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bürgten Tradition eine in den letzten Jahren des 14. Jahrh, entstandene Gesellschaft von Pariser! Bürgersöhnen, die an den Vühnenspielen der Ba- soche(s.d.) teilzunehmen wünschten. Vielleicht waren i die «Sorgenlosen» zuerst eine Karnevalsgesellschaft zur Veranstaltung von Narrenspielen; später ge- ! hörten zu ihr Spielleute, Possenreißer und Luft- ^ springer von Beruf. Ihre Vorstände hießen ?liu00 cl68 i^0t8 (Narrenfürst) und Nei-6 80tt6 (Narren- muttcr). Sie spielten in den Pariser Markthallen [* 3] und erfanden eine besondere Spielgattung, die 80U16 (Narrenspiel). Ein berühmter Vorsteher und Dickter der Gesellschaft war Pierre Grillgore (s. d.). Sie unterstützten auch die Passionsbrüder (^ontröi'io ä6 1a M33ion, s. d.) und die Basocke bei ibren Auffübrungenund bestanden bis Hiittedes 16. Iabrh. Während der Bürgerkriege hörten sie ! aus zu spielen und die Gesellschaft ging ein. ?iinc6 > des 8ot8 nannte sich zuletzt noch Nicolas Ioubert (gest. 1615). -
Vgl. Petit de Iullcville, 1.68 coinö- lii6li3 6U ^'i-anco MI IN0)'OU Ü.F6 (Par. 1885)).
^ Unlant terridis (frz., spr. angfang terrihbl, ! «Schreckenskind»),
eigentlich ein plaudcrhaftes
Kind, ^ das durch Wicdererzählung gehörter oder gefehener Dinge Verlegenheiten bereitet; dann
jemand, der ^ seine Partei oder Sache durch zu große Offenherzig- ^ keit kompromittiert. Der
Ausdruck foll von dem Satirenzeichner
Gavarni (gest. 1866) erfunden wor- den sein, der einen seiner komischen
Bilderbogen mit dem
Titel «1^68 6niant8 t^ri-idi^s» be;eicknete. Gnfield (spr.
snnsthld), Stadt in der engl.
Graf- schaft Middlefex, links am Themsezufluß Ncw-River, 18 I(m im N. von
London,
[* 4] hat (1891) 31532 Engadin
, eine
Lateinschule, ein litterar, und wissenschaftliches In- stitut und eine großartige königl.
Gewehrfabrik, die wöchentlich 5000
Büchsen liefern kann.
Der wild' reiche
Wald (Engadin
Chafe) ist längst verschwunden. Gnfilade (frz., spr.
angsilabd), Reibe; im
Bau- wesen eine Reihe von Zimmern, deren
Thüren wo- möglich in einer Ackse liegen, sodaß man die ganze
Flucht auf einmal übersehen kann. Während das Mittelalter die Engadin
auch ihrem Wesen nach
im Wohn- hausbau nicht kannte, hat der Barockstil sie znr höchsten
Entwicklung gebracht (Palazzo Borghefe in
Rom,
[* 5] wo die Engadin
in
stumpfem Winkel
[* 6] die Ouer- mauern schneidet; Schloß zu Versailles).
[* 7]
Die
Eti- kette des franz.
Hofs stellte auch die Reihenfolge der in Engadin
liegenden Raume fest, indem sie an den
von der
Treppe
[* 8] zugänglichen Salon das Antichambrc (s. d.), das (^iiamdi'6 d'a1c0v6
(s.
Alkoven) oder (^Hmdr6 äe lit und endlich die Garderobe angereiht wünscht. Auch im neuern höhern Wohnbausbau und in
öffentlichen
Gebäuden liebt man es, die Engadin
einzuführen. Durch Aufstellen von großen
Spiegeln am Ende der
Achse erweitern sich die Räume schein- bar ins Unendliche. - In militärischer
Be- ziehung ist Engadin
die Bestreichung einer
Stellung,
Ve- festigungslinic, Marschrichtung mit Längsfeuer, d. !). dcr Läncze nach. (S. Enfiliervatterien.) -
Über die Engadin
ak lnnterind.
Geldgröße s.
