Epicykel
[* 1] (griech., »Nebenkreis«),
ein
Kreis,
[* 3] auf welchem sich ein
Punkt mit gleichbleibender
Geschwindigkeit bewegt, während der
Mittelpunkt
dieses
Kreises auf einem andern, dem deferierenden (»forttragenden«)
Kreis (circulus deferens), fortrückt. Die Epicykeln
wurden
von den ältern Astronomen bis zu
Keplers Zeit verwendet, um die oft sehr verwickelten
Bewegungen des
Mondes und der
Planeten
[* 4]
am Fixsternhimmel auf gleichförmige Kreisbewegungen zurückzuführen, welche die einzigen von den Alten
für zulässig erachteten elementaren
Bewegungen der Himmelskörper waren.
Alle beobachteten Ungleichheiten in der Bewegung der Himmelskörper können, so meinten sie, nur scheinbar sein und müssen sich durch das Zusammenwirken von mehreren gleichförmigen Kreisbewegungen erklären lassen. Dies ist nun auch in der That der Fall, wenigstens kann man auf solche Weise jede gegebene Bewegung bis auf einen beliebigen Grad der Annäherung genau darstellen, ähnlich wie man einen gemeinen Bruch ganz oder näherungsweise genau durch einen Dezimalbruch darstellen kann.
Den einfachsten
Ausdruck für den
Bruch gibt uns freilich der Dezimalbruch nicht, und ebenso erhält man
mittels der Epicykeln
in der
Regel nicht den einfachsten
Ausdruck für das jeweilige
Bewegungsgesetz. Zur
Erläuterung ist in der
[* 1]
Figur um
O der deferierende
Kreis mit dem
Halbmesser OA = a beschrieben, auf dem sich mit gleichförmiger
Geschwindigkeit der
Punkt A bewegt; A1, A2, A3 etc. mögen die
Orte desselben nach 1, 2, 3 etc.
Zeiteinheiten sein.
Um diesen
Punkt bewege sich ein
Punkt P ebenfalls mit gleichförmiger
Geschwindigkeit auf einem
Kreis, dem eigentlichen Epicykel.
Am
Anfang der ersten
Zeiteinheit sei P der
Ort des beweglichen
Punktes.
Liefe dieser nicht auf dem Epicykel
herum, so würde sich die
Linie AP parallel verschieben, und P würde nach
1, 2, 3 etc.
Zeiteinheiten nach
Q,
R, S etc. kommen.
Nun durchläuft aber P in der
Zeiteinheit einen gewissen
Bogen
[* 5] und befindet
sich nach der ersten
Zeiteinheit in P1, nach der zweiten in P2 (wobei RP2 = 2mal QP1), nach der dritten in
P3 (SP3 = 3mal QP1) etc.
Der von P beschriebene Weg wird daher durch die
Linie P P1 P2 P3 ... angegeben.
Die Epicykeln
sind schon von
Apollonios den Astronomen empfohlen und von
Ptolemäos zuerst zur
Erklärung der Mondbewegung,
späterhin auch für die Planetenbewegung verwendet worden.
Die
Erde stand im
Zentrum des deferierenden
Kreises, der andre Himmelskörper lief auf dem Epicykel.
Doch sah sich
Ptolemäos bei den
Planeten zu der Modifizierung genötigt, daß er die
Erde außerhalb des
Zentrums des deferierenden
Kreises
annahm. Auch gab er das Grundprinzip insofern auf, als er die
Bewegung auf dem deferierenden
Kreise
[* 6] selbst als
ungleichförmig annahm, doch so, daß sie von einem im Innern gelegenen
Punkte (dem
Punctum aequans) aus gleichförmig erschien.
Als sich später
Abweichungen zwischen
Theorie und
Beobachtung zeigten, fügte man neue Epicykeln
hinzu: man ließ auf dem zweiten
Kreis nicht den
Planeten, sondern den
Mittelpunkt eines dritten
Kreises laufen u. s. f., erst auf dem letzten
Kreis lief der
Planet. So konnte man sich der Wirklichkeit wieder beliebig weit nähern, machte aber freilich die
Theorie immer
verwickelter. Dieses höchst komplizierte
System ward wesentlich vereinfacht, als
Kopernikus die
Sonne
[* 7] als
Zentrum annahm; völlig
aus der
Astronomie
[* 8] entfernt hat aber erst
Kepler die Epicykeln.