Englische
[* 2] Sprache. [* 3] Die e. S. ist in höherm Grad als irgend eine andre eine Mischsprache, deren Grundbestandteil ein altniederdeutscher Dialekt, das Angelsächsische, bildet: auf dessen weitere Entwickelung hauptsächlich noch das normännisch-französische Element infolge politischer Ereignisse von entscheidendem Einfluß gewesen ist. In den frühsten Zeiten, soweit die geschichtliche Kunde reicht, wurden Großbritannien [* 4] und Irland von Kelten bewohnt, deren Sprache in zwei Dialekte zerfällt: in den irisch-gälischen, noch jetzt in Irland, Hochschottland und auf der Insel Man üblich, und den kymrisch-britannischen, der noch jetzt in Wales und der Niederbretagne erklingt. In Cornwall ist das Keltische erst im 18. Jahrh. ausgestorben.
Keltische
Wörter sind jedoch, von
Eigennamen abgesehen, nur in geringer Anzahl in das
Englische aufgenommen.
Der
Einfall der
Römer
[* 5] unter
Cäsar und die Unterwerfung des größern Teils des
Landes im 1. Jahrh.
n. Chr. brachten
Britannien
die
lateinische Sprache, doch wirkte das
Lateinische auf die Landessprache
, das
Keltische, wenig ein.
Fast nur Ortsnamen auf
-chester (castra) und -coln (colonia) deuten noch auf die Herrschaft der
Römer hin. Die vielen romanischen
Bestandteile, welche das heutige
Englisch aufweist, sind dagegen erst entweder mit Einführung des
Christentums oder durch die
Normannen, oder später mildem Wiedererwachen der klassischen
Bildung eingedrungen.
Anders wie mit jener vorübergehenden
Okkupation war es mit der
Eroberung
Britanniens durch die
Sachsen
[* 6] und
andre niederdeutsche
Stämme um die Mitte des 5. Jahrh. Durch sie nämlich trat, soweit die Herrschaft dieser
Völker sich erstreckte, auch ihre
Sprache an die
Stelle der keltischen (s.
Angelsächsische Sprache). Die Einfälle und vorübergehende
Besitzergreifung
Großbritanniens durch die mit den
Angelsachsen stammverwandten
Dänen brachten neue
Wörter und
mögen auch auf die
Bildung der englischen
Mundarten der nördlichen Gegenden nicht ohne Einfluß geblieben sein. Dagegen war
die
Eroberung
Englands durch die
Normannen 1066
¶
mehr
von tiefgreifender Bedeutung auch für die Sprache der Besiegten. Ursprünglich altnordisch, also einen dem angelsächsischen
ganz nahe verwandten Dialekt redend, hatten jene noch nicht zwei Jahrhunderte nach ihrer Niederlassung in der Normandie durchaus
französische Sprache und Sitte angenommen. Dieses Normännisch-Französische nun, eine Mundart der langue d'oïl, wurde durch
Wilhelm den Eroberer zur Hof-, Gerichts-, Geschäfts- und Schulsprache
erhoben, während das Lateinische der
Kirche und Gelehrsamkeit verblieb und das Angelsächsische sich nur bei dem niedern Volk erhielt.
Jener romanische Dialekt wirkte nun auch auf letztere Sprache ein; französische Wörter zeigen sich hier im Lauf der Zeit in immer größerer Anzahl; französische und deutsche Accentuation gehen bald nebeneinander her. Außerdem aber beginnt der Ablaut beim Zeitwort zu schwanken; der Unterschied zwischen starker und schwacher Substantiv- und Adjektivsflexion schwindet allmählich, die vollern Flexionsvokale werden gleichförmig zu e; neben die gewöhnliche deutsche Steigerungsweise tritt die umschriebene (mit more und most).
Auch wurden die angelsächsischen Buchstaben mit den Schriftzügen der Normannen vertauscht, die alsdann,
natürlich modifiziert, in stetem Gebrauch geblieben sind. In dieser mit dem 12. Jahrh. beginnenden neuen Periode der englischen
Sprache, die bis zum Auftreten von Shakespeare und F. Bacon dauert, und die man am besten als die mittelenglische
oder (falls
man die erste Periode die angelsächsische anstatt altenglische
nennt) als die altenglische bezeichnet,
hat man wiederum unterschieden: a) die neuangelsächsische (Koch) oder halbsächsische Periode (Mätzner), dem Semi-Saxon der
Engländer entsprechend, bis 1250; b) die altenglische
, bis 1350, und c) die mittelenglische, bis gegen
Ende des 16. Jahrh. An eine irgendwie einen wirklichen Einschnitt machende Veränderung in der Sprache
ist jedoch bei keiner dieser Perioden zu denken, und die Einteilung hat keine wissenschaftliche Berechtigung.
