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Eduard Nopers »By track and trail through Cananda« anschließen. Lady Dufferin, durch frühere Arbeiten günstig bekannt, veröffentlicht »My Canadian Journal«, welches sich über die sechs Jahre erstreckt, während welcher ihr Gatte dort Generalstatthalter war. »The Pacific Coast scenic tour, from Southern California to Alasca, the Canadian Pacific Railway, Yellowstone Park and the Grand Cañon« von Henry Finck ist durch seinen Gegenstand anziehend. Derselbe Verfasser hat »Spain and Marocco« beschrieben, ohne viel von Marokko [* 3] gesehen zu haben. In »Rounf the Calendar in Portugal« [* 4] gibt Oswald Crawfurd, früher Konsul dort, viel Anziehendes über Sitten und Volkskunde jenes Landes.
Aus Asien [* 5] haben wir noch ein eingehendes Werk über »The Philippine Islands« von Foreman und zwei aus verschiedenen Gründen anziehende Werke über Japan. [* 6] Basil Hall [* 7] Chamberlain bekleidet eine Professur in der kaiserlichen Universität von Japan; sein Buch »Things Japanese« erscheint zugleich in London [* 8] und Tokio [* 9] und ist zum großen Teil eine sehr wertvolle Kompilation von zuständiger Hand. [* 10] Ganz andrer Natur ist das Werk eines Japaners, Manjiro Inagaki, über »Japan and the Pacific, and a Japanese view of the Eastern Question« In sehr gutem Englisch hat sich der Verfasser mit notwendig unvollständigen Kenntnissen der europäischen Diplomatie auf das heikle Gebiet der orientalischen Frage gewagt und dabei und in seiner Kritik von Palmerston, Gladstone, Salisbury u. a. (sogar die frühere schleswig-holsteinische Frage wird berührt!) nicht viel mehr als Verworrenheit zu Tage gefördert.
Dagegen ist seine Übersicht der außerordentlichen Fortschritte, welche Japan in unserm Zeitalter in materieller Beziehung gemacht hat, allerdings wertvoll. Aus der Südsee kommen uns zwei mehr interessante als erfreuliche Bücher. Codington hat 24 Jahre als Missionar in Melanesien gewirkt, hauptsächlich auf der Norfolkinsel, und seine Beschäftigung hat ihn nicht zu einer heitern oder hoffnungsvollen Anschauung der Dinge geführt. Aber Wissenswertes führt er vor in »The Melanesians: studies in their anthropology and folk-lore«.
Noch weniger heiter ist W. D. Pitcairns Buch, das aber als das lesenswerteste über Neuguinea gilt, übrigens sich auch über Nord-Queensland verbreitet. Die Auffassung, welche »Two years among the savages of New Guinea« durchzieht, läßt sich schon in dem Titel ahnen und gibt sich hinreichend in der folgenden Stelle kund: »Die herabgekommenen Ureinwohner können sich nicht zu regelmäßiger Arbeit irgend einer Art erheben, und kein Weißer kann unter dem Brande der Sommersonne arbeiten, auch vermöchte der Pflanzer nicht den Lohn zu erschwingen, der jenen anziehen könnte. Sollte die Regierung bei ihrem Verbote der Einführung von Schwarzen stehen bleiben, so müssen die Zuckerpflanzungen aufgegeben und die bereits darauf verwendeten Kapitalien geopfert werden.« Ein viel freundlicheres Bild von einer andern, der Arbeit ebenfalls nicht besonders ergebenen Bevölkerung [* 11] erhalten wir durch Gray Hill in seinem Buche »With the Bedouins«. Dies Buch mag uns aus dem Lehrhaften heraus in die bloß unterhaltenden Reisebilder führen.
Auf diesem Felde finden wir zwei Bücher, beide nach dem Osten Europas weisend, beide von jungen Frauenm lebhaftestem, heiterstem Sinn geschrieben und nur gelegenheitlich und kaum absichtlich den Kreis [* 12] unsrer Kenntnisse erweiternd. Es sind: »A summer in Kieff«
von J. C. Morris und »A girl in the Karpathians« von Mente Muriel Dowie. Die Heiterkeit und den Frohsinn, mit welchen die erstere ihre Reise durch Südrußland und dann ihren Sommeraufenthalt in Kiew [* 13] erzählt, teilt die letztere völlig; nur fügt sie ein gut Teil Extravaganz dazu, die bisweilen in Erstaunen setzt, über die man ihr aber kaum böse sein kann. Ihrer Unterröcke und andrer Beschwerlichkeiten der weiblichen Zivilisation hat sie sich entledigt, sie hat »den Mann niemals um seine körperliche Bildung beneidet, wohl aber um die viel größere Bequemlichkeit seiner Kleider«, und die letztern hat sie denn auch angelegt.
