Englisches
Schul-
und
Universitä
tswesen. Schul
wesen. Eine einheitliche Regelung und
Abstufung
des Schul
wesens besteht in England nicht. Mit Ausnahme der Vorbereitungsanstalten für das
Heer und
die Flotte giebt es keine
Art von Schulen
, deren Besuch bei der Zulassung zu irgend einer Berufsart vorausgesetzt wird. Auch ist
die Errichtung von Schulen und
die Ausübung des Lehrerberufs in keiner
Weise von obrigkeitlicher Genehmigung abhängig. Der
Staat greift in das Schul
wesen ein durch die umfassende Fürsorge für die Errichtung, Kontrollierung und
Unterstützung
von Elementarschulen
, durch Ermöglichung der Errichtung von Gewerbeschulen aus Kreismitteln und
durch
Oberaufsicht über die höhern Schulen.
Von Elementarschulen
bestanden bis 1870 nur die freiwilligen Schulen (Voluntary Schools), die, von
Vereinen, kirchlichen und
andern Gemeinschaften errichtet und
erhalten, vom
Staat unter gewissen
Voraussetzungen unterstützt wurden. Durch die Elementary
Education
Act von 1870 wurde das Schul
wesen neu geordnet; das Land wurde in Schulbezirke eingeteilt und
in diesen der
Regel nach Schulverwaltungsbehörden (School Boards, s. d.) errichtet,
die von allen kommunalsteuerpflichtigen männlichen und weiblichen Einwohnern erwählt werden und bei denen oft auch Frauen
Mitglieder sind. Wo keine solche
Behörde besteht, hat in größern
Städten ein
Ausschuß des Gemeinderats
(Borough Council, s. Municipial Corporations), sonst ein
Ausschuß der
Behörde für Armenpflege (Board of
Guardians, s. Poor
Law), der als School Attendance Committee bezeichnet wird, für die
Erfüllung der Schulpflicht zu sorgen; die sonstigen Funktionen
der Schulverwaltungsbehörden sind in solchen Fällen von der
Centralbehörde wahrzunehmen.
Die Schulverwaltungsbehörden haben dafür zu sorgen, daß innerhalb ihres Bezirks eine genügende Anzahl von Elementarschulen vorhanden ist und haben im Falle des Bedürfnisses eigene Schulen, die Bezirksschulen (Board Schools) zu errichten, in welchen das Schulgeld den Betrag von 9 Pence (75 Pf.) wöchentlich nicht überschreiten darf. Als öffentliche Elementarschulen gelten neben diesen auch die vom Staat unterstützten freiwilligen Schulen, deren Schulgeld den angegebenen Betrag nicht überschreiten darf.
Ein 1891 erlassenes Gesetz hat das Schulgeld in den öffentlichen Elementarschulen teilweise ganz beseitigt, teilweise bedeutend vermindert. Der Staat giebt allen solchen Schulen einen Zuschuß (Fee Grant) von 10 Schill. (10 M.) für jedes Kind im Alter von 3 bis 15 Jahren, welcher Betrag in der Folge vom Schulgeld abgezogen werden muß. In den Schulen, in welchen 1890 das Schulgeld den Betrag von 10 Schill. nicht überschritt, ist in der Folge der Unterricht kostenfrei zu erteilen.
Neben dem Schulgeld und dem Staatszuschuß haben alle öffentlichen Elementarschulen eine weitere Einnahmequelle in dem parlamentarischen Staatszuschuß (Parliamentary Grant). Ob und in welchem Maße derselbe gewährt wird, hängt von dem Resultate von Prüfungen ab, welche die staatlichen Schulaufseher (Inspectors of Schools) in allen derartigen Schulen jährlich abhalten müssen. Diese Schulaufseher stehen unter der Centralbehörde für Erziehungswesen (Committe of the Council for Education, s. Großbritannien [* 2] und Irland, Verfassung), welche in einem sog. «Code» von Zeit zu Zeit genaue Vorschriften über den in den verschiedenen Klassen (Standards) zu erteilenden Unterricht und die Bedingungen des Staatszuschusses niederlegt. Die Bezirksschulen decken den Rest ihrer laufenden Ausgaben, sowie die Ausgaben für den Bau neuer Schulen durch den Ertrag der Schulsteuer, welchen die Schulverwaltungsbehörde von den einzelnen Gemeinden erhebt und die also einen Teil der Kommunalsteuern bildet.
