Emigranten
(lat.; frz. Émigrés), im allgemeinen Sinne Auswanderer, die sich polit. oder religiösem Druck durch Verlassen ihrer Heimat entziehen; insbesondere werden die während der Französischen Revolution ausgewanderten Franzosen so genannt, wogegen die unter Ludwig ⅩⅣ. flüchtig Gewordenen als Réfugiés (s. d.) bezeichnet werden. Nach dem Aufstand zu Paris [* 2] und der Einnahme der Bastille, verließen zuerst die königl. Prinzen, die Grafen von Provence (Ludwig ⅩⅧ.) und von Artois (Karl Ⅹ.) den franz. Boden.
Ihnen folgten, besonders nach der Annahme der Verfassung von 1791, alle die, welche durch die Abschaffung der Privilegien verletzt oder der Verfolgung ausgesetzt waren. Der Adel verließ seine Schlösser, die Offiziere, die fast durchgehends adlig waren, gingen zum Teil mit ganzen Compagnien über die Grenzen, [* 3] nicht bloß weil sie der Revolution feind waren, sondern weil sie es mit ihrer militär. Pflicht nicht vereinbar hielten, in einer meuternden Armee weiter zu dienen.
Scharen von Priestern und Mönchen entflohen dem Eide auf die Konstitution. Belgien, [* 4] Piemont, Holland, die Schweiz, [* 5] besonders aber Deutschland [* 6] füllten sich mit diesen Flüchtigen, von denen nur wenige ihr Vermögen gerettet hatten; die größere Masse befand sich in äußerster Dürftigkeit. Zu Koblenz [* 7] hatte sich indes um die Prinzen eine Art Hof [* 8] versammelt. Man hatte eine Regierung mit Ministern und einem Gerichtshof eingesetzt, und das sog. auswärtige Frankreich stand in Verbindung und Unterhandlung mit den fremden Höfen, die sich zur Abwehr und Bekämpfung der revolutionären Propaganda anschickten; für die Jakobiner ein willkommener Anlaß, ihre Schreckensherrschaft zu begründen.
Unter dem
Befehl des Prinzen Ludw.
Joseph von Condé (s. d.) wurde 1792 ein Emigranten
korps gebildet, das der
preuß.
Armee in die Champagne folgte. Sicher hat der Revolution nichts so viel Freunde in
Frankreich gemacht
als dieser Versuch der einst herrschenden
Klasse, mit fremden Waffen
[* 9] die innern Gegner zu stürzen. Bei
Todesstrafe wurde verboten,
die Emigranten
zu unterstützen oder mit ihnen in
Verbindung zu treten; 30000
Namen wurden auf die Liste der für immer
Verbannten gesetzt. Erst nach dem verunglückten, von England unterstützten Landungsversuch auf Quiberon 1795 verloren die
den
Mut zu dem Versuch, in
Frankreich mit den Waffen einzudringen. Das früher aus der deutschen Reichskasse besoldete Korps
Condés mußte sich nach dem Frieden von Lunéville förmlich auflösen; ein
Teil suchte Zuflucht
in
Rußland, wo die verbannten Emigranten
Gelder und Ländereien angewiesen erhielten, andere gingen in engl.
Solde nach
Portugal,
[* 10] bis
der Friede von
Amiens
[* 11] auch dort ihre Dienste
[* 12] überflüssig werden ließ.
Schon unter dem Direktorium hatten sich indes viele um die Rückkehr nach
Frankreich bemüht. Freudig wurde
daher die vom Ersten Konsul
Bonaparte bewilligte allgemeine
Amnestie von einem großen
Teil der Emigranten
begrüßt. Doch
erst nach dem
Sturz Napoleons Ⅰ. kehrte der Rest in die
Heimat zurück. Würden, Pensionen und
Ämter wurden ihnen zu teil,
aber nach der
Charte von 1814 konnten sie weder ihre
Güter noch die alten Adelsprivilegien wiedererhalten.
Endlich, nach den heftigsten Reklamationen, wurde auf
Antrag des Ministers
Villèle den Emigranten
, die ihre liegenden
Güter verloren
hatten, durch das Gesetz vom eine
Entschädigung von 30 Mill. 3prozentiger
Rente auf das
Kapital von 1000 Mill.
Frs.
zugestanden.
Dieses Gesetz, das die Besitzer liegender Güter, den alten Adel, vor andern begünstigte und eine sehr willkürliche Ausführung gestattete, war stets ein Gegenstand des lebhaftesten Streites, bis nach der Julirevolution die völlige Auseinandersetzung bewirkt und die Rente durch das Gesetz vom zu Gunsten des Staates eingezogen ward. –
Vgl. Antoine [de Saint-Gervais], Historie des émigrés français (3 Bde., Par. 1828);
Montrol, Histoire de l’émigration (3. Aufl., ¶