Emden
,
[* 1] Stadt
(Stadtkreis) im preuß. Regierungsbezirk
Aurich
[* 2]
(Ostfriesland), unweit der
Ems,
[* 3] die in
frühern
Zeiten unmittelbar an den Stadtmauern vorüberfloß, jetzt aber durch einen auch für größere Seeschiffe fahrbaren
Kanal
[* 4] mit der Stadt in
Verbindung steht,
Knotenpunkt der
Linien
Münster-Emden u.
Emden-Wittmund der Preußischen Staatsbahn. Emden
besteht
aus sechs Teilen: der am höchsten gelegenen
Altstadt,
Nord-,
Süd- und Mittelfaldern und der tiefer liegenden
Boltenthors- und Neuthorsvorstadt, und ist nach Art der holländischen
Städte von
Kanälen durchschnitten, über welche 30
Brücken
[* 5] führen. In diese
Kanäle ergießen sich durch verschiedene
Siele mehrere den
Verkehr der Stadt mit dem Innern von
Ostfriesland
in weitem
Umfang vermittelnde Binnengewässer (sogen. Tiefe).
Sie bilden den doppelten Binnenhafen der Stadt (den Ratsdelft und den Falderndelft), der mehrere Hundert Schiffe [* 6] fassen kann. Häfen und Fahrwasser zur Ems, an dessen Ende sich eine Schleuse mit doppeltem Durchlauf befindet, die mit den umliegenden Deichen die Stadt gegen Überflutungen sichert, gestatten nur Schiffen mit 4 m Tiefgang die Anfahrt mit voller Beladung, während größere einen Teil der Ladung auf der Reede in der Nähe einer die Knock genannten, 7 km entfernten Bucht, bei einer Landspitze, wo die größten Kriegsschiffe ankern können, einnehmen oder löschen müssen; doch ist von seiten des Staats eine erhebliche Verbesserung und Vertiefung der Häfen in Verbindung mit der Herstellung des Ems-Jadekanals in Angriff genommen.
Das am Zusammenfluß der Gewässer der beiden Binnenhäfen, an deren südwestlicher Seite belegene geräumige
Dock
[* 7] ist mit
ansehnlichen Niederlagegebäuden versehen und steht in unmittelbarster
Verbindung mit dem
Bahnhof. Aus frühern
Zeiten sind
noch
Wall (mit sechs
Bastionen) und
Graben zum Teil erhalten; ersterer dient jetzt zu Spaziergängen. Emden
hat
vier
Thore, meist gerade und breite
Straßen, in welchen neben den mehr modernen manche hohe, noch altertümliche
Häuser (nach
Art der alten holländischen) stehen, wie überhaupt Äußeres und
Inneres der Stadt mehrfach an holländische
Weise und
Sitte
gemahnt.
Gottesdienstliche Gebäude sind neun vorhanden, darunter 4 reformierte, eine lutherische, eine kath. Kirche und eine Synagoge. Bemerkenswert sind die gotische, von 1455 an erbaute Große Kirche (ursprünglich zu St. Kosmas und Damianus) in der Altstadt mit dem Marmordenkmal des ostfriesischen Landesherrn Grafen Enno II. und die Neue Kirche in Nordfaldern (1643-47 errichtet), deren Turm [* 8] mit der deutschen Kaiserkrone bedeckt ist. Das hervorragendste Gebäude der Stadt ist das am Ratsdelft gelegene Rathaus, 1574-76 nach dem Muster des Rathauses von Antwerpen [* 9] erbaut, mit stattlichem Turm, großem Saal und reichhaltiger Rüstkammer. Die Zahl der Einwohner beläuft sich mit Einschluß der Garnison (1 Inf.-Bat. Nr. 78) auf (1885) 14,020 (meist Protestanten).
Unter den Erwerbszweigen stehen der Handel, namentlich der Seehandel, und die Schiffahrt obenan. Der Aktivhandel beschränkt sich auf einheimische Produkte und Fabrikate, namentlich Getreide, [* 10] Vieh (1883: 16,000 Stück, meist nach Deutschland, [* 11] Österreich [* 12] und Rußland), Pferde [* 13] (5000 Stück), Butter (1½ Mill. kg), Käse, Ziegel etc. Die Stadt vermittelt die Hälfte des Verkehrs von ganz Ostfriesland und steht nach außen vornehmlich mit den Niederlanden, Belgien, [* 14] Hamburg [* 15] und Bremen [* 16] im Verkehr.