Unter Eduard III. (1327-77) wurde, nachdem schon das Englische zur Geschäftssprache geworden und durch die Kriege mit Frankreich
das französische in England mehr und mehr außer Gebrauch gekommen war, 1362 durch einen Erlaß das französische
als Gerichtssprache durch das Englische ersetzt. An Eduards Hof
[* 8] erhielt sich zwar jenes noch; doch als um Ende des Jahrhunderts
das Haus Lancaster den Thron
[* 9] bestieg, führte man auch als Hofsprache
das Englische ein. Um die Mitte des 15. Jahrh. trat nun
eine Beschleunigung des sprachlichen Umschwunges ein, der aber nicht von der Art war, daß das Neuenglische
sich durch eine scharfe und zeitlich streng innegehaltene Grenzlinie von dem Mittelenglischen
abhöbe.
Als allgemeine Unterscheidungsmerkmale dieses Neuenglischen
von der vorhergegangenen Periode gelten: gleichmäßigere Regelung
der Orthographie;
das Eindringen zahlreicher lateinischer und die Erweiterung des Gebiets französischer Wörter bei gleichzeitigem Verlust germanischer;
die starken Verben vermindern sich;
im Präteritum bleibt für Singular und Plural nur ein Ablaut (früher z. B. Sing. wan, Plur. wonnen, jetzt nur won);
Person- und Modusbezeichnung schwindet fast gänzlich;
das aktive Partizip geht auf -ing anstatt auf -end aus;
die adjektivische Flexion ist ganz geschwunden, die substantivische bewahrt nur noch s als Zeichen des Genitivs im Singular und des ganzen Plurals;
eine große Anzahl romanischer Wörter erhält nur deutsche Accentuation;
allseitige stilistische Durchbildung, die zu den höchsten Leistungen auf allen Gebieten der Poesie und Prosa befähigt.
Schon unmittelbar nach dem Beginn der neuen Periode legen Marlowe
und Shakespeare, F. Bacon und die »Authorized version« der Bibel
[* 10] (1607-11) das herrlichste Zeugnis hierfür ab. Daß auf die
Bildung dieses litterarischen Idioms auch Ereignisse von allgemein kulturgeschichtlicher Bedeutung, wie die Einführung der
Buchdruckerkunst (in England durch Caxton), die Reformation, das Wiederaufleben der klassischen Studien, von hervorragendem
Einfluß gewesen sind, darf bei der Betrachtung der Entwickelung der englischen
Sprache nicht außer acht gelassen werden.
Am Wortschatz hat das Angelsächsische und nach ihm das Normännisch-Französische den größten Anteil, und zwar mögen etwa fünf Achtel sämtlicher Wörter dem erstern zufallen. In wissenschaftlichen Werken ist natürlich die Anzahl der angelsächsischen Wörter am geringsten. Deutsche [* 11] Benennung herrscht vor in den Namen für Naturgegenstände und Naturerscheinungen, für Kleidung und Waffen, [* 12] für die Geräte der Haus- und Landwirtschaft und der Schifffahrt; französisch hingegen sind alle Ausdrücke, welche im Hof- und Staatsleben gebräuchlich sind, die Bezeichnungen für Titel und Würden, Künste und Wissenschaften. In Beziehung auf die Sprachformen verdankt das Englische, außer seiner Betonung, [* 13] dem Angelsächsischen die Reste seiner Substantiv-, wie Verbalflexion, seine Hilfsverben, seine Artikel, sein Zahlwort (ausgenommen das schon früh für other eingetretene second), die meisten Verhältnis- und Bindewörter, seine Steigerungsformen wie seine Adverbialbildung.
Unter französischem Einfluß steht die Wortfolge; auch auf die Aussprache einzelner Laute mag das französische eingewirkt haben. So werden ihm die Verstummung des l vor andern Konsonanten, das teilweise Verstummen von h und gh sowie der Übergang des gutturalen k in den Zischlaut ch (= tsch) zugeschrieben. Bei der Erlernung des Englischen bietet hauptsächlich die Orthographie und Aussprache viel Schwierigkeit, da man die alte Schreibweise beibehielt, während der Laut ein andrer wurde; z. B. ear (Ohr) [* 14] wurde früher wirklich ear ausgesprochen, dann er und zuletzt îr.