Nach Männergesellschaft verlangt sie auch nicht, überhaupt kann sie eine Zeitlang alle Menschen entbehren; sie ist ganz zufrieden »mit der Gesellschaft von Viehzeug«. Darunter lassen sich wohl auch die ruthenischen Bauern begreifen, die »immer kriechend und von Zeit zu Zeit betrunken sind«. Wenn die Berge der Karpathen als schön erkannt werden, so sind dagegen die mit Lebhaftigkeit beschriebenen Dörfer nicht ohne große Schattenseiten. Sie erzählt uns frischweg, aber ohne Frivolität, alles - bis auf ihre Flohjagden und ihre erfrischenden Bäder im ersten besten Bach oder Fluß. Abenteuer hat die junge Dame eigentlich nicht erlebt, und doch ist keine langweilige Seite in dem Buche.
Verschiedenes. Übersetzungen.
Obwohl natürlich nicht zur englischen Litteratur
zählend, darf doch als ein
Bestandteil litterarischer
Bethätigung in
England die
Entdeckung einer Anzahl wichtiger griechischer
Handschriften erwähnt werden, die durch
Agenten in
Ägypten
[* 14] für das
Britische Museum erworben wurden, und deren Entzifferung durch dessen Beamte ungeahnte
Schätze ans
Licht
[* 15] brachte.
Es ist dies also zunächst das bisher verlorne
Buch des
Aristoteles (s. d.) über die athenische
Verfassung;
sodann eine Anzahl metrischer
Stücke, unter denen besonders die reizenden, realistischen
Idylle des Herodas oder Herondas
(beide Lesarten sind möglich) sich auszeichnen. Dieser spätgriechische Dichter war bisher nur aus einigen
Citaten bekannt;
er schließt sich an Theokrit an. Auf dem Gebiete der
Psychologie hat J. F. Nesbitt mit »The insanity
of genius« einiges Aufsehen gemacht und ernste und spöttische Besprechungen hervorgerufen.
Reichlich fließt die Quelle [* 16] sozialistischer Regungen. Dahin gehört vor allem des Dichters William Morris »News from Nowhere«, eine Utopie, wie es deren schon so viele gegeben, doch diesmal ein idealschönes London dem allerdings nur teilweise schönen der Wirklichkeit gegenüberstellend. Wissenschaftlicher ist William Graham in dem Werk »Socialism, old and new«, worin der Verfasser, der früher in »The social problem« mehr auf orthodox-ökonomischer Grundlage gesprochen, dem Sozialismus einige Zugeständnisse macht, aber auch zeigt, daß »in seinem wesentlichen Teile der Sozialismus nichts Neues, sondern oft vorher erschienen und jeweils durch ähnliche Ursachen hervorgebracht ist, während in seiner am häufigsten vorkommenden Form, dem Kommunismus, die allgemeine Erfahrung der Menschheit ihn immer zurückgewiesen hat, als der Durchschnittsnatur des Menschen zuwider«. Im vorigen Jahr hatten wir William Booths, des sogen. Generals der Heilsarmee, »In darkest England, and the way out of it« zu erwähnen, mit dem er sich seither richtig die 100,000 Pfd. Sterl. zusammeugebettelt, die er für wohlthätige Zwecke in seiner lärmenden Art verlangte. Mit ihm darf Charles Booth nicht verwechselt werden, der, schon durch frühere Arbeiten bekannt, ¶
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in ernst-nüchtern-wohlwollender Weise »Labour and life of the people« geschrieben hat und, frei von dem hysterischen Gebaren seines Namensvetters, Grundlagen für ernste Reformbestrebungen darbietet.
Inzwischen hat W. J. ^[William John] Loftie in »London City: its history, streets, traffic, buildings, people« ein umfassendes illustriertes Bild der Weltstadt geliefert. Andre Städtebilder werden in dem Sammelwerk »Historic towns« gegeben, welche dieses Jahr uns »Boston« [* 18] und »New York« liefert, jenes von Henry Cabot Lodge, dessen zweiter Vorname die Abstammung von dem großen Seefahrer Giovanni Caboto verkündet, dieses von Theodor Rosevelt.
Die Übersetzungen sind, wie gewöhnlich, sehr zahlreich. Wir nennen: des Feldmarschalls Moltke »Franco-German War«, in welcher Arbeit zahlreiche Übersetzungsfehler nachgewiesen sind;
ebenso dessen »Letters to his mother and his brothers«;
Munckers »Richard Wagner«, übersetzt von Landmann;
des neapolitanischen Professors Diodato Liory »Philosophy of right«, von
W. Hastie, in welchem gelehrten Werk sich der Verfasser nicht immer genau erweist, wenn er von englischen
Institutionen spricht.
