Epīrus
(grch. Epeiros, im dor. Dialekt Apeiros, eigentlich «das Festland» überhaupt), etwa seit dem 5. Jahrh. v. Chr. Name speciell der westl. Hälfte des nördl. Griechenlands, welche im N. und NO. an Illyrien und Macedonien, im O. an Thessalien, im S. an Ätolien, Akarnanien und den Ambrakischen Meerbusen, im W. an das Ionische Meer grenzt und in ihrer größten Ausdehnung, [* 2] mit Einrechnung der Gebiete der Athamanen, Ambrakioten und Amphilocher, einen Flächeninhalt von ungefähr 11000 qkm enthält.
Die ganze Landschaft wird, mit Ausnahme des südlichsten
Teils zunächst dem Ambrakischen
Meerbusen, der flach und teilweise
von Lagunen eingenommen ist, von rauhen und schwer zugänglichen
Gebirgen durchzogen, welche als Parallelketten
der Pinduskette, die Epirus
von
Thessalien scheidet, sämtlich von NW. nach SO. streichen,
große Längsthäler zwischen sich einschließend. Der Pindus verbindet sich im N. mit den
Gebirgen
Albaniens durch den
Paß
[* 3] des Lakmon (jetzt Zygos bei Metzovon), in dessen Nähe fünf der bedeutendsten
Flüsse
[* 4] des nördl.
Griechenlands
entspringen: der illyr. Aoos (jetzt Vojuca), der macedon.
Haliakmon (jetzt Bistrica), der thessal. Peneus (jetzt
Salamvria), der Arachthos (jetzt
Fluß von
Arta), der Hauptfluß des
eigentlichen Epirus
, und der Achelous (jetzt
Aspropotamos), der das Gebiet der Athamanen durchfließt und dann die Landschaften
Akarnanien und
Ätolien scheidet.
Andere
Flüsse von Epirus
sind der Thyamis (jetzt
Kalamas), der
Acheron (jetzt Mavropotamos oder
Glykis) mit dem Nebenflusse Kokytos (jetzt Vuvós) und der Oropos (jetzt Luros). Von
Gebirgen sind noch die Tymphe (jetzt
Paläovuni), die Keraunien, welche in einem mächtigen
Vorgebirge, den durch zahlreiche Schiffbrüche berüchtigten
Akrokeraunien (jetzt
Kap
Glossa; ital. Linguetta) endigen, und der Tomaros (jetzt Olycika) in
¶
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der Nähe von Dodona (s. d.) zu erwähnen. (S. die Karten: Griechenland [* 6] und Das alte Griechenland.)
Geschichte. Bewohnt wurde die Landschaft in der ältern Zeit von Hellenen, die aber ebenso wie die Bewohner von Ätolien und
Akarnanien im 12. Jahrh. v. Chr. durch eindringende illyr. Völker verdrängt und zur Auswanderung nach Thessalien
und Mittelgriechenland gezwungen wurden. Diese Illyrer zerfielen in 14 Völkerschaften, unter denen die Chaoner (s. d.)
im NW., die Molotter (Molosser, s. d.) im NO. und die Thesproter (in der Landschaft Thesprotia, s. d.) im S. die mächtigsten
waren. Im 7. Jahrh. v. Chr. versuchten die Hellenen durch Anlage der Pflanzstadt Ambrakia einen Teil des
verlorenen Gebietes wieder zu gräcisieren, aber sie vermochten nicht, außerhalb der Umgebung dieser Stadt in Epirus
festen
Fuß zu fassen.
Unter den barbarischen Völkerschaften dehnten die Molosser ihre Herrschaft allmählich besonders nach Süden zu aus, unterwarfen sich das den Thesprotern gehörige Gebiet von Dodona und die Kassopäer; ja der bedeutendste ihrer Könige, Pyrrhus (s. d.), hatte sogar seit 295 v. Chr. die ganze Landschaft (Ambrakia, das ihm die Macedonier geschenkt, eingeschlossen) zu einem Einheitsstaate unter seinem Scepter vereinigt. Nach revolutionärer Beseitigung seiner Dynastie (238‒235 v. Chr.) entstand ein Bund der epirot.
Völkerschaften, welcher zur Zeit der Kriege zwischen Macedoniern und Römern von nicht geringer polit. Bedeutung war, aber am Ende des dritten Macedonischen Krieges nach der Besiegung des Königs Perseus [* 7] 167 v. Chr. durch Ämilius Paullus (der damals 70 epirot. Ortschaften zerstörte und 150000 Menschen zu Sklaven machte) aufgelöst wurde. Octavian gründete im südlichsten Teile der (seit 27 v. Chr. mit der röm. Provinz Achaia verbundenen) Landschaft die Stadt Nikopolis zur Erinnerung an den Sieg bei Actium.
Seit Trajan erscheint Epirus
in Verbindung mit Akarnanien als eigene kleine Provinz. Die Provinz Epirus
nova,, die Diocletian einrichtete,
umfaßte keinerlei Teile der Landschaft Epirus
, sondern nur den Süden Illyriens. – Nach der Eroberung Konstantinopels durch die
Lateiner 1204 errichtete ein Verwandter des byzant. Kaisers Alexis Ⅲ., Michael I. Angelos, hier eine selbständige Herrschaft,
das sog. Despotat Epirus
, das sich von Dyrrhachium bis südlich nach Naupaktos, westlich über einen großen Teil Thessaliens ausdehnte,
und unter wechselnden Schicksalen bis zur Einnahme Janninas durch die Türken 1430 bestand.
Diese blieben im Besitz von Epirus
(abgesehen von der Gewaltherrschaft des Ali Pascha von Jannina 1788‒1821).
Nur ein kleiner Landstrich östlich vom Artafluß kam 1881 an Griechenland. Berühmt ist der wilde und schwer zugängliche
Bergdistrikt Suli oder Suliasi (oberhalb der Westküste) durch die Verteidigung seiner Bewohner (Sulioten, s. d.) gegen Ali
Pascha. – Epirus
bildet jetzt den südl. Teil des Wilajets Jannina mit der gleichnamigen Hauptstadt. –
Vgl. Merleker, Histor.-geogr. Darstellung des Landes und der Bewohner von Epirus
(Tl. 1, Königsb. 1841);
Bursian, Geographie von Griechenland, Bd. 1 (Lpz. 1862).