Der Religionsunterricht in den Bezirksschulen darf nur unter Ausschluß der Katechismen und jeder einen konfessionellen Charakter tragenden Glaubenslehre erteilt werden. Trotzdem schreibt der School Board in London [* 3] neuerdings (1894) das Einprägen der Dogmen vor. Die freiwilligen Schulen sind in der Regel konfessionell; doch darf in ihnen, sofern sie aus öffentlichen Mitteln unterstützt werden, der Religionsunterricht nicht obligatorisch sein und muß entweder in der ersten oder in der letzten Unterrichtsstunde erteilt werden. Den staatlichen Schulaufsehern ist durch Gesetz untersagt, über den Religionsunterricht Ermittelungen einzuziehen.
Das erwähnte Gesetz von 1870 überließ es den einzelnen School Boards, nach ihrem Ermessen ¶
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Schulzwang in ihrem Bezirk einzuführen. Ein Gesetz von 1876 gab für die Bezirke, in welchen keine School Boards vorhanden sind, die gleichen Befugnisse den School Attendance Committees. Ein 1880 erlassenes Gesetz legt endlich allen School Boards und School Attendance Committees die Verpflichtung auf, Bestimmungen über die allgemeine Schulpflicht zu erlassen und für ihre Ausführung zu sorgen, sodaß jetzt der Schulzwang allgemein ist. Gewerbeschulen (Technical Schools) waren früher teilweise Privatanstalten, teilweise wurden sie von Vereinen und Körperschaften errichtet.
Namentlich haben die großen Londoner Zünfte (City Companies) große Summen für die Errichtung und Unterstützung derartiger Schulen hingegeben. Die vorzügliche City of London Guilds School in South Kensington ist z. B. die Frucht dieser Bemühungen. Neuerdings hat man aber auch gesucht, die Errichtung von Gewerbeschulen aus öffentlichen Mitteln zu befördern, und zu diesem Zwecke wurden die Technical Instruction Acts von 1889 und 1891 erlassen. Diese Gesetze ermächtigen in den Landkreisen die County Councils, in den größern Städten die Borough Councils und in den kleinern Städten die seit 1894 als Urban District Councils bezeichneten Urban Sanitary Authorities (s. Health Acts), derartige Schulen zu errichten oder zu unterstützen, jedoch unter denselben Beschränkungen in Bezug auf Erteilung des Religionsunterrichts wie in den Board Schools. Im übrigen sind die meistens aus Privatspekulation hervorgegangenen Schulen, in welchen die bessere Klasse von Handwerkern, die Kleinkaufleute und stellenweise auch Großkaufleute erzogen werden, diejenigen, welche mehr als alle andern von der Gesetzgebung vernachlässigt worden sind und bei dem Mangel an Kontrolle und bei der Abwesenheit jeder Vorschrift über die Qualifikation der Lehrer wenig Garantie für geistige und sittliche Förderung bieten.
Noch schlimmer steht es mit den Mädchenschulen gleicher Gattung. Die Schulen, in welchen Unterricht in den klassischen Sprachen erteilt wird, und welche in England nicht nur von solchen Schülern besucht werden, die sich einem gelehrten Berufe widmen wollen, sondern überhaupt von allen, welche zu den höhern Gesellschaftskreisen in Beziehung stehen, sind fast ausschließlich Stiftungsschulen und stammen meistens aus der Mitte des 16. Jahrh. Den ersten Anstoß zur ausgedehnten Begründung solcher Schulen gab der Humanist Colet, Domdechant an der Paulskirche in London, der aus seinen eigenen Mitteln die noch heute hervorragende Paulsschule errichtete.
Zur Reorganisation dieser in trocknen Formalismus und Abschließung der jungen Wissenschaften versunkenen sog. Grammar Schools wurde zunächst 1840 ein Gesetz erlassen. Die eingreifendste Reform begann indessen kurz nach 1860. Zunächst handelte es sich um die sog. Public Schools, die größten unter den klassischen Schulen, in welchen die Söhne des Adels und der höhern Stände ihre Erziehung erhalten. 1861 wurde eine Enquetekommission eingesetzt, welche die Schulen von Eton, Winchester, Westminster, Charterhouse, Harrow, Rugby und Shrewsbury untersuchen sollte.
