(franz., spr. angkäht), im allgemeinen amtliche
»Untersuchung«, Ermittelung und zwar sowohl in bürgerlichen Rechts- als in Verwaltungssachen; besonders das von einer Behörde
oder von einer Kommission geleitete öffentliche Untersuchungsverfahren zur Aufklärung und Auskunftseinziehung über bestimmte
durch die Gesetzgebung zu regelnde Fragen und Verhältnisse. Von Bedeutung ist das Recht der Enquete (inquiry) namentlich in England,
wo dasselbe dem Parlament seit Jahrhunderten zusteht.
Das Verfahren hierbei ist dort folgendes: Wenn in einem der beiden Häuser des Parlaments ein Mitglied einen Gesetzvorschlag
machen will oder sich über einen Verwaltungszweig zu beklagen hat, so verlangt es die Aufstellung einer
Kommission (Committee of inquiry), die vom Präsidenten des Hauses aus den Mitgliedern, welche sich durch ihre Kenntnis in diesem
speziellen Fach am besten dazu eignen, ernannt wird. Diese Kommission hält Sitzungen an bestimmten Tagen, und nicht nur kann
jedermann verlangen, von ihr gehört zu werden, sondern ihr steht auch das Recht
mehr
zu, wen sie will, und von wem sie Aufschluß erwartet, zur Vernehmung vor sich zu rufen. Auch kann sie von allen Behörden
Notizen, Tabellen und statistische Angaben verlangen. Von besonderm Vorteil sind solche Untersuchungen bei sozial- und handelspolitischen
Fragen, da die jeweilige Lage eines größern Handelszweigs eine so komplizierte Sache ist, daß nur die
größere Vereinigung von Thatsachen, deren Kenntnis von einzelnen Beamten nicht zu erwarten ist, völligen Aufschluß darüber
geben kann.
Die in England angestellten Inquiries über das Armengesetz, über die Korporationen, über die milden Stiftungen, über den
Zustand der Bergwerks- und Fabrikarbeiter, über irische Zustände etc. sind wahre
Fundgruben für die Wissenschaft. Neben den parlamentarischen kommen übrigens in England auch Enqueten der Regierung (Royal
commissions of inquiry) vor. Auch in Frankreich hat man wiederholt, namentlich über das Tabaksmonopol, solche Untersuchungen
veranstaltet, indem dazu von der Regierung eine Kommission ernannt wurde, welche den betreffenden Minister zum Vorsitzenden
und einige hohe Beamte sowie in Handelssachen eine Anzahl Beisitzer der Handelsräte zu Mitgliedern hatte.
In Deutschland sind Enqueten nach englischem Muster erst in neuerer Zeit gebräuchlich geworden.
Man ersetzte dieselben früher dadurch, daß vor dem Erlaß eines Gesetzes der Entwurf desselben den zur Beurteilung kompetenten
Behörden, Fachmännern etc. übergeben und sodann in den Landtagen und Kammern der Diskussion ausgesetzt
ward. Doch ist in einzelnen deutschen Verfassungen der Volksvertretung das Recht der Enquete ausdrücklich zugestanden. So enthält
besonders der Art. 82 der preußischen Verfassungsurkunde vom 31. Jan. 1850 die Bestimmung: Eine jede Kammer hat die Befugnis,
behufs ihrer Information Kommissionen zur Untersuchung von Thatsachen zu ernennen.
Indessen sind wir auch jetzt noch von dem englischen Vorbild parlamentarischer Enqueten weit entfernt; es handelt sich bei
uns vielmehr zumeist nur um Erhebungen, welche in Form von Regierungsenqueten stattfinden, und das Beispiel der preußischen
Eisenbahnuntersuchungskommission, welche 1873 auf Laskers Anregung hin eingesetzt ward, steht ziemlich
vereinzelt da. Wichtige Regierungsenqueten dagegen waren die Eisenbahntarifenquete 1875, die Enquete über die Lage der Eisen-,
Baumwoll-, Leinen- und Tabaksindustrie etc. 1878, die Zuckerenquete 1884 und die Enquete über
die Sonntagsarbeit 1885. Die für die Zuckerenquete über den finanziellen Rückgang der Rübenzuckersteuer und dessen Abhilfe
(Beschluß des Bundesrats vom 10. Febr. 1883) eingesetzte Kommission, deren Vorsitzender vom Reichskanzler ernannt
ward, bestand aus 5 Beamten der Steuerverwaltung und 7 Sachverständigen der Zuckerindustrie und des Rübenbaues. Sie hat
umfassende Berichte, Referate und Nachweisungen, auch die stenographischen Protokolle über die Vernehmung zahlreicher Sachverständigen
veröffentlicht.
