Emigranten
(lat., franz. Émigrés), Auswanderer, welche, um politischer oder kirchlicher Bedrückung zu entgehen, ihr Vaterland für immer oder mit Vorbehalt der Rückkehr in bessern Zeiten verlassen. Die bekanntesten Emigrationen sind die Auswanderungen der französischen Protestanten zur Zeit Ludwigs XIV. nach Deutschland, [* 2] England, Holland und Amerika [* 3] (s. Réfugiés), die der Protestanten aus Salzburg [* 4] (1732), die der Polen von 1795 und 1831, vornehmlich aber die während der ersten französischen Revolution.
Letztere begann nach der Erstürmung der Bastille als der jüngste Bruder des Königs, der Graf von Artois, den französischen Boden verließ. Ihm folgte in stets zunehmendem Maß ein großer Teil des französischen Adels, durch Aufhebung seiner Privilegien sich verletzt fühlend; 1791 folgte auch der ältere Bruder Artois', der Graf von Provence; Scharen von Priestern und Mönchen schlossen sich an, weil sie den Eid auf die Konstitution zu leisten sich weigerten.
Diese massenhafte Emigration wandte sich nach
Belgien
[* 5] und
Holland, der
Schweiz
[* 6] und
Piemont, vornehmlich aber
nach
Deutschland. In
Koblenz
[* 7] versammelten die ausgewanderten königlichen
Prinzen einen
Hof
[* 8] um sich, setzten eine
Regierung mit
Ministern und einen
Gerichtshof ein und bildeten so ein sogen. auswärtiges
Frankreich, welches mit fremden
Höfen behufs Unterdrückung
der
Revolution in
Verbindung trat. Dieses
Treiben der Emigranten
erregte in
Frankreich große Erbitterung und trug
nicht wenig dazu bei, die
Lage des
Königs zu verschlimmern und den
Jakobinern die Macht in die
Hände zu geben.
Als sich 1792 unter des
Prinzen
Condé Anführung ein Emigrantenheer
sammelte, welches der preußischen
Armee in die
Champagne
folgte, aber überall durch Übermut und Rachgier sich verhaßt machte, wurden in
Frankreich die schärfsten
Gesetze gegen die Emigranten
erlassen, ihre
Güter konfisziert und alle, welche sie unterstützten oder mit ihnen in
Verkehr treten
würden, mit
Todesstrafe bedroht. Die damals aufgestellte
Liste der Emigranten
zählte 30,000
Namen. Nach dem verunglückten Landungsversuch
auf
Quiberon 1795 standen die Emigranten
von weitern Invasionsversuchen ab, und viele von ihnen
kehrten nach
Frankreich zurück.
Indes im
September 1797 wurden die scharfen
Gesetze wider sie erneuert. Das
Korps
Condés mußte sich nach dem Lüneviller
Frieden
förmlich auflösen, worauf viele Emigranten
in Rußland
Aufnahme fanden. Die vom Ersten
Konsul verkündete allgemeine
Amnestie wurde
von einem großen Teil der Emigranten
benutzt, der Rest derselben kehrte aber erst nach
Napoleons
Sturz in die
Heimat zurück. Nach
der
Charte von 1814 konnten sie ihre
Güter und Privilegien nicht wiedererhalten; doch ward ihnen
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mehr
durch Gesetz vom auf Antrag Villèles eine Entschädigung von 30 Mill. 3proz. Rente auf das Kapital von 1000 Mill. Frank zugestanden. Nachdem dieses Gesetz, welches den alten Adel vor andern begünstigte und eine sehr willkürliche Ausführung gestattete, geraume Zeit ein Gegenstand heftigen Parteihaders gewesen, ward die Rente durch Gesetz vom zu gunsten des Staats wieder eingezogen.
Vgl. Saint-Gervais, Histoire des Émigrés français (Par. 1823, 3 Bde.);
Montrol, Histoire de l'Émigration (2. Aufl., das. 1825);
Forneron, Histoire générale des Émigrés pendant la Révolution française (3. Aufl., das. 1884, 2 Bde.);
A. de Puymaigre, Souvenirs sur l'Émigration, l'Empire et la Restauration (das. 1884).