Das Resultat dieser Untersuchung war die Public Schools Act von 1868 und die sich an dieselbe anschließenden Gesetze, infolge welcher alle diese Anstalten unter neuen Kuratorien (Governing Bodies) reorganisiert wurden. 1864 wurde eine zweite Kommission eingesetzt, welche über die andern Stiftungsschulen zu berichten hatte und deren Vorschläge den Erlaß der Endowed School Act von 1869 bewirkten, welcher sich später weitere Gesetze anschlossen. Während man den erwähnten größern Schulen selbständige Aufsichtsbehörden gelassen hatte, um jeder derselben ihre Eigenart möglichst zu erhalten, hat man die Reorganisation der andern einer Centralbehörde, den Charity Commissioners übergeben.
Auch sind umfassende Bestimmungen getroffen worden, um bei konfessionellen Schulen den Schülern, die einer andern religiösen
Gemeinschaft angehören, den Besuch zu ermöglichen. Nur in Bezug auf Schulen, die mit einer Kathedrale
im Zusammenhang stehen, ist eine Ausnahme gemacht worden. Die höhere Erziehung in England ist infolge der kühnen Mißachtung
der Stiftungsbestimmungen in weit lebhaftere «Beziehungen zu dem thätigen Leben der Gegenwart gekommen und das Ansehen des
Lehrerstandes hat dabei nicht gelitten, ebensowenig die Pietät der Schüler gegen die Anstalt, welcher sie
angehören, die noch bis in die spätern Lebensjahre erhalten bleibt und zu den charakteristischsten Eigentümlichkeiten des
engl. Lebens gehört. Auch für die höhere Mädchenerziehung wird neuerdings in England viel
gethan, doch hat der Staat in dieser Beziehung noch nicht eingegriffen. Universitä
tswesen. Der Hauptunterschied zwischen den
engl. und kontinentalen Universitäten ist der, daß diese obligatorische Vorbereitungsanstalten für
die gelehrten Berufsarten sind, jene aber hauptsächlich dem Erwerb allgemeiner Bildung dienen. Es giebt in England zahlreiche
Geistliche, Juristen, Ärzte und Lehrer an höhern Lehranstalten, die nie eine Universität besucht haben. Der Besuch der Universität
hebt aber die sociale Stellung und das Ansehen, und diejenigen, welche die höhern Stufen ihres Berufs
erreichen wollen, und ebenso diejenigen, welche keinen gelehrten Beruf ergreifen, sich aber in den höhern Gesellschaftskreisen
bewegen, besuchen stets die Universität, und zwar meistens Oxford
[* 5] oder Cambridge (s. d.). Diese im 12. Jahrh. begründeten
Mittelpunkte akademischer Gelehrsamkeit sind in allen ihren Einrichtungen verschieden von den im Laufe
dieses Jahrhunderts errichteten Universitäten: Durham (1832), University of London (1836) und Victoria
[* 6] University (1880), namentlich
von den beiden letztern.
Orford und Cambridge sind neuerdings in vielen Beziehungen reorganisiert worden, namentlich ist 1871 die letzte Beschränkung
in Bezug auf den Erwerb akademischer Würden durch Personen, welche nicht zur anglikan. Kirche gehören,
beseitigt und seit 1877 dafür gesorgt worden, daß die Einkünfte der Colleges für die Lehrzwecke der Universität verwandt
werden. Die Veranstaltung der sog. Local Examinations an vielen Plätzen Englands im Auftrage der beiden Universitäten und
Erteilung von Diplomen, welche namentlich für die weiblichen Kandidaten, die sich dem Lehrfach widmen,
sehr nützlich sind, ist ein weiteres Zeichen neuer Thätigkeit, ebenso die University Extension Lectures, Vorlesungen, welche
ebenfalls von Delegierten der Universitäten im ganzen Lande abgehalten werden und dazu bestimmt sind, die Klassen, welchen
der Universitä
tsbesuch unmöglich ist, mit dem Geiste akademischer Lehrmethoden m Berührung zu bringen. Die University
of London ist nur Prüfungsbehörde und Anstalt für die Verleihung akademischer Würden, die jedermann zugänglich sind,
der die
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