Vgl. Cohn, Über parlamentarische Untersuchungen in England (Jena 1875);
Embden, Cohn und
Stieda, Das Verfahren bei Enqueten über soziale Verhältnisse (Leipz. 1877).
Wissenschaftliche Untersuchung durch Befragung einer Anzahl von ⟶ Experten. Aber auch
mod. Verfahren, mit Hilfe dessen man sich ein Bild über die Einstellung einer Bevölkerung oder eines Bevölkerungsteils
macht, indem man die verschiedenen Teilgruppen, Klassen und Schichten über best. Gegenstände mündlich befragt. ⟶
Gallup.
(frz. enquéte spr. angkäht), eigentlich
Zeugenverhör,
im franz. Civilprozeß das Verfahren, in welchem der Zeugenbeweis und der direkte Gegenbeweis durch Zeugen (Contre-enquéte)
erhoben wird; in der Sprache des franz. Verwaltungsrechts (in der Praxis meist Enquéte de commodo et incommodo
genannt) das der Zwangsenteignung, öffentlichen Arbeiten, Bergwerksverleihungen, der Erlaubnis zur Anlegung
von Triebwerken an Gewässern und andern Unternehmungen vorhergehende Verfahren, durch welches den betroffenen Privaten Gelegenheit
zur Vorbringung ihrer Beschwerden und Wünsche gegeben und die zweckmäßigste und wohlfeilste Art der Ausführung ermittelt
werden soll.
Im parlamentarischen Sprachgebrauch bezeichnet Enquete eine englische, auch in andern Ländern nachgeahmte Einrichtung. Seit langer
Zeit üben in England die beiden Häuser des Parlaments jedes für sich das Recht, über solche Verhältnisse
des Landes, welche einer Regelung durch die Gesetzgebung zu bedürfen scheinen, die aber nicht leicht und nicht von jedermann
in allen Teilen zu übersehen sind, behufs Gewinnung der nötigen thatsächlichen Unterlagen für die legislatorische
Thätigkeit genaue und umfassende Untersuchungen (engl. inquiries) durch eine aus der Mitte des
betreffenden Hauses gewählte Kommission anzustellen.
Derartige Enquete haben teils auf Antrag der Regierung, teils einzelner Mitglieder sehr häufig und über die mannigfaltigsten
Gegenstände stattgefunden, z. B. über das Armenwesen, die Arbeiten der Kinder in den Fabriken, die Banken,
die Verhältnisse bestimmter Industriezweige, die Zustände Irlands, die Schiffahrtsgesetze, die Eisenbahnpolitik. Die zu
solchem Zwecke niedergesetzte Kommission (Select Committee) hat das Recht, nicht bloß freiwillig gebotene Auskunft anzunehmen,
sondern auch öffentliche Beamte und Privatpersonen als Zeugen und Sachverständige vorzuladen und zu befragen.
Wissentlich falsche Aussagen werden in der Regel als Privilegienbruch betrachtet. Es findet sogar zuweilen
Vereidigung der Zeugen statt. Die Vernehmungen geschehen öffentlich, die stenographischen Protokolle werden sofort gedruckt
und in der Regel auch meist sofort verbreitet, um dem Volke Gelegenheit zu geben, der Kommission neue, wichtige, ergänzende
Mitteilungen zu machen. Endlich erstattet auf Grund der Untersuchung die Kommission selbst einen ausführlichen
Bericht, der ebenfalls veröffentlicht wird und der als Grundlage der parlamentarischen Verhandlungen, wie auch der Besprechungen
in der Presse dient.
Neben den Parlamentsausschüssen setzt auch die Regierung sog. Königliche Kommissionen (Royal commissions of Inquiry) nieder,
wenn es sich um Untersuchungen handelt, die umfassender und von jahrelanger Dauer sind. Man würde sich
in England nicht für befähigt halten, über eine wichtige Frage der Volkswirtschaft, des Finanzwesens, der Rechtspflege oder
eines andern Zweigs der Gesetzgebung ohne eine solche vorausgegangene Untersuchung zu entscheiden, und in der That verdankt
England jenen Untersuchungskommissionen seine bedeutendsten und besten Gesetze. Die zahlreichen, über 1000 Bände
umfassenden Kommissionsberichte bilden ein unschätzbares Material zur Kenntnis der gesamten Zustände Englands. Anderer Art
sind die Wahlprüfungskommissionen, die, wenn Bestechungen und Regelwidrigkeiten vorgekommen zu sein scheinen, von dem Unterhause
gebildet zu werden pflegen.