Dong. Enfilierbatterien (spr. angf-),
Batterien, die im förmlichen Festungeangriff die
Aufgabe baben, die angegriffene Front ihrcr Länge nach unter Seiten- feuer zu nehmen. Im Vaubanschen Angriffosystem
liegen die Engadin
ganz seitwärts, unter Umständen außerbalb des Bereiches der ersten
Parallele
[* 9] in der Verlängerung
[* 10] der Kurtine
der
Angriffsfront und haben die
Bestimmung, diese der Länge nach mit voller Ladung und fchwacher Elevation
zu beschießen. Enfiliercn (frz., fpr. angf-), einfädeln; an-, auf- reihen; verwickeln,
verstricken (in ein Unternehmen). - Engadin
im militärischen
Sinne s. Enfiladc.
Untin (frz., spr. angfäng), endlich; kurz. Ellflammieren (frz., spr. angst-), entflammen, ^nüe (frz., fpr. angst, von 6uÜ6i', «schwellen»),
ein gewöbnlich von sechs Personen mit je acht Blättern gespieltes Kartenspiel. Wer nicht Farbe zugeben kann, «schwillt», d. h. muß alle Blätter des unter- brochenen Stichs hereinnehmen. Gewonnen hat, wer sich zuerst seiner Karten entledigt. Gnfleurage (frz., spr. angflörahsch'), Verfahren der Parfümeriebereitung, wird angewandt, um die feinsten Blumendüfte, so die der Maiblumen, Tube- rosen, Iasminblüte, die sich durch Destillation, [* 11] Maceratwn u. s. w. nicht gewinnen lassen, zu er- halten.
Die Engadin
wird ausgeführt, indem die ganz frisch gesammelten
Blüten in flachen, kastenförmigen Behältern, die mit einer auf
der untern Seite mit einer dünnen Fettschicht überzogenen Glastasel be- deckt sind, ausgebreitet werden. Der von den
Blüten
ausströmende Duft wird von dem Fett absorbiert. Letzteres wird, nachdem es mehrfach derselben
Ope- ration
gedient bat, entweder unmittelbar zur
Dar- stellung feiner Pomaden verwandt oder es wird mit starkem
Alkohol ertrahiert, an den
es die Riechstoffe abgicbt, deren alkoholische Lösung zur
Darstellung der sog. Ertraits dient.
Gnfoncieren (frz., spr. angfongß-), in die Tiefe verfenken;
ein-, durchbrechen, auch einsinken;
sich in etwas versenken;
Enfoncement (spr. angfongß- mäng), Vertiefung, Hintergrund (eines Gemäldes, der Bühne) u. s. w. Gnforcieren (frz., spr. angforß-), verstärken.
HnF2.aä2., griech.-röm.
Name für Engedi (s. d.) in
Palästina.
[* 12] Gngadttt, roman. i^nFiadina,
ein Hochthal im schweiz. Kanton Graubünden,
[* 13] vom Inn durchströmt, der in 2480 in Höhe in dem Vergsee des
Piz Lun- ghino, unweit des Septimcr, entspringt und in der obern Thalstufe die Seen von lHils, Silvaplana, Campfer und St.
Moritz bildet, erstreckt sich von der Querschwelle der Maloja (s. d.) in
einer Länge von 91 km von
SW. nach
NO. bis zu der Grenzschlucht von Martinsbruck (1019 m), unterhalb welcher
nur i noch die linke Flußseite bis Schergenhof (bei
Fin- stermünz) dem Engadin
angehört.
Links wird das
Thal
[* 14] von dem Hauptstamme der nordrhätischen
Alpen
[* 15] eingeschlossen, deren vergletscherte, 3000-3400 m ^ hohe
Bergstöcke (Piz La'grev 3170 iu, Piz
d'Err ! 3395 m, Piz
Kesch 3417 m, Piz Linard 3416 in, Plz Buin 3327 m)
das Engadin
von den graubündischen Thalschaftcn Oberhalbstein, Vergün, Davos und
Prättigau und von dem tirolischen Patznaunthale
scheiden.
