Erbrecht
,
im subjektiven
Sinn das
Recht einer
Person (des
Erben), in die
Vermögensrechte eines Verstorbenen (des
Erblassers)
einzutreten. Im objektiven
Sinn versteht man unter Erbrecht
(jus hereditarium) den Inbegriff der hierauf bezüglichen Rechtssätze.
Das ganze Erbrecht
baut sich, rechtsphilosophisch betrachtet, auf dem bei allen zivilisierten Völkern anerkannten
Satz auf, daß gewisse
Lebens- und Rechtsverhältnisse des
Menschen die physische Persönlichkeit desselben
überdauern, und daß es mit schweren wirtschaftlichen und sittlichen
Schäden verknüpft sein würde, wollte die
Gesetzgebung
mit der physischen auch die vermögensrechtliche Persönlichkeit ihr Ende erreichen lassen.
Die sozialistische
Theorie freilich, welche das Privateigentum überhaupt in
Gesamteigentum der als
Staat
organisierten bürgerlichen
Gesellschaft verwandelt wissen will, kann selbstverständlich auch kein Erbrecht
anerkennen. Dagegen
entspricht der herrschenden
Anschauung, wie sie sich in einem langen Völkerleben entwickelt hat, die Grundidee des Erbrechts
,
daß nur diejenigen Rechtsverhältnisse des
Menschen mit dem
Tod erlöschen, welche rein persönlicher Art sind, also z. B.
die mit der amtlichen
Stellung verknüpften.
Würde man dagegen die Schulden eines Menschen dessen Leben nicht überdauern lassen, so würden sich natürlich die Kreditverhältnisse desselben bei Lebzeiten weit ungünstiger gestalten, und würde man ihm die Aussicht nehmen, das bei Lebzeiten Erworbene bei seinem Tode denjenigen zu hinterlassen, welche ihm im Leben besonders nahe standen, so würde dies auf die menschliche Erwerbsthätigkeit und Wirksamkeit den nachteiligsten Einfluß ausüben. Dazu kommt der Anspruch der Kinder auf Versorgung und Unterhalt seitens der Erzeuger und nach deren Tod aus dem hinterlassenen Vermögen derselben.
Kreiden - Kreis

* 3
Kreis.Ebendieselben wirtschaftlichen und ethischen Gründe aber, welche dafür sprechen, daß das Gesetz dem Kreis [* 3] der Verwandten und dem überlebenden Ehegatten Ansprüche auf die Hinterlassenschaft des Erblassers sichere, können auch dafür geltend gemacht werden, daß man bei Lebzeiten über seinen Nachlaß letztwillig verfügen und ihn denjenigen hinterlassen könne, welchen man sich besonders verpflichtet fühlt, oder für die man besondere Neigungen empfindet.
Freilich muß diese Testierfreiheit wiederum durch das Gesetz eine Einschränkung zu gunsten derjenigen finden, welche durch Bande der Blutsverwandtschaft dem Erblasser besonders nahe stehen, und die ein Recht darauf haben, aus dem Vermögensnachlaß des Erblassers die Mittel zum Lebensunterhalt zu beziehen. So entstehen die drei Hauptfälle der Erbfolge (s. d.), je nachdem das Gesetz oder der Wille des Erblassers den Erben beruft oder endlich ein Pflichtteilsberechtigter gegen den Willen des Erblassers zur Erbschaft berufen wird.
Damit sind auch die drei Hauptteile des positiven Erbrechts
gegeben: Intestaterbrecht (gesetzliches Erbrecht), testamentarisches
Erbrecht
und Noterbenrecht. Was die letztwillige
Ordnung der
Erbfolge anbetrifft, so kommt zu der testamentarischen
Erbfolge
des römischen noch der
Erbvertrag (s. d.) des deutschen
Rechts hinzu. Auch kann im
Testament (s. d.) nicht bloß die Einsetzung
eines oder mehrerer
Erben erfolgen, sondern diese können auch mit bestimmten Zuwendungen
(Legaten, Vermächtnissen) zu gunsten
dritter
Personen belastet werden (s.
Legat).
Geschichtskarten von D

* 4
Deutschland.
Der Unterschied zwischen dem
Erben und dem Vermächtnisnehmer besteht jedoch darin, daß der
Erbe in die
gesamte vermögensrechtliche Persönlichkeit des
Erblassers, ganz oder doch wenigstens zu einem Quoteteil, eintritt, während
es
sich bei jenem nur um den
Erwerb einzelner
Vermögensrechte
(Singularsuccession) handelt. Dieser im römischen
Recht konsequent
durchführte
Gedanke der
Universalsuccession successio in universum jus, quod defunctus habuit) liegt auch
dem modernen Erbrecht
zu
Grunde. Im einzelnen ist dasselbe freilich außerordentlich vielgestaltig, und gerade auf dem erbrecht
lichen
Gebiet ist die partikulare Rechtszerrissenheit in
Deutschland
[* 4] noch sehr groß, wenn auch das römische Erbrecht
das gemeinrechtliche
ist und im wesentlichen die Grundlage der erbrecht
lichen Bestimmungen in den einzelnen
Staaten und
Landschaften
bildet. Vgl.
Erbfolge.