Entmündigung
,
Entziehung der bürgerlichen Selbständigkeit wegen
Geisteskrankheit oder wegen
Verschwendungssucht. Die Entmündigung
zieht die
Bestellung eines Zustandsvormundes für den Entmündigten nach sich; sie erfolgt nach
vorgängigem Entmündigu
ngsverfahren vor demjenigen
Amtsgericht, bei welchem der zu Entmündigende seinen allgemeinen
Gerichtsstand
hat. Nach gemeinem deutschen
Recht, welches sich in dieser Hinsicht dem römischen anschloß, erfolgte die
Entmündigung
von
Amts wegen durch das Vormundschaftsgericht, während das preußische und ebenso das französische
Recht ein kontradiktorisches
Verfahren verlangten und die Entmündigung
im Weg eines bürgerlichen
Rechtsstreits eintreten ließen.
Letzteres
Verfahren bietet für die
Sicherung der persönlichen
Freiheit größere
Garantien; ersteres ist kürzer und weniger
kostspielig. Die deutsche
Zivilprozeßordnung (§ 593 ff.) sucht beiden
Systemen durch eine
Verbindung derselben
gerecht zu werden. Sie läßt die Entmündigung
durch das
Amtsgericht auf
Antrag in einem Offizialverfahren eintreten. Sie gibt aber für
den
Fall, daß die Entmündigung
stattgefunden, oder daß ihre Wiederaufhebung von dem
Amtsgericht abgelehnt wird, eine rechtliche
Klage
(Anfechtungsklage), womit der amtsgerichtliche Beschluß angefochten werden kann; diese
Klage geht an das
Landgericht, welch letzteres nach mündlicher
Verhandlung durch förmliches
Urteil entscheidet.
Gegen dieses
Urteil sind die gewöhnlichen
Rechtsmittel zulässig. Bei der Entmündigung
wegen
Geisteskrankheit findet eine Mitwirkung
der Staatsanwaltschaft statt. Der Entmündigu
ngsantrag kann von dem Ehegatten, einem Verwandten oder von dem
Altersvormund des zu Entmündigenden gestellt werden; gegen eine Ehefrau nur von dem Ehemann und gegen eine
Person, welche
unter väterlicher
Gewalt steht, nur vom
Vater oder von dem Vormund.
Soll eine
Person für geisteskrank (wahnsinnig, blödsinnig
etc.) erklärt werden, so ist auch die Staatsanwaltschaft zur
Stellung des
Antrags befugt.
Das
Amtsgericht nimmt die erforderlichen
Erhebungen von
Amts wegen vor. Bei einer Entmündigung
wegen
Geisteskrankheit
kann das
Amtsgericht vor
Einleitung des
Verfahrens die Beibringung eines ärztlichen Zeugnisses verlangen. Der wegen
Geisteskrankheit
zu Entmündigende ist womöglich persönlich unter Zuziehung eines oder mehrerer
Sachverständigen zu vernehmen. Unter keinen
Umständen darf die Entmündigung
wegen
Geisteskrankheit ohne sachverständiges
Gutachten ausgesprochen werden.
Der amtsgerichtliche Beschluß über den Antrug auf Entmündigung
ist dem Antragsteller und, wenn es sich um einen
Geisteskranken handelt, auch dem
Staatsanwalt, wenn um einen Verschwender, auch diesem selbst zuzustellen. Spricht der Beschluß
die Entmündigung
aus, so
ist er auch der Vormundschaftsbehörde mitzuteilen. Die Entmündigung
wegen
Verschwendung ist öffentlich
bekannt zu machen. Gegen den die Entmündigung
ablehnenden Beschluß hat der Antragsteller die sofortige
Beschwerde. Der Beschluß, welcher
die Entmündigung
wegen
Geisteskrankheit oder wegen
Verschwendung ausspricht, kann binnen Monatsfrist durch
Klage bei dem übergeordneten
Landgericht angefochten werden.
Bei der Entmündigung
wegen
Geisteskrankheit ist klagberechtigt der Entmündigte selbst, sein Vormund und jeder,
von welchem ein Entmündigung
santrag ausgehen
kann, also auch der
Staatsanwalt; bei der Entmündigung
wegen
Verschwendung nur der Entmündigte.
Im letztern
Fall ist die
Klage gegen denjenigen zu richten, welcher die Entmündigung
beantragte, oder, falls dieser verstorben oder sein
Aufenthalt unbekannt sein sollte, gegen den
Staatsanwalt. Bei der Entmündigung wegen
Geisteskrankheit ist die
Klage
gegen den
Staatsanwalt zu richten und, wenn dieser selbst der Kläger ist, gegen den Vormund des Entmündigten als dessen
Vertreter, unter Beiladung des etwanigen Privatantragstellers.
Das Verfahren ist das vor dem Landgericht übliche, jedoch mit folgender wesentlicher Einschränkung. Da es sich hier nämlich um einen Gegenstand handelt, welcher der freien Verfügungsgewalt der Parteien entzogen ist, so können in diesem Verfahren die sonst im bürgerlichen Rechtsstreit eintretenden Folgen der Versäumnis einer Partei nicht Platz greifen; auch ist der Parteieid nicht statthaft, und ebenso sind sonst zulässige Parteidispositionen im Entmündigungsverfahren ausgeschlossen.
Auch kann die persönliche Vernehmung des zu Entmündigenden und diejenige von Sachverständigen angeordnet werden. Wird der amtsgerichtliche Entmündigungsbeschluß durch rechtskräftiges landgerichtliches Urteil aufgehoben, so kann die Gültigkeit von Handlungen des Entmündigten auf Grund des Entmündigungsbeschlusses fernerhin nicht in Frage gezogen werden. Dagegen hat die Aufhebung auf die Gültigkeit der inzwischen vom Vormund des Entmündigten vorgenommenen Handlungen keinen Einfluß.
Auch über die Wiederaufhebung einer angeordneten Entmündigung befindet das Amtsgericht, bei welchem der Entmündigte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Lehnt dasselbe den Antrag auf Wiederaufhebung ab, so kann auch in diesem Fall eine Anfechtungsklage bei dem übergeordneten Landgericht stattfinden. Zur Klagerhebung ist der Vormund des Entmündigten und bei der Entmündigung wegen Geisteskrankheit der Staatsanwalt befugt. Will der Vormund die Klage nicht erheben, so kann der Vorsitzende des Landgerichts dem Entmündigten einen Rechtsanwalt als Vertreter beiordnen. Die Wiederaufhebung der Entmündigung wegen Verschwendung ist öffentlich bekannt zu machen.
Vgl. Daude, Das Entmündigungsverfahren etc. (Berl. 1882).