Episkopals
ystem
(Episkopalismus, Systema hierarchium episcopale, von episcopus, »Bischof«),
im katholischen Kirchenrecht diejenige Theorie, wonach die höchste kirchliche Gewalt der Gesamtheit der Bischöfe, welcher im Fall des Widerspruchs selbst der Papst unterworfen sein soll, zustehen soll, im Gegensatz zum Papalsystem (s. d.). Zuerst führten die mittelalterlichen Kämpfe zwischen Staat und Kirche, besonders im 14. Jahrh., zu Untersuchungen über die Abgrenzung der päpstlichen Machtvollkommenheit, und das große Schisma mußte sogar mit Notwendigkeit den Gedanken hervorrufen, daß über den sich bekämpfenden Päpsten die auf allgemeinen Konzilen repräsentierte Kirche stehe.
Die großen Reformkonzile
des 15. Jahrh. selbst, die bedeutendsten Theologen
der Zeit und vor allem die
Universität
Paris
[* 3] entwickelten diesen Grundgedanken des Episkopals
ystems mit größter Freimütigkeit
und
Konsequenz, wie denn die episkopalistischen
Grundsätze in
Frankreich immer festgehalten und geradezu in das
System des gallikanischen
Kirchenrechts aufgenommen worden sind. Aber auch in den
Niederlanden und in
Deutschland
[* 4] fand das Episkopals
ystem bedeutende
Vertreter, dort in Zeger
Bernhard van
Espen
(»Jus ecclesiasticum universum«, 1702),
hier in dem unter dem Namen Justinus Febronius schreibenden Weihbischof von Trier, [* 5] Nikolaus von Hontheim (»De statu Ecclesiae et legitima potestate Romani Pontificis«, 1763 ff.). Aber die römische Kurie hat diese Grundsätze nie anerkannt und ihnen schon durch Vereitelung der Emser Punktation (s. Emser Kongreß), seitdem aber nur mit steigender Konsequenz und allmählich auch mit fast unbestrittenem Erfolg entgegengewirkt. Das vatikanische Konzil (1870), welches den unfehlbaren Papst als den Universalbischof proklamierte, bedeutet die unbeschränkte Anerkennung des Papalsystems.
Diesem letztern gegenüber will das Episkopals
ystem eine solche
Kirchenverfassung
(Episkopalverfassung), wonach der
Papst nur als primus inter pares in Betracht kommen soll, indem behauptet wird, daß sein Sitz nur aus zufälligen
Gründen
geschichtlicher
Natur in
Rom
[* 6] sei, daß der
Primat unter Umständen auch von da verlegt werden könne, daß jedenfalls alle
Bischöfe
nach
Matth. 18, 18. ihre
Autorität unmittelbar göttlicher
Verleihung verdanken, und daß nur in ihrer
Gesamtheit die höchste
Kirchengewalt zu erkennen sei.
Die
Rechte, welche auch auf diesem Standpunkt dem
Primat zuerkannt werden, teilen sich in notwendige (jura essentialia, primigenia,
naturalia), wozu namentlich der
Primat der
Ehre und
Jurisdiktion gehört, und in erworbene (jura accidentalia,
acquisita, secundaria). Unter den neuesten Verteidigern des Episkopals
ystems sind hervorzuheben: v.
Droste-Hülshoff
(»Grundsätze
des gemeinen
Kirchenrechts«, Münst.
1830-33, 2 Bde.),
Kopp (»Die katholische Kirche im 19. Jahrhundert etc.«, Mainz [* 7] 1830),
Brendel (»Handbuch des Kirchenrechts«, 3. Aufl., Nürnb. 1851),
Nuitz (»Juris ecclesiastici institutiones«, Tur. 1844; »In jus ecclesiasticum universum tractationes«, das. 1850; verurteilt durch das päpstliche Breve vom
Vgl. Schneemann, Der Papst, das Oberhaupt der Gesamtkirche (Freiburg [* 8] 1867);
Kurz, Der Episkopat (Wien [* 9] 1877).
Im protestantischen
Kirchenrecht versteht man unter Episkopals
ystem diejenige
Theorie, welche sich auf die historische
Thatsache stützt,
daß durch den
Religionsfrieden von 1555 die geistliche
Jurisdiktion der katholischen
Bischöfe
über die
augsburgischen Konfessionsverwandten bis zur gütlichen Vergleichung der Religionshändel suspendiert worden ist, und annimmt,
daß die bischöfliche
Gewalt einstweilen auf die
Landesherren devolviert und in diesen also mit der
Eigenschaft von
Landesherren
die von einstweiligen
Bischöfen verbunden worden sei.
Nachdem nämlich Fürsten und Magistrate vorläufig die oberste Verwaltung der Kirche gewissermaßen als Notbischöfe nach dem Rat angesehener Kirchenlehrer und unter Zuziehung der Landstände übernommen und aus geistlichen und weltlichen Mitgliedern bestehende Konsistorien errichtet hatten, denen allmählich die gesamte Regierung der Landeskirchen unter fürstlicher Autorität zufiel, erfand die Wissenschaft, um den faktisch bestehenden Rechtszustand zu erklären, die Theorie von einer Übertragung (devolutio) der bischöflichen Gewalt auf rechtgläubige Fürsten kraft des Religionsfriedens.
Die allgemeine
Vorstellung, welche dem Episkopals
ystem zu
Grunde liegt, findet sich schon um den Anfang des 17. Jahrh.; die genauere Begründung
desselben aber versuchten zuerst M.
Stephani
(»De jurisdictione«, Frankf. a. M. 1611),
Th. Reinkingk (»Tractatus de regimine seculari et ecclesiastico«, Gießen [* 10] 1619, Basel [* 11] 1623). Ihnen folgten die bedeutendsten Theologen und Kanonisten des 17. Jahrh. Der gewandteste Vertreter dieses Systems in der Neuzeit ist F. J. ^[Friedrich Julius] Stahl (»Die Kirchenverfassung nach Lehre [* 12] und Recht der Protestanten«, 2. Ausg., Erlang. 1862).