Rechts erheben sich in den südrhätischen
Alpen das Gletsckcrmassiv des Piz Vernina (4052 m) und östlick vom Bcrninapasse
niedrigere, meist
sel- ! sige Bergstöcke (Piz Languard 3266 in, Piz Qna- ^ tervals 3157 in, Piz Seesvenna 3221 m)
der Ofen- paßalpen und trennen das
Thal von den ital.Land- ! schaften Veltlin und Vormio, dem graubündischen ^
Münsterthale
und dem tirolischen Vintfchgau. Das Engadin
besteht aus zwei durch die Querschlucht Zernetz-Süs verbundenen Längenthälern
und zahl- reichen Seitenthälern, von denen die der linken ^ Seite: Val
Bever, Val Sulsanna, Val Susasea, !
zum
Teil leine Winterdörfer besitzen;
die der rechten . Seite sind länger: so das vom Flatzbach durchflossene ¶
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Thal von Pontresina, das Thal des Spöl, dessen Oberstufe Valle di Livigno geographisch zum Engadin
, politisch zu der Landschaft Vormio
gehört, und das wilde einsame Val da Scarl. Mit Ausschluß des Livignothals umfaßt das Engadin
ein Gebiet von 1717 likm, das
sich in Ober- und Unterengadin
teilt. Die Thalschaft Obereng ad in erstreckt sich von der Pahhöhe des
Maloja (1811 m) oder Maloggio bis Samaden (1728 m), dem Hauptorte des Ober- engadin. Das Hauptthal ist 39 Icm lang, an der
Sohle bis 2 km breit, 1000-1800 in ü. d. M. gelegen.
Die Höhe der die Landschaft umgebenden Gebirge, die Kühnheit ihrer Gipfelformen, die tief herab- hängenden Gletscher verleihen ihr einen Charakter ernster Großartigkeit, der durch die freundlichen, von Lärchen- und Arvenwald umrahmten Seespiegel, die üppigen Wiesen und Weiden der Vorbergc und des ebenen Thalgrundes und die schmucken stattlichen Dörfer gemildert wird. Das Klima, von dem das Sprichwort der Engadincr sagt, es sei «neun Monat Winter und drei Monat kalt», ist doch nicht so win- terlich, wie man nach der Höhenanlage annehmen sollte.
Zwar sind gegen 20 Proz. der Fläche von ewigem Schnee [* 17] und Eis [* 18] bedeckt und die Jahrestem- peratur beträgt im Sommer 19-25° (^., im Winter bis -30° (^., aber wenn der Schnee geschmolzen ist, gewöhnlich Ende April, entwickelt sich die Pflan- zenwelt ungemein schnell. Während in den obern Stufen sich nur Wiesenkultur findet, wird von Zuz (1748 m) abwärts auch Noggen und Gerste [* 19] gebaut. Die Alpweiden steigen bis zu 2800 in hinan, und stellenweise weiden die Schase bis zur Grenze des ewigen Schnees, die hier 3000 m ü. d. M. liegt.
Die Waldregion, die sonst in den Alpen selten über 1800 m hinaufgeht, erreicht im E. erst bei 2300 m ihre obere Grenze. Das stärkende Klima [* 20] mit ver- mindertem Luftdruck, geringerer Feuchtigkeit und größerer Wärme- und Lichtwirkung des Sonnen- lichts hat in Verbindung mit den heilkräftigen Quellen von St. Moritz das Oberengadin zu einem wichtigen klimatischen Kurorte und zu eiuem Mittel- punkte des Fremdenverkehrs gemacht,und die freund- lichen, halb städtisch angelegten Ortschaften Sils, Silvaplana, St. Moritz, Samaden, Pontresina u. s. w. sind beliebte Sommerfrischen geworden.
Die Vauart ist originell, dem Klima angepaßt. Die weißgetünchten Häuser sind blockhausartig aus Stein aufgeführt und haben dicke Mauern mit (der Kälte wegen) lleinen fchießschartenartigen Fenstern, die meist im reichsten Blumenschmücke prangen. Bal- lone, Vortreppen weisen einerseits auf die Nähe Ita- liens, andererfeits auf den Wohlstand der Bewoh- ner hin, von denen viele als Konditoren, Kaffce- wirte, Schokoladen- und Liqueurfabrikantcn in die Fremde wandern, um später wieder in die Heimat zurückzukehren.
Dieser Auswanderung steht seit dein raschen Aufblühen des Fremdenverkehrs eine fast ebenfo starte Einwanderung von Handwerkern, Kell- nern, Führern, Dienstboten u. s. w. aus den deutschen Teilen Graubündens entgegen. Sogar die Alpen- wirtschaft wird großenteils von Sennen aus andern Gegenden betrieben, die obersten Weiden werden an Bergamasker Schäfer verpachtet. Im Untercngadin, von Samaden abwärts, sind die Berge felsiger, weniger vergletschert und treten näher zusammen.
