Endosmose
und Exosmose (Diosmose, Osmose), [* 3] der gegenseitige Austausch zweier miteinander mischbarer (s. Diffusion) [* 4] Flüssigkeiten, welche durch eine fein poröse Scheidewand voneinander getrennt sind. In dem Hals eines Fläschchens, dessen Boden abgesprengt ist, werde mittels eines durchbohrten Korks eine Glasröhre befestigt und der fehlende Boden durch eine darübergebundene Schweinsblase ersetzt. Dieses mit einer Flüssigkeit, z. B. Weingeist, gefüllte Gefäß [* 5] (Endosmometer) werde nun in ein weiteres, Wasser enthaltendes Gefäß eingesenkt.
Man wird nun bemerken, daß der
Weingeist in der
Röhre steigt und nach einigen
Stunden
oben ausfließt,
selbst wenn die
Röhre 40-50
cm hoch ist. Es ist demnach
Wasser durch die
Blase zu dem
Weingeist in das
Gefäß der
Schwerkraft
entgegen hineingedrungen (Endosmose
); anderseits aber ist auch
Weingeist aus dem
Gefäß zu dem
Wasser herausgetreten
(Exosmose),
wie man leicht an der Färbung des
Wassers bemerkt, wenn der angewendete
Weingeist gefärbt war. Das Steigen
der
Flüssigkeit in der
Röhre beweist, daß mehr
Wasser zu dem
Weingeist durch die
Blase hinein- als
Weingeist zu dem
Wasser heraustrat.
Ersetzt man aber die Schweinsblase durch eine Kautschukplatte, so findet man, daß mehr Weingeist zum Wasser wandert als umgekehrt. Es kommt also bei diesem Austausch wesentlich auf die Beschaffenheit der Scheidewand an. Daß die beiden Flüssigkeiten in ungleichem Maß zu einander übergehen, erklärt sich daraus, daß die Scheidewand in ihre Poren von verschiedenen Flüssigkeiten verschieden große Mengen aufzusaugen oder zu resorbieren vermag. So nehmen z. B. nach Liebig 100 Gewichtstteile ^[richtig: Gewichtsteile] trockner Ochsenblase in 24 Stunden in sich auf: 268 Gewichtsteile Wasser, 133 Kochsalzlösung, 38 Weingeist, 17 Knochenöl.
Sind daher Weingeist und Wasser durch eine solche Blase voneinander getrennt, so nimmt diese von der einen Seite Wasser, von der andern Weingeist in dem Verhältnis von 268 zu 38 in sich auf; das in der Blase aufgesaugte Wasser tritt aber vermöge der Anziehung (Adhäsion), welche zwischen den Wasser- und den Weingeistteilchen besteht, zu dem Weingeist hinüber, der resorbierte Weingeist ebenso zu dem Wasser, und zwar werden für je 268 Teile Wasser, welche zu dem Weingeist hineingehen, nur 38 Teile Weingeist zu dem Wasser heraustreten.
Senkt man eine kurze Glasröhre, welche an einem Ende mit
Blase bespannt ist und eine abgewogene
Menge
Kochsalz enthält, mit
dem verschlossenen Ende in
Wasser, so tritt allmählich etwas
Wasser ein, löst das
Kochsalz, und nun beginnt die Endosmose
und
Exosmose, d. h. es tritt beständig
Wasser ein, während
Kochsalz in das umgebende
Wasser austritt. Erneuert
man letzteres wiederholt, so verläßt endlich auch die letzte
Spur des
Kochsalzes die
Röhre, und diese enthält eine
Menge
reines
Wasser, welche, wenn man den
Versuch unter denselben Verhältnissen wiederholt, stets gleich
groß ist. Bei Anwendung
verschiedener
Salze erhält man dagegen ungleiche
Mengen; die Zahl, welche angibt, wie viele Gewichtsteile
Wasser gegen einen Gewichtsteil einer bestimmten
Substanz durch die
Membran hindurchgehen, nennt man das endosmotische
Äquivalent
derselben. Dasselbe beträgt für:
Kochsalz | 4.3 |
Kalihydrat | 215 |
Glaubersalz | 11.6 |
Schwefelsäure | 0.39 |
Schwefelsaures Kali | 12 |
Saures schwefelsaur. Kali | 2.3 |
Schwefelsaure Magnesia | 11.7 |
Alkohol | 4.2 |
Schwefelsaures Kupferoxyd | 9.5 |
Zucker | 7.1 |
Das endosmotische Äquivalent ist aber vom Konzentrationsgrad der Lösungen abhängig und wächst im allgemeinen mit der Temperatur. Im alltäglichen Leben begegnen uns mancherlei Beispiele endosmotischer Wirkung. Bohnen und Erbsen, welche man in Wasser einweicht, quellen auf, weil mehr Wasser durch die Zellhäute in die Zellen hineindringt, als von dem Zellinhalt heraustrittt ^[richtig: heraustritt]. Bestreut man einen in Scheiben geschnittenen Rettich mit Kochsalz, so zieht er Wasser; die in den Zellen enthaltene wässerige Flüssigkeit tritt nämlich in größerer Menge zu der konzentrierten Salzlösung heraus, welche sich bei Berührung des Salzes mit den feuchten Schnittflächen gebildet hat.
Die Endosmose
spielt im
Leben der
Pflanzen und
Tiere eine überaus wichtige
Rolle, denn der Austausch der Säfte zwischen den
rings geschlossenen
Zellen und
Blutgefäßen kann nur endosmotisch durch deren Wandungen hindurch erfolgen.
Graham hat gezeigt,
daß
Körper, welche im festen Zustand kristallinisch sind, und die er deshalb
Kristalloidsubstanzen nennt,
wie z. B.
Zucker,
[* 6]
Salze etc., viel leichter durch eine poröse Scheidewand hindurchgehen als gewisse unkristallinische
Körper, wie
Leim,
Eiweiß,
Gummi,
Karamel, lösliche
Kieselsäure u. a., welche mit
Wasser gallertartige
Massen bilden und von
Graham
Kolloidsubstanzen genannt werden.
Man kann sich dieses Verhaltens bedienen, um
Körper von beiden
Arten, welche miteinander gemischt sind,
durch Endosmose
voneinander zu trennen. Man nennt dieses
Verfahren
Dialyse
[* 7] und führt dasselbe aus mittels des Dialysators,
eines flachen
Gefäßes aus Hartkautschuk, dessen
Boden aus
Pergamentpapier besteht; diese Vorrichtung läßt
man in einem eine
beträchtliche
Menge
Wasser enthaltenden
Gefäß schwimmen. Gießt man nun in den Dialysator z. B. eine
aus
Gummi und
Zucker gemischte
Lösung, so wird der
Zucker nach einiger Zeit fast vollständig durch das
Pergamentpapier in das
Wasser übergegangen sein, während im Dialysator eine fast reine Gummilösung zurückbleibt.