Mit einer bessern Regelung ihrer Orthographie sind die Engländer übrigens seit Jahren beschäftigt (vgl. Pitman). Eine weitere
Schwierigkeit liegt in dem ungeheuern Wortreichtum und dem teilweisen Mangel an scharf ausgeprägten
grammatischen Regeln, der dazu zwingt, sich mehr durch Lektüre das Idiom zu eigen zu machen. Die Hauptvorzüge der englischen
Sprache sind ihr Reichtum, indem sie meist für einen Ausdruck sowohl ein deutsches als ein französisches Wort hat (z. B. to
begin und to commence, freedom und liberty), die Klarheit der grammatischen Konstruktion, ihre Kürze und
Gedrängtheit; arm hingegen ist sie im Vergleich zum Deutschen und mehr noch zum Griechischen an die Rede nüancierenden Partikeln.
Das Englische ist jetzt die verbreitetste Sprache und wird in allen Erdteilen gesprochen, wenn auch natürlich je nach dem Land
mit mehr oder weniger dialektischen Eigentümlichkeiten, wie sie z. B. das Nordamerikanische aufweist.
Die e. S. im weitern Sinn zerfällt zunächst in das Englische im engern Sinn und das Schottische. Sie hatte schon in ihrer ältesten, der angelsächsischen, Periode verschiedene Dialekte, die sich im Lauf der Zeit noch mannigfaltiger gestalteten. Die Gruppierung derselben ist bei den Grammatikern etwas verschieden. Mätzner z. B. teilt sie in die westliche, die südliche und die nördliche Gruppe, wovon die südliche wieder in drei Unterabteilungen zerfällt; nach ¶
mehr
Koch umfaßt die erste Gruppe den Süden und Westen mit drei verschiedenen dialektischen Gebieten, die zweite die mittlern Grafschaften und Ostangeln, die dritte den Norden [* 16] Englands (mit Einschluß von Schottland). Das Schottische, die Sprache Niederschottlands, bis zum 16. Jahrh. eine litterarische Sprache, sinkt besonders seit der Vereinigung Schottlands mit England (1603) zu einem Dialekt herab; es hat sich aber im 18. Jahrh. in der volkstümlichen Dichtung besonders bei Burns zu einem hohen Grade der Vollendung erhoben.
Bei seinem reiner gehaltenen germanischen Charakter bewahrt es viele altertümliche Züge. Folgende Merkmale unterscheiden es hauptsächlich von dem Englischen: oft steht a (vereinzelt ai) für o (langer = longer, snaw = snow, baith = both), au für o, ou (auld = old, saul = soul), u, ui, eu für oo (gude = good, puir = poor, neuk = nook);
ll fällt im Auslaut ab (a' = all; zuweilen im Inlaut: faut = fault);
das gutturale ch (h), englisch gh, erhält sich auch in der Aussprache (nicht = night, dochter = daughter), ebenso gewöhnlich k (kirk = church, bink = bench);
g in der Endung -ing verliert sich (mawin = mowing), ebenso d nach n (men' = to mend);
I canna, winna, dinna stehen für I cannot, I will not, I do not; I' se für I shall.
J. Grimm gebührt der Ruhm, in seiner »Deutschen Grammatik« auch den Grund für eine wissenschaftliche Behandlung des Englischen
gelegt zu haben; ihm folgten Fiedler (»Wissenschaftliche Grammatik der englischen
Sprache«, 1850 ff., 2 Bde.;
neue Bearbeitung von Kölbing, Leipz. 1877),
Koch (»Historische Grammatik«, Götting. 1863-69, 3 Bde.),
Mätzner (»Englische Grammatik«, Berl. 1860 ff., 3 Bde.; 3. Aufl. 1880 ff.). Diese letztere Arbeit machten sich die Engländer, denen es an einer historischen Grammatik ihrer Sprache noch fehlt, durch eine Übersetzung zu eigen; geschätzt sind bei diesen noch unter anderm die in vielen Auflagen erschienenen Arbeiten von Latham (»On the English language«, »Handbook of the English Language« etc.). Tüchtige Kräfte sind indes seit einiger Zeit auch in England und Nordamerika [* 17] am Werk, das Werden ihrer Sprache von den frühsten Zeiten an zu verfolgen; erwähnt seien nur: Ellis, Furnivall, March, Marsh (»Origin and history of the English language«, »Lectures on the English language«),
Morris, Skeat, Sweet etc. Die meisten der Genannten und noch andre Gelehrte sind auch beteiligt bei dem verdienstvollen Unternehmen der Early English Text Society (seit 1864) und der Chaucer Society; auch Arbers korrekte und billige »Reprints« wertvoller Denkmäler hauptsächlich des 16. Jahrh. verdienen hier Erwähnung. Ferner hat sich seit 1873 eine English Dialect Society gebildet zur Herausgabe neuerer Werke über englische Dialekte. Veraltete und provinzielle Ausdrücke sind gesammelt von Nares (»Glossary«, neu hrsg. von Halliwell und Wright, 1872-75, 2 Bde.),
Halliwell (»Dictionary of archaic and provincial words«, 1844; neue Ausg. 1873-78, 2 Bde.),
Wright (»Dictionary of obsolete and provincial words«, 1857).
