Emphysem
(grch., d.i. Luftgeschwulst), der krankhafte Zustand, bei welchem die Zellen,
d. h. hier die
Maschen und
Lücken, eines Organs oder Körperteils widernatürlich mit Luft angefüllt
sind. Dies geschieht z. B., wenn die
Lungen oder Luftröhren verwundet oder sonst verletzt werden und die infolgedessen austretende
Luft in das benachbarte
Bindegewebe (z. B. des
Halses) hineindringt, wo sie dann von Zelle
[* 2] zu Zelle durchsickernd eine oft
bedeutende, beim Daraufdrücken knisternde und dem Fingerdruck ausweichende, farb- und schmerzlose Anschwellung
bildet (traumatisches Emphysem
oder Windgeschwulst).
Auch unter der
Haut
[* 3] des Schädels beobachtet man derartige Luftgeschwülste, die von den lufthaltigen Gesichtshöhlen (z.B.
Stirn- und Ohrhöhle) ausgehen. In andern Fällen handelt es sich um Ansammlung von
Gasen unter der
Haut infolge von Verjauchungen
(Fäulnis) bei ausgedehnten
Entzündungen. Auch in den
Lungen entstehen umschriebene Luftansammlungen,
wenn einzelne
Bläschen derselben bei heftigen Atemanstrengungen bersten und die Luft unter das die
Lunge
[* 4] überziehende
Brustfell
und zwischen die einzelnen Läppchen der
Lunge (Interlobularemphysem
) austritt.
Jedoch in der Regel, obschon im uneigentlichen
Sinne, nennt man gegenwärtig Lungenemphysem
oder Emphysem schlechtweg, auch
Lungenerweiterung,
jenen krankhaften Zustand der
Lunge, bei welchem deren einzelne
Maschen (Zellen) widernatürlich erweitert
und daher lufthaltiger als sonst, also blasenartig ausgedehnt sind. Dadurch tritt eine solche Erschlaffung des ganzen Lungengewebes
ein, daß die Luft nicht mehr mit der gehörigen Kraft
[* 5] aus den
Lungenbläschen ausgetrieben und deshalb auch nicht genug neue
sauerstoffreiche Luft in die nicht hinreichend entleerten
Lungen eingezogen werden kann, wodurch es bald
zu einer dauernden Überladung des
Blutes mit
Kohlensäure und ihren Folgen
(Beklemmung,
Atemnot,
Lufthunger) kommt.
Die Einatmung ist beim Emphysem
atiker in der Regel geräuschvoll, ziehend; die Ausatmung ist deutlich verlängert.
Auch gesellen
sich hierzu bald eine Menge wichtiger Cirkulationsstörungen, indem durch den
Untergang zahlreicher Lungenkapillaren
und infolge der verminderten Saugkraft der
Lungen eine beträchtliche
Blutüberfüllung der Lungenarterie und des rechten
Herzens,
Herzerweiterung und rückläufige Blutstauungen in den Körpervenen eintreten. Die
Lungenerweiterung kann herrühren teils
von Erschlaffung und Schwund der Zellwände der
Lunge, z. B. infolge hohen
Alters (das gemeine
Alters- oder
Greisenemphysem), teils daher, daß andere
Lungenzellen verschrumpft sind und so die übrigbleibenden krankhaft auseinanderzerren.
Die gewöhnlichste
Quelle
[* 6] des Lungenemphysems
ist häufiger, heftiger und anhaltender
Husten, besonders bei dem sog. trocknen
oder schnurrenden
Bronchialkatarrh; ferner Behinderung des
Ausatmens (z. B. durch starke
Kröpfe); übermäßige Anstrengung
der Atmungswerkzeuge (z. B. durch vieles Laufen, Klettern, Instrumenteblasen,
Singen, Schreien)
u. dgl. Das Emphysem
ist daher eine sehr häufige
Lungenkrankheit, welche schon bei ihrem ersten Auftreten sorgsame
Beachtung erheischt.