Ein
Leuchtturm wurde von Emden
schon 1576 aus der
Insel
Borkum errichtet. Der Heringsfang, von einer
Aktiengesellschaft (mit 14
Schiffen)
unterstützt, ist bedeutend, nicht minder der
Schiffbau. Von Wichtigkeit sind ferner die
Fabriken für
Strohpapier,
Drahtseile,
Zement,
Tabak,
[* 17]
Öl, eine Zuckerraffinerie, Wollspinnerei und
-Weberei,
Lohgerberei etc. Emden
, das einen
lebhaften
Verkehr mit den
Inseln
Borkum und
Norderney unterhält, besaß 1883: 70 eigne Seeschiffe zu 7200 Registertons, während
in demselben Jahr 336
Schiffe mit 17,543 Registertons aus- und 303
Schiffe mit 13,945 Registertons einliefen.
Endlich ist der Sitz eines Landratsamtes, eines Amtsgerichts, einer
Handelskammer, eines
Hauptzollamtes, einer Reichsbankstelle
und andrer Geldinstitute, mehrerer Schiffsassekuranzen, eines
Vereins zur Rettung Schiffbrüchiger etc. An Wohlthätigkeitsanstalten
besitzt Emden
ein großes
Armen- und Waisenhaus
(»Gasthaus« genannt), ein
Krankenhaus
[* 18] etc.; an Bildungsanstalten ein
Gymnasium,
ein
Realprogymnasium, eine
Navigationsschule,
Taubstummenanstalt; von andern gemeinnützigen
Instituten eine
Gesellschaft zum allgemeinen Nutzen
(Filiale der großen holländischen
Gesellschaft
»Nut van't allgemeen«),
eine Naturforschende Gesellschaft mit ansehnlichen Sammlungen, einen Verein für bildende Kunst und vaterländische Altertümer (im Besitz wertvoller Gemälde etc.), mehrere Bibliotheken etc.
Emden
(Emuden, Emetha) erscheint schon zu Anfang des 14. Jahrh.
als Stadt, von welcher 1312 Wiard Abdena zum
Drost oder
Kommandanten der
Burg eingesetzt ward. Der
Propst Hisco erlaubte den
Vitalienbrüdern (s. d.), hier ihren
Raub zu verkaufen, wodurch Emden
ein nicht unbedeutender Handelsort wurde. Um diesen
Seeräubereien
ein
Ziel zu setzen, ließ
Hamburg 1402 die Stadt besetzen und stürzte 1431 in
Gemeinschaft mit Edzard,
Herrn von Gretsyl, aus dem
Haus
Cirksena, die Abdenas, worauf die Stadt den
Hamburgern und den
Cirksenas gemeinschaftlich gehörte.
Im J. 1453 traten erstere die Stadt letztern auf 16 Jahre ab; später erkaufte
Graf
Ulrich von den
Hamburgern das
Erbrecht auf
Emden.
Die
Verbindung der
Cirksenas mit dem
Deutschen
Reich verschaffte der Stadt 1494 vom
Kaiser
Maximilian ein
einträgliches
Stapelrecht. Als infolge der niederländischen
Revolution zahlreiche
Einwanderungen nach Emden
erfolgten, nahmen
Handel und
Schiffahrt einen neuen Aufschwung, die reformierte
Konfession ward eingeführt und die Macht der
Grafen gebrochen. 1553 wurde
die erste Heringskompanie errichtet, 1595 ward Emden
freie Reichsstadt unter dem
Schutz
Hollands, welches
hier traktatmäßig bis 1744 eine
Garnison unterhielt. Emden
war eine starke
Festung,
[* 19] erwarb von 1597 an ein
[* 1]
^[Abb.:
Wappen
[* 20] von Emden.]
¶
mehr
nicht unbedeutendes Stadtgebiet, und seine Bevölkerung [* 22] steigerte sich während des Dreißigjährigen Kriegs durch zahlreiche Einwanderungen auf 22,000 Einw. 1744 kam die Stadt mit Ostfriesland an Preußen. [* 23] Friedrich d. Gr. suchte die Schiffahrt durch Errichtung eines Freihafens 1751 zu heben; allein erst der Siebenjährige und der englisch-amerikanische Krieg, besonders aber der französische Revolutionskrieg (namentlich seit dem preußischen Separatfrieden mit Frankreich 1795) führten einen Aufschwung des Handels und der Schiffahrt herbei, wie er noch nicht stattgefunden.
Desto tiefer war der Fall, der 1806 folgte. Infolge der Streitigkeiten zwischen Preußen und England verlor Emden
durch englische
Kaper für 3 Mill. Gulden Eigentum und fast alle größern Seeschiffe. 1810 ward der Hauptort des französischen
Departements Ost-Ems, 1814 kam es an Preußen, 1815 an Hannover.
[* 24] Der fortdauernde Rückschritt der Stadt bis in die neueste Zeit
beruht vornehmlich auf ihrer geographischen Lage, die ungünstiger ist als bei andern deutschen Seestädten. Doch hebt sich
seit der Erweiterung des ostfriesischen Eisenbahnnetzes und dem Bau einiger Kanäle der Handel wiederum.