unterworfen sind (vgl. Hebung.).
Der Gebirgsbau eines Landes bestimmt nicht allein sein Relief, sondern bedingt auch seine Küstenlinien, seine Flußläufe. Von der Verteilung des Landes sind die Strömungen der Ozeane bedingt, von ihr und der Erhebung des Landes die Richtung der Winde, die Abweichungen des wirklichen Klimas vom astronomischen, die mannigfachen Biegungen der Jahres- und Monatsisothermen; das Klima bedingt aber auch die Verteilung der Pflanzen- und Tierwelt (s. Meeresströmungen, Klima, Pflanzen- und Tiergeographie), selbst des von den Naturgewalten unabhängigsten aller Geschöpfe, des Menschen. S. die betreffenden Artikel.
Die menschliche Bevölkerung der gesamten Erde beträgt nach den neuesten Zusammenstellungen 1434 Mill. Davon kommen auf Europa 328 Mill., auf Asien 796 Mill., auf Afrika 206 Mill., auf Amerika 100 Mill., auf Australien 4 Mill. Am dichtesten ist Europa bevölkert, nämlich mit durchschnittlich 33 auf 1 qkm; hierauf folgt Asien mit 18, Afrika mit 7, Amerika mit 2,5, Australien mit 0,7. Ausführlichere Angaben gibt die Tabelle zum Artikel Bevölkerung, mit Karte. Litteratur s. Erdkunde.