Hier sei auch des Budapester Professors August Pulszky mit seiner »Theory of law and civil society« gedacht. In vorliegender
Übersicht haben bereits mehrere Beispiele gezeigt, daß Ausländer in zunehmender Zahl sich der englischen
Sprache
[* 19] für litterarische
Arbeiten bedienen; in dieser Richtung sei ferner erwähnt: »The evolution of property«, von Paul Lafargue.
Dem Tagebuch der Marie Bashkirtseff, dessen Übersetzung wir im Vorjahr (s. Bd. 18, S. 249) zu verzeichnen hatten,
sind nun auch ihre ebensowenig erfreulichen »Letters« gefolgt, diesmal
in der Übersetzung von Mary Serrano, woran sich wieder Mathilde Blind mit »A study of Marie Bashkirtseff« anschließt.
Der heitere Charles Leland, dessen prächtige »Breitmann ballads« sehr beliebt geworden, der Schöpfer des unsterblichen »Hans Breitmann«, eines Charakters, der neben Falstaff und Sancho Pansa gestellt werden darf, ist nunmehr, nachdem er einzelnes bereits meisterhaft übersetzt hat, mit der Übertragung des ganzen Heine beschäftigt. Kapitän Hastings Berkeley gibt uns in »Japanese letters« ein Buch, welches in seiner Beurteilung europäischer Dinge an die »Lettres persanes« des Montesquieu erinnert. Freiligraths Tochter, Frau Kröker, hat eine Auswahl aus Gottfried Keller veröffentlicht. Eine nicht bloß litterarische Bedeutung erkennt man in Helene Vacarescus »Bard of Dimboritza, Roumanian folk-songs«, welches die Königin von Rumänien [* 20] mit Hilfe von Alma Strettel ins Englische [* 21] übertragen hat.
Die bereits sehr große Zahl der Zeitschriften ist abermals gestiegen. Von großem Kaliber ist die neue Vierteljahrsschrift »The Imperial and Asiatic Quarterly Review«, die unter der Leitung des Deutsch-Ungarn Leitner, frühern Präsidenten der Universität von Lahore, ins Leben getreten ist. Neue Monatsschriften leichtern Gehaltes sind das »Strand Magazine«, »Ludgate Magazine«, »Newbury House Magazine«. Wöchentlich erscheint mit künstlerisch wertvollen Illustrationen: »Black and White«, das unter den Auspizien des Malers Herkomer ins Leben getreten ist.
Die Sammlung der »Sacred Books of the East«, welche unter Max Müllers Leitung erscheint, bringt in ihren Bänden 39 u. 40 »The texts of Täosm«, aus dem Chinesischen von James Legge.
Die große Faksimile-Ausgabe der alten Quartausgaben
Shakespeares ist nun in 43 Nummern vollendet. Das große Wörterbuch der
englischen
Sprache, welches die Philologische Gesellschaft entworfen und angefangen, und das, jetzt von Murray herausgegeben,
seit 1884 erscheint, ist im ersten Teil des dritten Bandes von E bis Every gelangt; bis dahin hat es 6842 Grundwörter, 1565 abgeleitete, 786 »besondere
Kombinationen«, im ganzen 9193
aufgezählt, wovon 25 Proz. als veraltet und 4 Proz.
als fremdsprachig oder nicht vollständig eingebürgert bezeichnet werden. John Foster Kirk hat Allibones »Dictionary of English
litterature«
vervollständigt. In seinen beiden Ergänzungsbänden führt er nicht weniger als
37,000 Verfasser auf. Des großen »Dictionary of National Biography« haben wir oben gedacht. - In diesem Zusammenhang darf
schließlich auch ein deutsches Werk genannt werden, welches der großen anglo-germanischen Völkerfamilie als brauchbares
Verständigungsmittel zu dienen bestimmt ist: das seit Anfang 1891
in Berlin
[* 22] erscheinende encyklopädische englisch-deutsche
und deutsch-englische
Wörterbuch von Ed. Muret (ein Parallelwerk zu dem bekannten franz.-dtsch. Sachs-Villatteschen Wörterbuch),
das für Deutschland
[* 23] zuerst die Ergebnisse des obenerwähnten Murrayschen Wörterbuches sowie des 1888-92 in New York erschienenen
»Century Dictionary« in mustergültiger Weise verwertet und demzufolge alle bisher erschienenen engl.-dtsch. Wörterbücher
an Reichhaltigkeit weit überflügelt.