Ein vollständiges Wörterbuch der englischen Sprache, das bisher fehlte, wurde von der Philological Society in Angriff genommen und erscheint, von Murray bearbeitet, seit 1884 (»New English dictionary on historical principles«) in Oxford. [* 18] Von den Leistungen der Engländer und Amerikaner auf lexikalischem Gebiet sind sonst namhaft zu machen zunächst Johnson, Dictionary of the English language (1755 u. öfter; in neuer Bearbeitung von Latham, 1866-1870); ferner Richardson (1835, brauchbar durch seine Belege), Webster (neue Bearbeitung, besonders in Bezug auf Etymologie wertvoll, Lond. 1865), Worcester (1830 u. öfter), Ogilvie, Imperial dictionary (1861). Oft citiert findet man Walker, [* 19] Critical pronouncing dictionary (1791 u. öfter, auch Leipz. 1826). Unter den größern von Deutschen verfaßten Wörterbüchern stehen obenan die von Flügel (1830; 3. Aufl., Leipz. 1848, 2 Bde.) und Lucas (Brem. 1854 bis 1868, 2 Bde.). Ein sehr gutes Supplementlexikon (eigentlich zu Lucas, aber von selbständigem Wert) ist das von Hoppe (Berl. 1871). Kleinere mehr oder minder brauchbare Wörterbücher lieferten Elwell, Flügel, Grieb, Hilpert, Köhler, Thieme u. a. Altenglische Wörterbücher (12.-16. Jahrh.) haben wir von Stratman (»Old English dictionary«. 3. Aufl. 1878) und Mätzner (Berl. 1872 ff.). Der Sprachschatz Shakespeares allein ist vortrefflich behandelt von Alex. Schmidt (Berl. 1874-76); die Wörter des schottischen Dialekts sind gesammelt von Jamieson (»Dictionary of the Scottish language«, 1808, Supplemente 1825; Auszug von Longmuir, 1877). Brauchbare etymologische Wörterbücher lieferten Ed. Müller (2. Aufl., Köth. 1878-79) und Skeat (2. Aufl., Lond. 1884; auch in kürzerer Bearbeitung 1882); ein synonymisches Crabb (neue Ausg. 1875) und neuerdings Klöpper (Rost. 1879 bis 1880). Von Lesebüchern sind zu empfehlen: Mätzner, Altenglische Sprachproben (Berl. 1867-1869, 2 Bde.);
Wülcker, Altenglisches Lesebuch (Halle [* 20] 1874-80);
Morris u. Skeat, Specimens of early English (neue Ausg., Oxf. 1882 ff.);
für die neuere Zeit unter andern: Chambers, Cyclopaedia of English literature (neue Aufl. 1875-1876);
Ideler u. Nolte, Handbuch der englischen Litteratur (Berl. 1844-53, 1 Bde.);
Herrig, British classical authors (56. Aufl., Braunschw. 1884);
Ahn, Classbook of English poetry and prose (Köln [* 21] 1870).
Von den mehr praktischen Zwecken dienenden Grammatiken sind erwähnenswert unter andern die von Gesenius, S. Schmidt, Schmitz, Zimmermann. An mehreren deutschen Universitäten hat man in neuerer Zeit eigne Lehrstühle für und Litteratur errichtet. In Kölbings »Englischen Studien« (Heilbr. 1876 ff.) und Wülckers »Anglia« (Halle 1877 ff.) kann man die Entwickelung der vorliegenden Disziplin eingehend verfolgen.
Vgl. Storm, Englische Philologie (Heilbr. 1881).