Der
Arzt erkennt das Lungenemphysem
leicht daran, daß das
Herz und die
Leber nach unten gedrängt sind, daher die Herzspitze
sicht- und fühlbar in der
Magengegend pocht, daß der Brustkasten sehr gewölbt und oft faßformig aufgetrieben
ist und beim Klopfen einen vollen
Ton giebt (daher Unkundige eine sehr schön gebaute
Brust vor sich zu sehen glauben), daß
die
Schlüsselbeine wagerecht, die Schultern nach vorn stehen und gewisse Halsmuskeln (Kopfnicker und Kappenmuskeln) verdickt
und gespannt sind.
Die
Beschwerden, welche das Emphysem
macht, sind: andauernde Kurzatmigkeit, welche durch Körperanstrengung,
Staub- und Rauchatmen,
Gemütsbewegung u. s. w. zunimmt und sich periodisch zu mehr oder minder heftigen
Anfällen von
Brustkrampf
(Asthma) steigert;
ferner Störungen des kleinen Kreislaufs, Herzzufälle, blausüchtige Blutmischung, Bauchauftreibung und Verdauungsbeschwerden, die oft von Laien für Hämorrhoiden oder Leber- oder Magenübel gehalten werden.
Das Lungenemphysem
ist eine zwar in der Regel nicht sofort gefährliche, aber doch sehr lästige
Krankheit. Seine Behandlung
erfordert vor allem Ruhe, Vermeiden körperlicher Anstrengungen, besonders des Laufens und Kletterns und der gröbern Armbewegungen;
Atmen einer reinen und milden Luft, daher Vermeiden von Rauch und Staub;
Verhüten öfterer Katarrhe, daher jeder Erkältung, weshalb namentlich Nord- und Nordostwinde zu meiden sind;
Frei- und Weichhalten des
Unterleibs, weil jede
Austreibung desselben (daher besonders Kot- und Blähungsanhäufung) das ohnehin bei Emphysem
atikern durch Herabdrängung
gelähmte Zwerchfell an seiner zum
Einatmen unentbehrlichen Thätigkeit behindert.
Auch suche der Kranke öfters recht kräftig auszuatmen und hierbei den Brustkasten mit beiden Händen mechanisch zusammenzudrücken, um die stagnierende Luft aus den widernatürlich erschlafften Lungenbläschen auszutreiben; recht gut eignet sich hierzu der Zoberbiersche Atmungsstuhl. Auch hat man mit Erfolg die Einatmung von Komprimierter Luft (s. d.) angewendet, indem die Kranken sich täglich einige Stunden in einem Raume aufhalten müssen, welcher mit künstlich zusammengepreßter, verdichteter Luft gefüllt ist. Da solche Luft mehr Sauerstoff enthält, so stillt sie auch besser als gewöhnliche ¶
mehr
Luft das Atmungsbedürfnis und bringt deshalb den Asthmatischen meist eine baldige Erleichterung. Dasselbe kann man dadurch
erreichen, das; man die Luft, welche bei der mangelhaften Ausatmung nicht entleert wird, gleichsam aus den Lungen aussaugt,
indem man den Kranken in verdünnte Luft ausatmen läßt. Hierauf gründen sich die in der neuern Zeit
vielfach benutzten pneumat. Apparate von Hauke, Berkart, Waldenburg,
[* 8] Geigel u. a., welche gleichzeitig das Einatmen komprimierter
Luft und das Ausatmen in verdünnte Luft ermöglichen. Übrigens sucht man durch kalte oder spirituöse Waschungen, auch wohl
durch vorsichtige gymnastische Übungen die Ausatmungsmuskeln des Brustkastens und des Bauches zu kräftigen, bringt etwaige
Katarrhe zur Lösung, beruhigt die Herzbewegungen und sucht die Gesamternährung zu heben oder in gutem
Stand zu erhalten. Wohlthätig wirkt bei Emphysem
atikern auch der längere Aufenthalt in Seeluft und Salinen sowie in
Kieferwaldungen.
In der Tierheilkunde wird ein dem Emphysem
ähnliches, besonders bei Pferden häufiges Leiden
[* 9] als Dämpfigsein oder Dampf
[* 10] (s. d.)
bezeichnet.