Eine eigentliche Thalsohlc giebt es nur an wenigen Stellen; der Inn flieht meist in einer tief eingeschnittenen schmalen Rinne und die Dörfer Lavin, Ardez, Echuls, Fettan, Sins, Nemüs, Schleins u. s. w. liegen meist 1200 -1600 in ü. d. M. auf den breiten Terrassen der nördl. Thalseite, während die südliche nur in den Erweiterungen von Zernetz und Tarasp größere Ort- schaften aufweist. Weniger hoch gelegen als das Ober- engadin, im untern Teil statt in die krystallinischen Gesteine [* 21] (Granit, Gneis, Hornblendeschiefer) der obern Thalstufen in Dolomit und Liasschiefer einge- schnitten, hat das Unterengadin milderes Klima und ergiebigern Boden; die Auswanderung ist deshalb weniger allgemein und neben der Alpcnwirtschaft bildet der Ackerbau die Haupterwcrbsquelle.
Gemsen und Murmeltiere sind ziemlich häufig, jedoch nicht so zahlreich wie im Oberengadin. In politischer Beziehung dvldet d Unter- engadin den Bezirk Inn des Kantons Graubünden, welcher sich in die Kreise [* 22] Obertasna, Nemüs und Untertasna teilt und einen Flächenraum von 1010,7 tholiken, umfaßt. Hauptort ist Schuls. (S. Tarasp.) Das Oberengadin, 706 c^m mit 6103 Engadin, darunter 1132 Katholiken, bildet einen eigenen Kreis [* 23] im Bezirk Maloja, dessen Hauptort Silvaplana ist.
Die Be- völkerung beider Landschaften ist ein kräftiger Men- fchenfchlag, roman. Stammes mit dunkelm Haar, [* 24] lebhaften Augen und fcharf gefchnittenen Gesichts- zügen. Die Volkssprache ist mit Ausnahme des deut- schen Val Samnaun das Ladin, eine Mundart des Romanischen (s. d.). Jedoch macht das Deutsche, [* 25] be- günstigt durch die Einwanderung, rasche Fortschritte. Mit den nordwestl. Vündnerthälcrn Oberhalbstein, Vergün und Davos ist es durch die Straßen über den Iulier, den Albula- und den Flüelapaß verbun- den.
Nach SO. ins Poschiavo und das Veltlin führt der Berninapaß, nach O. in das Münsterthal die Ofcnstraße und durch das Hauptthal zieht sich vom Maloja bis Martinsbrnck (1019 m) 5 1 cm oberhalb Finstermünz eine Poststraße, die sich einer- seits bei Nauders in Tirol [* 26] an die Straße über die Neschcnscheideck anschließt, andererseits sich vom Maloja bis Chiavenna fortsetzt, wo sie sich mit der Splügenstraße vereinigt. Eine Bahn von Landcck an der Arlberglinie durch das Oberinnthal, das Engadin und das Vergell nach Chiavenna ist geplant.
Geschichte. Im Altertum war das Engadin von dem rhätischen Volk der Venonen bewohnt, auch den Nömern uicht unbekannt, wie der uralte Vergpaß Iulier und die Thalsperre [* 27] Serviezel (36rrli Viteilii) im Unterengadin beweisen. Im Mittelalter stand es unter den Bischöfen von Chur, [* 28] die indessen schon frühzeitig ihre Gewalt mit den Grafen von Tirol teilen mußten. Bei den rechtlosen Zuständen, die mit dem Verfall der deutschen Neichsmacht in den rhätischen Landen eintraten, schloß das Engadin im 14. Jahrh, mit den andern Unterthanenländern des Bistums Chur den Gotteshausbund, der, urkund- lich zuerst 1392 erwähnt, 1471 mit den beiden andern rhätischen Bünden und 1498 mit den Eidgenossen Bündnisse, abschloß. Im Schwabcnkriege 1499, durch den Maximilian I. die Herrschast Österreichs in Graubünden herzustellen versuchte, wurde das Unterengadin von den Österreichern verheert, bis der Sieg der Vündner in der Schlacht an der Calvcn (im Münsterthal) 22. Mai der dar- auffolgende Friede von Bafel 22. Nov. den Zu- stand vor dem Kriege wiederherstellte. Im Drei- ßigjährigen Kriege setzte sich Österreich [* 29] 1621 und 1622 noch einmal in den Besitz des Unterengadin, und erst 1652 kaufte sich die Landschaft mit ¶